St. Ingberler Anzeiger.
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AM 104.
Donnerstag den 3. Juli ä 1879.
Deutsches Reich.
Neben dem Getreidezoll ist wohl kaum eine andere
Belastung so geeignet, der groben Vollsmenge beschwerlich und
jühldbar zu werden, wie der am 25. Juni im Reichstage durchge⸗
drachte Zoll von 5 Mark den Centner auf Schmalz. Um diesen
Zoll richtig zu würdigen, versetze man sich an die Stelle der Be⸗
troffenen und dergegenwärtige sich, daß das amerikanische Schmalz
und Speck bei seinem billigen Preise von 34—40 und 32-35 Pf.
das Pfund für die weitesten Kreise des Arbeiter⸗ und kleineren
Bürgerstandes, welche sich den Luxus der theuren Butter und des
jrischen Fleisches versagen müssen, in den letzten Jahren geradezu
ein unentbehrliches und durch Nichts von gleicher Billigkeit zu er⸗
jeßendes Nahrungsmittel geworden ist; ferner denke man daran,
»aß es vorausfichtlich gerade die ärmeren Clossen sind, welche den
Zoll zu tragen haben werden.
Aausland.
Paris, J. Juli. Das bereits erwähnte Kodizill in dem
(vom „Gaulois“ veröffentlichten) Testamente des Prinzen Louis Na—
ooleon lautet folgendermaßen: Ich brauche meiner Mutter nicht zu
empfehlen, daß sie Nichts vernachlässige, um das Andenken meines
zroßen Oheims und meines Vaters zu vertheidigen, und sie zu
bisten, sie möge sich gegenwärtig halten, daß, so lange es Bona⸗
partes geben wird, die laiserliche Sache Vertreler haben wird. Die
Pflichten unseres Hauses gegen das Land erlöschen nicht mit meinem
deben. Nach meinem Tode fällt die Aufgabe, das Werk Napoleon's
j. und Napoleon's III. fortzuiühren, dem ältesten Sohne des
Prinzen Napoleon zu. Ich hoffe, meine geliebte Mutter wird ihn
mit ihrer ganzen Macht unterstützen und dadurch uns, die wir
nicht mehr sein werden, diesen letzten Beweis ihrer Liebe geben.
s
glaubte, daß man nach allen vorliegenden Umständen nicht daran zweifeln
könne, daß wirklich die That mit Ueberlegung ausgeführt worden, vollstãn dig
geplant gewesen und, dann diesem Plane gemäß vollendet worden sei. Die
Bertheidigung bestritit das Moment der Ueberlegung, der Angeklagte sei so
ung, so aufgeregt, so verzweifelt üuber die Vorwürfe seiner Mutter gewesen,
aß eine ruhige Verstandesthätigkeit, wie sie zur Ueberlegung gehöre, gat
nicht bei dem Angeklagten vorhanden gewesen sei. Sei aber keine Ueberleg⸗
ung vorhanden und werde deßhalb der Angeklagte nur wegen Todischlags
chuldig gesprochen, dann müßten selbstverftändlich mildernde ümstände ange⸗
nommen werden. Die Geschworenen sprachen den Augeklagten des Mors
huuldig und der Gerichtshof verurtheilte ihn hierauf zum Tode und zum
berlust der bürgerlichen Ehrenrechte.
Sermischtes.
. .f Si. Ingbert, 2. Juli. In der gestern stoltgehabten
Distriktsrat bafitzung wurden nachsolgende 7 Verirauens⸗
nänner gewähll, um in Vereinbarung mit dem Herrn kgl. Land⸗
richter König hier, aus der Urlisse die zun Schöffen⸗ und Ge⸗
chworenendienste geeigenschaftete Persönlichteiten für den Kanton
St. Ingbert aufiustellen, namlich die Hß.: P. J. Woll, Adj.,
. Kahn, Siadtrath, Burgermeister Ur bean Jacob von Rohr—
hach, Bürgermeister Schem itt von Ensheim, Wolter, Adj.
don Eschringen, Joh. Hofemann von Ommersheim und Peter
Wall« von Heckendalheim.
F. Der in Aussicht stehenden KRaffeezoll⸗Erhöhung
wird die Verspätung der diesjährigen Kaffee-⸗Ernte zu Gute kom—
men. Die Niederländische Handel-Maatschapph macht bekannt, daß
die im Juli und August auf Java abzuhaitenden Kaffee⸗Aultlonen
je um einen Monat hinausgeschoben sind, da in Folge des Regens
nicht genügend Kaffee herbeigeschafft werden konnte. Aus leßzterem
Grunde find auch bis jetzt kut 40,000 Ballen von der auf
912,000 Ballen geschätzten Ernte von Gouv.⸗Kaffee in die Lager⸗
häuser der Regierung abgeliefert worden.
j In Kaiserslautern wurden am 23. d8. die drei
neu vergoldeten Kuppeln auf den drei Thürmen der Protestantischen
dirche aufgezogen. — Ja Kaiser staut ern sind in der
Nacht vom Sonntag auf Montag die beiden Gerlach'schen Mühlen
(staisermühle und Schalk⸗-Mühle) abgebraunt.
öFrankenthal, 29. Juni. Bei der heute Nachmittag
vorgenommenen Vertheilung der 10 ersien Preise auf den Fest⸗
cheiben erhielten solche von den Pfälzer Schüten die nachgenannten:
Uuf „Laufendes Wild“: Or. Michel, Ludwigshafen, 17 Punkte,
Rauchtisch, Werih 20 M. Auf ‚Feld-Ehrenscheiben“: Friedr.
Tropf von Frankenthal, 50 Punkie, 6. Preis. A. Köth, Ludwigs-
jafen, 50 Punkte, 6. Preis, und A. Schuler von Ludwigshafen,
19 Punkie, 9. Preis. Auf Sceibe „Kaclsruhe“: Ad. Illy,
Bermersheim, 125 Theiler, 1. Preis, 1 silb. Tafelbestek, Weribh
250 M.; Joh. Heintz, Frankenthal, 162, 1 Dutz. silb. Eßlöffel
mit Vorleger. 170 M.; Vetter, Ludwigshafen, 225, 1 Punsch-
»owle, 86 M.; F. Pachmeyer, Kaiserslautern, 233, 10 Flaschen
Thampagner, 70 M.; Peter Kumpẽ, Lambrecht, 246, 10 Duß.
ilb. Eßlöffeb 70 M.. Auf Scheibe „Frankenthal“: W. Minot,
Frankenthal, 173 Theiler, 1 Zentralbücheflinte, Werth 125 M.;
J. M. Eyer, Grunkadt, 217, 1 Punschbowle, Werth 90 M.;
d. Rübsamen jrt., Ludwigshasen, 15 Flaschen Wein, Werth 60
N. Auf Scheibe „Pfalz“: Ferd. Pachmaher, Kaiserslautern, 39,
a Dztzd. Eplöffel, Gabein, ⁊c., Wertd 200 M.; Friedr. Tropf,
Frankenthal, 36, 1 Damenschreidtisch, Werth 120 M.; Ad. Illy,
Bermersheim 36. 2 Wiener Bettdecken nebst Vorlagen, Werth 100
M. Auf Scheibe „Mittelrhein“: C. Breyer, Frankenthal, 37
Punlte, baar 150 M.; M. d. Gienanth, Hochstein, 33, 1 Frucht⸗
chale, Werth 75 M. Fesiprämien erhielten auf Stand: E. Bibel,
Forst, 20 M., Ph. Eberhard, Frankenthal, 10 M.; auf Feld:
Ph. Eberhard, Frankenthai, 20 Mi.
TFlomersheim, 30. Juni. Vorgestern wurden durch
Herrn Dr. Fromm von Frankenthal die ersten neuen hiesigen Kar⸗
loffeln, 17 Mi. pr. 100 Kilo, verladen. (Fr. T.)
fSiebeldingen, 80. Juni. Die heiße Witierunz
der vergangenen Woche hat auf unsere Wingert in der günstigsten
Weise eingewirlt; allenthalben seht man Traubenblüthen in Menge.
Die Feinde der Reben treten bis jetzt nur in bescheidenem Maße
Schwurgericht der Pfalz.
Zweibruücen, 25. Juni. (Fall Schüler. Schluß.) Kinsler, ein in
seder Hinsicht Ubelbeleumundeter Bursche, hatte schon vor eiwa 6 Jahren ein Verhali⸗
niß mit der Fabrikarbeiterin Christine Oechssner angefangen und mit ihr 2
dinder gezeugt. Im Juli vorigen Jahres lernte der recht gut beleumundete
Angeklagte die Oechsner bei einer Kahnfahrt auf dem Rheine kennen und
müpfte nun seinerseits ein Berhältniß an, obwohl er wußte, wie sie zu
Rinsler stand. Die Oechsner nahm keinen Anstand, sich mit beiden einzu—
lassen und schien sogar den Angeklagten zu begunstigen; so entstand denn
zwischen dem letzteren und Kinsler eine heftige Feindschafi, einer drohte dem
anderen mit Todtschießen und Kaltmachen““ Schon in der Neujahrsnachi
— so gab Kinsler bei seiner eidlichen Vernehmung auf dem Todesbeite an —
Jabe der Angellagte seine Pistole auf ihn angelegt, damals habe er sie ihm
sedoch abgenommen und ihn mit derselben blutig geschlagen; der Angeklagte
will jenes Mal nur der Oechsner das Neujahr angeschossen haben, muß aber
jugeben, daß auch damals seine Pistole scharf geladen war. Am 10. März
laufte fich der Ängeklagte eine neue Pistole und zwei Kugelpatronen und
58 Abends der Oechsner mit den Worten: „Mit der wird einer kalt
zemacht.
Am Abend ver der Katastrophe — 15. März — war der Angeklagte
vei der Oechsner in ihrer Wohnung und Kinsler ging unten auf der Straße
auf und ab. Beide hatten damals ihre geladenen Pistolen bei fich und
Rinsler soll zu einigen Zeugen gesagt haben, wenn er mit dem Schüler
usammentreffe, dann habe es gereucht“. Dem Kinsler dauerie es aber offen·
bar an diesem Abend qzu lang bis der Angeklagte herauskam und entfernte
fich deshalb vorher. Äm nächsten Morgen so gibl der Angeklagie selbfl
an — habe ihn seine Mutter mit Vorwirfen darüber Uberhäuft daß er sich
immer noch mit der lüderlichen Oechssner abgäbe und da sei er im Unmuthe
bon zu Hause fort und auf den „Eselsdamm“ gegangen. Bei diesem Spa⸗
ziergange sei ihm der Gedanke gekonimen, den Kinsler, seinen Nebenbuhler,
zu todten. Stunden sei er hin- und hergegangen, habe dann nach fefi—
gefaßtem Enischlusse seine Pistole mit einer Kugelpattone geladen und fich in
ous Johannitergäßchen begeben. Dort sei er zuerst noch . Stunde vor der
Wohnung des Kinsler auf⸗ und abgegangen, habe ihn dann beim Namen
getufen, sich mit der schußbereiten Pistole auf dem Rücken an der Haust hür
postirt und den herausiretenden Kinsler zusammengeschossen. Dann sei er
u der Christine Oechsner geeilt, habe ihr das Geschehene mitgethe ilt und
fich dann unter Zurücklassung der Pistole in der Behausung der Oechsner
der Polizei zur Verfügung geftellt. Der Angeklagte, ver mit bewunderungs⸗
würdiger Wahrhaftigkeit die That selbsi sowohl als auch alle einzelnen Mo⸗
mente vor derselben zugesteht, gibt heute noch an, er sei durch Criminalletture
auf den Gedanken gelommen, wie der Held in jener Novelle, ebenfalls seinen
Gegner aus der Weit zu schaffen. Er P cen an Schwermuth und einige⸗
male an epileptischen ÄAnfaͤlien gelitten, ja sogar zweimal Selbstmordversuche
emacht haben. Die Debatten drehten sich hauptsächlich um die Frage, ob
hiet ein Mord oder nur ein Todtschlag vorliege, d. h. ob mit Ueberlegung
»ie That ausgefuhrt wurde oder ohne Ueberlegung. Die kal. Staatsbehörde