Full text: St. Ingberter Anzeiger

odes Capucines gerichtlich versteigert. Die Taxe ist, Material und 
Mobiliar mit eingeschlosser, auf 25,700, 000 Fres. festgesetzt. Mit 
diesem Hotel sind noch verbunden ein großes Café, abgeschätzt zu 
5,8500,000 Francz, eine großartige Waschanstalt, welche zu 
1,800.000 -IIrcs. veranschlagt ist. 
F Eine sensationelle Mitiheilung über den Prinzen Louis Na⸗ 
poleon bringt der „Berl. Börsen⸗Courier“ in einer Privat⸗ Kor— 
respondenz aus London. In derselben wird eine höchst mysteridse 
Beschichte erzählt, welche darauf hinausläuft, daß der Prinz eine 
heimliche Ehe eingegangen, aus welcher ein gegenwärtig etwa 3 Mo—⸗ 
nat alter Knabe entjprossen sei. Die junge Mutter soll bereits 
eine Audienz bei der Kaiserin Eugenie nachgesucht haben. 
kZürich, 6. Juli. Aus der ganzen Schweiz kommen 
Nachrichten über schwere Gewitter mit verderblichem Hagel und starken 
Regengüfsen, Flüsse und Seen steigen. Der Genfer See stand am 
2. Juli um 67 Centim. höher als das Mittel der letzten 25 Jahre 
und 19 Centim. höher als im Vorjahr. In den ersten 3 Juls 
tagen stieg er um 25 Centim. Auch der Züricher See stieg vom 
27. Juni bis 4 Juli von 1 Meter 38 Centim. Pegelhoͤhe am 
Stadthaus auf 1 Meter 59 Centim., er ist schon theilweise aus⸗ 
getreten und man fürchtet Ueberschwemmungen. Ueberdies ist das 
Wetter seit einigen Tagen traurig kalt, stürmisch und regnerisch. 
Auf dem Gotthard schneit es seit 4. ds. Vormittogs 11 Uhr und 
aus den Alpencurorten treffen trostlose Berichte über Kälte und 
Mangel an Gästen ein. In Ragaz ist der König und die Königin 
von Sachsen eingetroffen. S. M.) 
F Rom, 3. Juli. Der berüchtigte Prozeß Lambertini— 
Ankonelli ist endlich in sein letztes Stadium geireten. Frau Lam—⸗ 
bertini, welcher das Tribunal in erster Instanz gestattete, durch 
Indizien und Zeugen zu beweisen, daß sie die Tochter des Kar⸗— 
dinals Artonelli sei, welches Recht ihr dann vom Appellhofe, der 
das Urtheil erster Instanz bernichtete, wieder entzogen wurde, hatte 
den Rekurs zum Kassationshof ergriffen, welcher aber trotz der 
Beredtsamleit ihres Advokaten Mancini auch verworfen wurde, 
Somit enden sfür die Gräfin Lambertini alle Träume einer glän⸗ 
zenden Zukunft und eines enormen Reichthums. 
F Ein schredlich Ereigniß ist das Tagesgespräch Neapels, 
doch bis heute hat man noch nicht den wahren Beweggrund der 
Tragödie entdecken können. Der Kavalier Ottaviano Cassitto hat 
seinem Leben ein Ende gemacht und vorher seine Frau erschossen. 
Tassitls war ein wohlhabender angesehener Mann, seilne Frau aus 
zuter Familie und reich, Beide leblen in einer reizenden Villa in 
der Nähe Neapels in Resina. Man behauptet, die Gatten hätten 
jeit einiger Zeit sortwährend in Hader und Sireit gelebt, und die 
Nachbarn hältten oft Geschrei und Schimpfsworte in der Stille det 
Nacht gehört. Dann sagt man wieder, schlechte Finanzen seien der 
Beweggrund der That gewesen; die Frau hätte helfen sollen und 
tönnen, habe jedoch ihre Hülfe verweigert. Noch Andere behaupten, 
Fifersucht und zwar nicht unbegründele sei hier im Spiel gewesen, 
Tassitio war ein Fünfziger, seine Frau 40 Jahre alt. Am 30. 
Juni, um 7 Uhr Morgens, stritnen sich die Gatlen so heftig, oaß 
die Kammerjungfer gens higt war einzuschreiten, um Hondgreiflich⸗ 
keiten zu vermeiden. Sie glaubte Frieden gestiftet zu haben und 
zing in die nächste Siube, um dem Töchterchen des Hauses das 
Frühstücl zu bereiten, als sie plößlich einen Schuß hörte und 
gleich darauf einen zweiten. Sie stürzte ins Zimmer und fand 
beide Gatten in einer Blutlache. Die Frau lag halb auf dem 
Bette und hatte eine Schußwunde im Ohr, er lag am Boden und 
hatte sich eine Kugel in die Schläfe geschossen. Der 18jährige 
Sohn (aus erster Ehe der Frau) wurde gerufen und warf sich 
weinend auf die Leiche dert Mutter. Der Kutscher, der mit dem 
Wagen vor der Thür wartete, ließ Pferd und Wagen im Stich, 
sowie er den Schuß hörte und eilte ins Haus, kam aber leider zu 
spät. Außer sich nahm er das kleine Miädchen auf den Arm, stedte 
den Rebolder in die Tasche und lief wie wahnsinnig davon. Dies 
absonderliche Beiragen erregte Verdacht, es wurde nach Neapel 
elegraphirt und er wurde verhaftet, mußte jedoch wieder in Frei— 
heit gesetzt werden, da man ihm nichts anhaben konnte. Er hatte 
das Kind dem Bruder des Verstorbenen gebracht und ihm auch 
den Revolver eingehändigt. Der Kutscher behauptete, Cassitto habe 
Spuren von Geistesabwesenheit gezeigt, die bose Welt sagt, er sei 
der Liebhaber seiner Hertin gewesen und das kleine Mädchen sei 
sein Kind. Das Ehepaar Cassitto ist todt; wer kann jetzt mit 
Bew ßheit den Beweggrund der That feststellen7 
xIn der Kohlengrube von Higbh Blantyhre in Schott⸗ 
and, wo vor zwei Jahrten über 100 Menschen verunglückten, sind 
jetzt durch eine Explosion wieder gegen 830 Arbeiter ums Leben 
jelommen. 
fNew-⸗York, 5. Jali. Uetber die Staaten Jowa, 
Minnesota und Wisconsin ist ein Wirbelwind gezogen, der 25 
Menschen den Tod gebracht, diele Gebäude zerstört und auch fonft 
Moßen Schaden angeriqtet hat. 
r Die in Cincinnati erscheinende „Freie Presse“ versffentlich 
gelegentlich des Sängerfestes des nordamerikanischen Sängerbundes 
eine biographische Skizze des Festpräsidenten, John Grossius, 
eines gebornen Speyerers. Grossius ist im Jahr 1833 in Speyer 
zeboren. Er trat früh in das Geschäft seines Vaters, eines Klemp⸗ 
ners und Ofenfabrikanten, ein. Im Alter von 17 Jahren ging 
er nach Amerika. In Cincinvan arbeitete er 4 Jahre langols 
Handwerksgeselle, bis er im Jabre 1855 mit einigen hundett er— 
Pparten Dollars sein eigenes Geschäft begründete. Durch Fleiß und 
Energie schwang sich Grofsius zu einem der angeschensten und 
Nmößten Fabrikanten des Landes empor. An dem öffentlichen Leben 
nimmt er regen Antheil. Er war Ausstellungscommissar für den 
Staat Oßio bei der im vorigen Jahr in Paris stattgefundenen 
Weltausstellung. 
Siena (Toscana), 4. Juli. Wie voriger Woche aus 
anderen italienischen Städten gemeldet wurde, so sahen wir gestern 
über einen Theil unserer Stadt Milliarden von Schmetterlingen 
liegen. Ihre Menge war so ungeheuer, daß sie wie eine gtoße 
Gewitterwolke einen Augendlick die Sonne verfinfterte. 
Wie man's nach 500 Jahren treiben wird. Scene! Stu⸗ 
dierzimmer in dem Hause eines alten Herrn irgendwo in Austra« 
lbien: Der alte Herr telegraphirt nach dem Bedientenzimmer und 
Johann erscheint, durch Luftdruck aus einer Roͤhre herborgepustet. 
Herr: „Johann, geh in die Remise und fülle den Familienballon, 
meine Frau und meine Kinder werden um 4 Uhr nach Calcultta 
ju Herrn Kohnson fliegen, um einem Ballfest beizuwohnen. Dann 
»ürste meinen kleinen Ballon gut aus und fülle ihn ebenfalls, ich 
nuß sofort nach London zur Börse fliegen, gedenke aber noch vor 
dUhr zurück zu sein, um meiner Frau einige 100 Meilen kas 
Beleit zu geben. Dieselbe wird um 5 Uhr Morgens zurück sein, 
ollte es um diese Zeit sehr dunkel sein, so laß einen der Affen 
zas elektrische Licht anstecken, so ungefähr, daß es 2—300 Meilen 
weit leuchtet. Morgen erwarte ich verschiedene Freunde aus Hong⸗ 
long und St. Francsco, vergiß deshalb nicht, nach Paris an 
Thevet Nachf. wegen der Pasteten à la Napoleon XVIII. zu tele⸗ 
Zzraphiren, bemeike ihm, daß wir dieselben um 532 Uhr, noch 
warm, erwarten. Sage dem Koch, daß dei dem gestrigen künst⸗ 
lichen Beefsteak St dstoff zu reichlich vertreten gewesen sei — solche 
bedauerliche Unrezelmäßigkeiten solllen gar nicht vorkommen.“ 
Diechinesisscche Mauer. Die Großartigkeit dieses 
Kiesenwerkes übertrifft alleß, was die alte und neue Zeit in der 
Bautunst aufzuweisen hat. Die ägyptischen Pyramiden, die großen 
römischen Wasserleitungen, unsere Brücken und Eisenbahntunnels 
sind nichts dagegen. Ein amerikanischer Ingenieur, Herr Undank 
(dem Namen nach ein Deutscher), der in China den Bau einer 
Fifenbahn leitet, hat die große Mauer näher untersucht und gibl 
davon folgende Beschreibung: Sie ist 860 deuische Meilen lang, 
18 Fuß hoch und oben 18 Fuß breit. Das Fundament besteht 
durchweg aus solidem Granit, das Uebrige aus festem Mauerwerf. 
In Zwischentäumen von 2—300 Schritlen befinden sich feste, 25 
dis 30 Fuß hohe und 24 Fuß im Geviert messende Thürme. 
Oben auf der Mauer befiaden sich auf beiden Seiten Brustwehren, 
jo daß die Vertheidiger von einem Thurm zum andetn gehen 
'önnen, ohne dem Anblick der Feinde ausgesetzt zu sein. dDie 
Mauer ist ohne Rücksicht auf das Terrain übet Berge, Thäler und 
kbenen ost an 1000 Fuß tiefen Abgründen vorüber aufgeführt, 
Bäche und kleinere Flüsse sird überbrückt, große Ströͤme an beiden 
Afern mit starten Thürmen flankirt. Die Mauer wurde etwa 200 
Jahre vor Christi Gedurt gegen die Einfälle der Tataren gebaut. 
Die Zeit, welche die Aufführung dieses kolossalen Werkes in An— 
spruch nahm, und die Kosten, die es verursachte, entziehen fich jeder 
menschlichen Berechuung. Jedenfalls müssen virle Millionen Men— 
ichen dahei thätig gewesen sein. 
f Die Wellerberichte aus Oesterreich, Frankreich und England 
lauten gleich ungünstig wie die aus allen Theilen Deutschlands 
borliegenden. Bisonders trostlos gestaltet sich die Witterung in 
England. Aus London, 5. ds., wird gemeidet: „London zeigte 
heute Mocgens ein wenig Sonnenschein. Gestern Nachmittags war 
der Nebel so stark, daß eine Zeit lang Gas gebraunt werden mußte. 
In Dublin war stlarker Sliurm. Ene Brücke über den Aire bei 
Kidstall ward fortgerissen. In Lancashire und in Derbyshire ist 
durch Sturmwetter großer Schaden angerichtet worden. Viele 
Lämmer sind durch Kälte ungekommen. In Schottland sind ganze 
Felder überfluthet.“ 
Dienstesnachrichten. 
Die in Grünstadt erledigte Notarstelle wurde dem kgl. Notar 
Zassert daselbst verliehen und auf die hienach sich erledigende Notar— 
stelle in Grünstadt der Notar Jalob Heck in Kusel auf Ansuchen 
versetzt.