Full text: St. Ingberter Anzeiger

Geruch verbreitend, gleich einem wilden losgelassenen Thiere auf 
die Commission zusprang. Die schmutzigste Schweinestallung ist ein 
Palast gegen die Stelle, in welcher dieses menschliche Wesen sein 
de— fristen mußte. Verfaultes und Übelriechendes Stroh ziert 
en Boden und seuchte Wände umklawmmerten die lebendig Begrabene, 
die starren Blickes die Gerichtskommission betrachtete. Wer die 
Schuld trägt an dieser unmenschlichen Behandlung wird sich jeden⸗ 
falls im Verlaufe der Untersuchung herausstellen. 
Erlaugen, 16. Juli. Handschuhfabrikant Fleischmann 
dahier beabsichtigte sein Anwesen Lilienstraße Nr. 7 zu vergrößern; 
er lReß deshalb auf das bereits stehende Haus einen neuen Gitbel 
auffetzen und außerdem einen Anbau in Angriff nehmen. Der 
erwähnte Giebel war seit mehreren Wochen aufgefetzt und der An⸗ 
bou auch bereits zu einer ziemlichen Höhe herangewachsen. Gestern 
Abend gegen 64 Uhr hoͤrte ein im unteren Vorplatze des alten 
Hauses mit Einrichtung der Wasserleitung beschäftigter Maurerge— 
jelle ptötzlich ein drohendes Knistern; geschwind rief er seinem 
stameraden einen Warnungszuruf zu. Beide sprangen aus dem 
hause, und in demselben Augenblick stürzte die eine Hälfte des al—⸗ 
ten Hauses unter donnerähnlichem Krachen in sich zusammen, die 
beiden in der Kuüche des oberen Stocwerks beschäftigten Fleisch— 
mann'schen Toͤchter (ein 19jähtiges und ein 18jähriges Mädchen) 
im Schutte begrabend. Der sofort herbeigeeilten Menschenmenge 
bot sich ein erschreckender Anblick dar: am Fenster des noch stehen 
gebliebenen Theils des Hauses sah man händeringend die unglücklicht 
Mutter nach ihren Kindern schreien. Fleischmann selbst befand sich 
waãhrend der Katastrophe auf dem Nachhauseweg von einer Sitzung 
der Gemeindebevollmächtigten. Sofort wurden die Rettungsarbeiten 
in's Werk gesetzt, und nach kurzer Zeit wurde aus den Trümmern 
die Leiche des äͤlteren und drei Schuh tiefer auch die des zweiten 
Mädchens hervorgezogen. Die Koͤrper derselben trugen ganz unbe⸗ 
deutende Verletzungen, so daß die Vermuthung besteht, daß die Be— 
dauernswerthen den Tod durch Erstickung gefunden haben. Einem 
lOjahrigen Sohn Fleischmann's welcher sich während des Einsturzes 
im zusamwengestürzten Theile des Hauses aufhielt, gelang es, aus 
dem Schutt hervorzulkriechen. Eine genaue Feststellung der Ursache 
des Einsturzes ist zur Zeit nicht moͤzlich, nur so viel läßt sich be⸗ 
urtheilen, daß die Verbindung zwischen dem stehengebliebenen und 
dem zusammengestürzten Theile des Hauses eine sehr mangelhafte war. 
FBamberg, 14. Juli. Wie belannt hat sich am Sonn⸗ 
iag den 8. Juni die 18jährige Kaufmannstochter Frl. Lina Ham⸗ 
merbacher dahier mittelst Revolvers erschossen; ihr Bräutigam 
der Secondelieutenant Frhr. v. Horn erschoß sich am Sonntag den 
b. Juli. In heutiger Sitzung des k. Stadtgerichts Bamberg 
wurde nun eine Klage des Valers der Braut, des Kaufmanns 
Herrn F. C. Hammerbacher hier gegen den Vater des Bräuligams, 
den qu. k. Postexpeditor Frhr. v. Horn daselbst wegen Beleidigung 
derhandelt, welcher Verhandlung wir Folgendes entnehmen: Der 
qu. k. Postexpeditor Frhr. v. Horn mißbilligte die Verlobung sei⸗ 
nes Sohnes mit Fräul. Lina Hammerdacher und war bestrebt, sei⸗ 
aen Sohn zur KAuflösung dieses Verhältnisses zu bestimmen. Hier— 
lüber kam es kurz vor dem 8. Juni c. jwischen Vater und Sohn 
ju einem heftigen Auftriti, bei welchem der Vater Freiherr von 
horn sich übher die Braut seines Sohnes sehr ungünstig äußerte. 
Der Vater der Braut und der Bräutigam ließen den Freiherrn 
don Horn unter Bedrohung einer Beleidigungklage auffordern, feine 
Aeußerungen über die Braut zurüdzunehmen. Der Fihr. v. Horn 
erklärte jedoch brieflich er lönne nichts zurüdnehmen, seine Aeußer⸗ 
ungen über die Braut seines Sohnes feien durchaus wahr. Als— 
bald nach erlangier Kenntniß dieser Antwort zog sich die beleidigte 
Braut auf ihr Zimmer zurück, schloß sich ein und toödtete sich durch 
zinen Schuß in das Herz. Auf Grund dieses Briefes wurde nun 
bon J. E. Hammerbacher gegen Frhrn. v. Horn Klage wegen 
Beleidigung erhoben. Von den vernommenen Zeug'en konnte auch 
nicht eine einzige Wahrnehmung bestätigt werden, welche auf den 
Kuf des unglückichen Mädchens, Frl. Lina Hammerbacher, einen 
Schalten zu werfen geeignet wäre. Frhr. v. Horn wurde zu 4 
MNonaten Gejfängniß verurtheilt. 
rF Munchen, 15. Juli. Wie das „Fremdenblatt“ mit⸗ 
zheilt, wurde gestern in der Thallirchnerstraße eine Falschmünzerei 
entdeckt und einer der Bande sofort verhaftet. Diese Bande be⸗ 
chäfrigie sich mit Verfertigung von Zehn⸗ Markstücken, wovon welche 
horgefunden wurden. Dieselbe stand nach den aufgefundenen Briefen 
mit Konstanz und Pforzheim in Verbindung. 
fMDässeldorf, 11. Juli. Drei unschuldig Verurtheilte 
jaßen gestern zum zweiten Male auf der Anklagebank, ein und des 
jelben Verbrechens beschuldigt. Es waren dies der 27 Jahr alte 
Taglöhner Karl Tack, der 19 Jahr alte Weber Hermaun Tac und 
der gleichfalls 19jährige Weber Wilhelm Werdeimann, olle drei 
ꝛus Hamm. Sie waren seiner Zeit beschuldigt, den Wedergesellen 
Thristian Frischkorn beraubt zu haben, uad da Frischlorn seint 
Uussagen beschwoor, waren sie zu 10 Jahren Zuchthaus resp. 5 
Jahren Gesaunguißz verurtheilt. Frischlornerzürvse sich spaler mu 
einer Beliebten, welche darauf aukplauderise, daß ihr ehemaliget 
diebhaber gar nicht beraubt sei und die Drei falschlich angeklagt 
habe. In der gesirigen Verhandlung wurden daher die damals 
Verurtheilten freigesprochen, nachdem sie zwei Jahre lang unschuldig 
gesessen hatten. 
Berlin, 16. Juli. In der Konigin⸗Louisa⸗Brube bei 
Bleiwitz wurde eine Arbeiter-Revolte, die durch Lohnverkürzungen 
zeranlaßt war, durch Gleiwitzer Ulanen unterdrückht. Es gab zwe 
Todte und fünfzig Verwundete. Sechzig Arbeiter wurden ver⸗ 
haftet. (Fr. J. 
4 Die ,Voss. Zig.“ meldet die am 23. Mai d. J. in Tokio 
Tapamn) vollzogene eheliche Verbindung einer Berlinerin mit Kiisuma 
Yamasasi, Director der kaiserlich japanischen Papierfabrik zu Umedu. 
F Ein gräßliches Unglück hat sich vorige Woche unter eigen⸗ 
hümlichen Umständen in einem Gehöfte bei Bekum in Westfalen 
ereignet. Das massive und mit Blitzableiter versehene Gebäude 
wurde bei heftigem Gewitter, das sich entlud, vom Blitze getroffen 
und in Folge dessen vollständig zertrümmert. Eine größere Anzahl 
Personen, welche in demselben Schutz vor dem Unweiter gesucht, 
vurde verschünet. Von diesen wurden neun als Leichen unter den 
Trümmern hervorgezogen. 
Wandsbeck. Der Redacteur der „Wandsbecker Ztg.“ 
war zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt worden, weil er den 
dorligen Stadtcassier einen unrtellen Beamten genannt hatte. Kaum 
jatte er seine Strafe abgebüßt, so verschwand der Cassier mit 
10,000 M. Stadigeldern. 
Petersbur]g, 12. Juli. Aus Omsk wird der „Pe⸗ 
ersburger Zig.“ vom 11. bs. Mis. derichtet, daß in der Racht 
pom 3. auf den 4. d. Mts. das Omsker Gefangenhaus von un⸗ 
hekannten Thätern mittelst Schießpulver und Dynamit in die Luft 
gesprengt wurde. Die Sprengstoffe wurden ausschließlich unter die 
Zimmer gelegt, in welchen die Gefängnißbeamten wohnten; doch 
wurde das ganze Gebäude zerstört und fanden hiebei viele Per⸗ 
sonen den Tod. 
Petersburg, 10. Juli. Ein Unglücksshlag folgt dem 
gadern. Pest, Heuschrecken, Getreidekäfer, Wassersnoth, Dürre, 
Nihilismus und Feuersbrüuste, das alles haben wir in diesem Jahre 
in Rußland durchgemacht und noch scheinen die Prüfungen nicht 
am Ende zu sein. Ein neues Telegramm über einen nochmaligen 
urchtbaren Brand in Irkutsk ist gestern hier eingelaufen. Dasselbe 
autet: Am 24. Juni, 12 Uhr Mittags, brach in Irkutsk im 
Lentrum der Stadt bei gewöhnlicher Hitze und heftigstem Sturm 
abermals Feuer aus, und ungeachtet der ergriffenen Maßregeln und 
der Anstrengung der Löschcommandos, die von dem vorhergehenden 
Brand erschöpft waren, breitete sich das Feuer nach allen Seiten 
nus, die besten Gebäude wurden ein Raub der Flammen. Nieder⸗ 
gebrannt sind u. A. fünf Kirchen und die meisten öffentlichen Ge⸗ 
häude. Von den Peivathäusern ist über die Hälfte der Stadt, 
azu die bessere zerstͤrt. Die Zahl der umgekommenen Personen 
st noch nicht ermittelt. Die Vorräthe der Intendantur, das ge⸗ 
chmolzene Geld und die Summen der Banken sind gerettet. Die 
Finwohner haben mit der gerelteten Habe die Stadt verlassen und 
ich zum Ufer der Flüsse Angara und Uschakowka begeben. Das 
Feuer rast fort. Ein geringer Theil der Gebaͤude am Angara⸗Ufer 
rennt. Maßregeln zur Versorgung und Befriedigung der dringend⸗ 
len Bedürfnisse der Abgebrannten sind getroffen. Die Verluste der 
—AXVV 
Alle großen Firmen der Siadt sind abgebrannt, ferner der Trödel⸗ 
narkt mit allen Reihen und beiden Kaufzöfen. So sind in kurzer 
Zeit vier blühende Städte in Rauch aufgegangen, der zahlreichen 
rniedergebrannten Dörfer und der größern Feuersbrünste in andern 
Städten gar nicht zu gedenken. Die ausgedehnteste Unsuchung ifl 
eingeleitel, da man nicht weiß ob Nihilisten, Diebsbanden oder irgend 
ein Zufall Veranlassung der Feuersbrünste ist. 
Newyork, 12. Jul'. Im Westen und Nordwesten der 
Uaionsstaaten und in Canada r'chtete ein heftiger Sturm viel Scha⸗ 
den an der Ernte an. Die Telegraphenderbindungen sind dielfach 
unterbrochen. 
4 Ein Alt unglaublicher Verzweiflung ist die That eines 
Deutschen, Namens John Keinmler, der in South Holyoke, Mafs., 
ebt. Da derselbe seit Febtuar außer Beschäftigung war und nicht 
nehr wußte, wie er seine Familie ernaͤhren sollte, erschoß er seine 
drei Kinder von denen das älteste 6 und das jungste 1 Jahr alt 
war, und stellte sich dann selbst den Behörden. 
Marsktberichte. 
Zweibrücken, 17. Juli. (Fruchtmittelpreis und Vickualienmarkt. 
PWeizen — M. — Pf. Korn O M. — Pf., Gerste zweireihige d M. Sppf 
ierreihige M. — Pf., Spelz O M. — Pf. Spelzkern — M. — Pf, 
Dinklel — M. — Pf., Mischfrucht d M. — Pf. Hafer 8 M. 17 5f. 
ẽrbsen — M. — Pf., Widen 0O M. — Pf., Kartoffeln 5 M. — Pf. 
heu 2 M. 50 Pf., Stroh 2 M. 60 Pf., eern 12/3 Kilogr. — Pf., 
dornbrod 3 Kilogr. — Pf., 2 Kilogr. — Pf., 1 Kilogr. — Pf., Gemifcht⸗ 
zrod 8 Kilogr. — Pf., das Paar Wed 100 Gr. 6 Pf. Rindfleijch J. Qual. 
z6 Pf N. Qual. 60 Pi, Kolbfleisch 30 Pf., Dammelfleisth 60 Pf. Schweinefieiscs 
56 Pf. Butter /2 Rilogr. O M. 80 Pf., Wein 1 Liter 80 Pf. Vier J1 Liter 24 Pf. 
Für die Redaction veranlworilich: F. X. Demen