Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler AAnzeiger. 
Der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich? mi⸗ dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntagt mit illustrirter Bei— 
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1879. 
Deutsches Reich. 
München, 17. Juli. (Landtag) Die Kammer der Ab⸗ 
Jeordneten hielt heute Vormittags ihre erfle Sitzung in gegenwär⸗ 
iger Session (die 86. des gegenwärligen Landtags), in welcher die 
Minister v. Pfretzschner, v. Pfeufer und v. Riedel, sowie ca. 120 
Abgeordnete erschienen waren. Präfident Frhr. b. Ow begrüßte 
die Versammelten auf's herzlichste und gedachte sodann der seit 
Schluß der letzten Session verstorbenen Abq. Dr. Lindner und 
Adam Lang, zu deren ehrendem Andenken sich die Kammer erhob. 
Sodann wurde der für den verlebten Abg. Lang einberufene Ersatz⸗ 
nann Pfarrer Kühn beeidigt. Urlaub erhielten die Abg. Frhr. 
b. Soden, Fihr. v. Stauffenberg und Frehtag und zwar je 4 
Wochen. Das Austrittsgesuch des Abg. Feigel (Ansbach) wurde 
zjenehmigt. Aus den Mittheilungen über den Geschäftsstand ist 
ju entnehmen, daß der Geschäftsordnungsausschuß zu berichten hai, 
»b die Legitimation der zjum obeisten Reichsgerichtshofe berufenen 
Abg. Dr. Dürrschmidt und Stenglein auch noch nach dem J. Ot- 
ober fortbestehend fei. Es ergriff hierauf der Staatsminister des 
Innern v. Pfeufer das Wort, um mitzutheilen, daß er von Sr. 
Majestät dem König beauftragt sei, dem Landtage einen Gesetzent⸗ 
vurf, betreffend die Disziplin der Staatsbeamten, vorzulegen. Der 
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Zum nächsten Gegenstande der Tagesordnung wird auf Antrag des 
Abgeordneten Kurz beschlossen, die Präklusivfrist füe Ausübung des 
den Kammermitgliedern in Bezug auf die Gesetzenwürfe über das 
VBebührenwesen und die Erdbschastssteuer zustehenden Rechtes auf 
3 Tage don Zustellung der Gesammtbeschlüsse der Gesetzgebungs⸗ 
aueschüsse beider Kammern festzusezen. Nich Erledigung der Tages⸗ 
yrdnung wird die Setzung um *2 11 Uhr geschlossen. Morgen früh 
10 Uhr findet die nächste Sitzung statt. 
Augsburg, 17. Juli. Nach der „Augsburger Post- 
jeitung“ ist ein Wechsel in der Person des päpstlichen Nuntius zu 
Munchen bevorstehend; der bisherige Nuntius Masella sei als Ver⸗ 
steter des Papstes für Lissabon defsignirt. 
Berlin. Die Gebühren, welche der Rechtßanwalt in Straf⸗ 
rachen anzusprechen hat, find durch die neue Gebührenordnung 
rolgendermaßen normirt. Derselbe erhalt als Vertheidiger in der 
hauptverhandlung erster Instanz 2. vor dem Schoͤffengericht 12 M., 
d. vor der Straftammer des Landgerichtes 20 M., c. vor dem 
Schwurger cht oder dem Reichsgericht 40 M. (rFur Anfertigung 
einer Schrist zur Rechtfertigung einer Berufung, oder zur Be—⸗ 
zründung einer Revision, oder eines Antrags auf Wiederaufnahme 
des Verfahrens, oder eines Gnadengesuchs erhält der Rechtsanwalt 
die Hälfte dieser Sähe, für Einlegung eines Rechtsmittels und An⸗ 
sertigung anderer Aniräge ꝛc. je 2 N.) Wenn die Verhandlung 
mehr als einen Tag dauert, erhöhen sich diese Sate fur jeden 
weiteren Tag um die Hälfte. In der Berufungsinstanz erhäli der 
Rechtsanwallt dieselben Gebühren, wie in der ersten Instanz. Für 
die Vertheidigung im Vorverfahren erhält der Rechtsanwalt in den 
zur Zustandigkeit det Schöffengerichte gehoͤrigen Sachen 6 M., in 
den zur Zuständigkeit der Straftammer gehorigen Sachen 10 M., 
in den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte oder des Reichsgerichts 
gehörigen Sachen 20 Me. 
Die „Magd. Zig.“ schreibt: Es darf als nicht unwahrschein⸗ 
ich erachtet werden, daß im X 
Jahre bevorstehende neue Veststellung der de utchen Heere⸗⸗ 
tärke auch die Idee der Erhebuͤng einer, W ehrsteuer“ 
von denjenigen jungen Leuten, welche sich aus itsend einem Grunde 
nicht zur persönlichen Ableistung ihrer Militärpflicht geeignet erwei⸗ 
en, wieder zur Sprache gebracht werden dürfte. Es uͤst bekannt⸗ 
üich eine solche Sieuer vor 1870 - 71 in Bayern einige Jahre 
zthoben worden und man ist dort und überhaupt in Süddeutsch⸗ 
jand vielfach auch jetzt noch jür dieselbe eingenommen. 
Ber nischtes. 
In der Zuchtpolizeigerichtssitzung in Jweibrüuden vom 
6. Juln wurde philibbel a h ie afmenn 
des Vergehens gegen das Reichsgesetz über den Spiellartenstempel 
»om 8. Juli 1878 durch Unterlassung der Anmeldung seines zum 
Zwecke des Wiederverkaufes angelegten Vorrathes von Spielkarten, 
bestehend in acht ungestempelten Spielen, bei der zuftändigen Steuer— 
hehörde, begangen zu Pirmasens vor dem 4. Juni 1879 und seither, 
pãter durch Feilhalten als Inhaber der Kartenspiele, für überführt 
rtlärt und zu einer Geldstrafe von fünfhunderi Mark, im 
Falle deren Uneinbringlichkeit ungewandelt in fünf Wochen Gefäng⸗ 
niß, sowie zu den Kosten des Verfahrens verurtheilt. — In der⸗ 
elben Sitzung wurde Georg Michael Kippler, Wirih und 
Acerer, in Eppenberunmn wohnhaft, desseben Vergehens gegen 
as Reichsgesetz über den Spielkattenstempel vom 8. Juli 1878 
urch Unterlassung der Anmeldung seines in vier Spielen bestehenden 
dartenvorrathes dei der zuständigen Steuerbehörde bdis zum 8. Januar 
Irs. und beziehungsweife diesem Zeitpunkte nachgüngig durch 
Jerwahren und Vertheilen dieser vier ungesterapellen Kartenspiele 
in Gaͤste in seinem Wirthslokale für siberführi erildri und zu einer 
Beldstrafe von fün fhunmndert Mart, im Falle deren Unein— 
ringlichleit umgewandelt in fünf Wochen Gefängniß, sowie zu den 
dosten verurtheilt. 
FMesß, 13. Juli. Troßdem in den Tagen vom 16. bis 
18. August 1870 und gleich nachher die Schlaqhtfelder bei Metz 
gewiß auf das Sorgfältigste abgesucht worden waren, hat man vor 
inigen Tagen. nach fast neun Jahren, dennoch die Leichen dreier 
Zoldaten aufgefunden, eine nahe der alten Romerstraße zwischen 
Bionv'sle und Mars⸗la⸗Tour und zidei bei Vionville. Die erstere 
vurde im Dickicht von Reifigsammlern aufgefunden; es scheint so⸗ 
nit die eines Soldaten zu sein, welcher schwer verwundel in das 
Dickicht gekrochen ist, um hier Schutz zu suchen, dann gestorben und 
anentdedct geblieben ist; denn die Ueberresse waren nur mit der⸗ 
aultem Laub und Reisig bededt und nicht vergraben. Die beiden 
inderen Leichen fand ein Bauer beim Umpflügen des Aders; sie 
ind hler vermuthlich gleich nach der Schlacht, uad zwar nicht üef 
jenug, vergraben worden. Nach den Uederresten der Montur zu 
chließen, ist anzunehmen, daß einer der Todten dem oldenburgischen 
Infanterie⸗Regiment Nr. O1, die beiden anderen dem brandenbur⸗ 
zischen Füsilier ⸗Regiment Nr. 835 angehöct haben. Das hiesige 
Bsuvernement, welchem von dem Funde Meldung gemacht worden 
var, hat die irdischen Ueberreste der Gefallenen neben dem Denkmal 
des Füsilier: Regiments Nr. 35 in einem Grabe jur Erde bestalten 
lassen. 
t In Um wurde neulich ein Mann wegen Betrugs, dadurcqh 
hegangen, daß er runde Eisenstücke, geldrollenmäßig eingewickelt, 
gegen Gold oder Papiergeld umtauschte, — ganj in derselben Weise 
vie solche Fälle kurz vorber in Diedesfeld (Hfalz) und dann in 
Weiler bei Weißenburg vorgelommen waren — berhäftet. Die Ver 
nuthung, daß der Inhaftirte wohl auch die henagaic Betrüge⸗ 
reien ausgeübt, hat sich als stichhaltig erwiesen. Der Verhafiete 
Jeißt Ph. Ort und ist aus Nedarau, had. Bezirksamts Schwetz ⸗ 
ingen. (Gawt.) 
fMäünchen, 17. Juli. Nach hieher gelangten Rachrichten 
wird der deutsche Kaiser am Montag oder Dienstag auf der Reise 
pon Mainau nach Gastein den hiesigen Bahnhof passiren. 
f Munchen, 17. Juli. In der heutigen kaum drei Vier⸗ 
elstunden dauernden Sitzung der Abgeordnttenkammer, welche ohne 
egliches Redetucnier verlief, eteigneten sich zwei Zwischenfälle be⸗ 
onderet Art. Als der Herr Staatsminister d. Riedel seinen Plat 
verließ, um der Saalthüre zuzuschreiten, that er einen Fehitriu 
und fiel von der Minisserttibüne herab. Der Fall rief große Sen⸗ 
ation und allgemeine Theilnahme hervor; glücklicher Weise hatte 
der Herr Minister keinen Schaden genommen, obschon der Sturj 
sehr gefährlich aussah. Als aber später auch der Herr Staats⸗ 
ninister v. Pfeufer beim Verlassen der Rednertribüne leicht stolperte 
ind h'erauf seinen Hetren Kollegen scherzend beziehungsboll mit 
zem Finger drohte, brach stürmische Helterkeit aus, die nur mühsam 
zurch die Glode des Präsidenten gedämpft wurde. „Ein boses 
Omen, murmelte das Volk“ — wir aber sagen und glauben „ahsit 
men⸗ sSñünn ve*