St. Ingberker Anzeiger.
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M 126. Sonntag den 10. August 87
Deutsches Reich.
München, 5. August. Das kalte Sturzbad, welches der
Finanzminister in der gestrigen Kammersitzung durch Enthüllung
der bayerischen Finanzlage den Anträgen auf Herabsetzung der
don Regierung und Kammerausschüssen vereinbarten Gebühren be⸗
xeitete, hat auch heute seine Kraft bewährt, und mit Ausnahme
eines Amendements Stobäus, dem die Staatsregierung zustimmte
und das als eine richtige Konsequenz der neuen Reichswährung be⸗
trachtet werden muß, wurden alle Abänderungsanträge mit großer
Mehrheit abgelehnt. Schließlich fand das Gebührengesetz bei der
namentlichen Gesammtabstimmung allseitige Annahme, und bei der
großen Schwierigkeit, diese früher bunt verzettelte, nach den ver⸗
schiedenen Territorialbestandiheilen des Landes auseinander gehende
Materie einheitlich zu ordnen, verdienen der Finanzminister und
seine Hilfsarbeiter für das gelungene Werk warme Anerkennung,
zumal der Steuerpflichtige belennen muß, daß die Regierung nicht
engherzig fiskalisch vorgegangen ist, sondern manche Härten des
früheren Systems beseitigt hat. Gelingt dem Finanzminister, wie
fest zu hoffen steht, die Konvertirungsmaßregel der Eisenbahnschuld
im gewünschten Maße, so darf das Land sich doppelt beglück⸗
wünschen, eine so tüchtige, frische Kraft an die Splitze des Finanz⸗
wesens gestellt zu sehen. Auch der Justizminister, der augenscheinlich
die letzte Hand an die zahlreichen durch die Justizorganisation noth⸗
wendig gewordenen Vorschläge für das Personal der Richter und
Nebenbeamten legt und dadurch manche Ungeduld hoffentlich befrie⸗
digend stillen wird, kann sich über uncoulante Behandlung seitens
der Abgeordnetenkammer nicht beklagen. Zwei Gesetzentwürfe über
die Advolaten-Wittwenkasse und das Verfahren in Kompetenzkon⸗
litften sind ohne Ausschußberathung und ohne Diskussion im Plenum
heute in erster und zweiter Lesung und bei der Gesammtabstimmung
einstimmig' angenommen woiden. Von Arbeiten für die Zweite
stammer — die Reichsräthe werden am Donnerstag ihr ganzes
Pensam auf Einen Satz abmachen — ist jetzt nur noch das Eisen⸗
bahnbaugesetz übrig.
Muünchen, 6. Aug. In hiesigen Kammerkreisen wird
die Vertagung der Landtagssession bei dem jetzt innege⸗
haltenen Arbeitstempo bercits für Freitag 8. oder Samstag den
9. d. Mis. bestimmt erwartet. Die Wiedereinberufung ist beft'mmt
auf Montag den 29. September in Aussicht genommen.
Mäünchen, 7. Aug. Der Reichsrath nahm einstimmig
nach den Beschlüssen der Kammer den Militär-Etat, die Ausfüh—
cungẽ gesetze zue Reichsstrasprozeßordnung und die Vorlagen betreffs
der Erbschaftssteuer und des Gebührenwesens an. Zu letzterem
beantragte Freiherr v. Franckenstein, in Ariikel 822 einzuschalten:
„Von Gebühr befreit sind Versteigerungen von Gemeinde⸗ und
wohlthätigen Stiftungen.“ Der Antrag wurde nach lebhafier De⸗
batte zwischen Frandenstein und dem Finaunzminister mit großer
Mehrheit abgelehnt. Das Gesetz detreffs der Pensionskasse für
Wittwen und Waisen von Advoiaten wurde angenommen und hie—
rauf die Vertagung auf morgen zur Entgegennahme der allerböchsten
Botschaft beschlossen.
Mäünchen, 8. August. (AbgeordneteneKammer.) Referen!
Stenglein beantragt die Annahme des Gesetzentwurss betreffend
pfalzische Bahnen. Shels (ultt.) gegen den Entwurf, Vaillant,
Buhl und Kuby für denfelben, Schlöt gegen die Lauterthalbahn,
ideil dieselbe eine Sackbahn sei; er regt den Ankauf der pfaälzischen
Bahnen durch den Staat an. Minister v. Pretzschner erklärt auf
wiederholtes Befragen seitens des Abg. Schels, ob der Verwaltungs⸗
cath der pfälz. Bahnen gegen die Lauterthalbahn sei, er (der Mi⸗
aister) sei nicht verpflichtet, diese Frage zu beantworlen; der Ver⸗
waltungsrath möge früher abgeneigt gewesen sein, jetzt sei er es
ledenfalls nicht mehr. Hierauf wird der Gesetzeutwurf mit 77 gegen
49 Stimmen angenommen. Ueber den Anirag des Abg. Gufiav
Schmitt (Pirmasens), bett. den Bau einer Bahn von Kaiserslauiern
nach Biebermühle, wird, dem Antrag des Ausschusses entsprechend,
jur Tagesordnung Ubergegangen. ( Rach dem Gesetzentwurf betr.
die pfälz. Bahnen sollen gebam werden die sog. Lauierthalbahn, ein
Verbindungsbahn zwischen den Eisenbahnlinien Bisch ⸗Saargeinunt
und Zweibrücken ⸗Saargemülnd. Zweibrücken⸗Bitsch ist in dem Ent⸗
wurf bekanntlich nicht enthalten) Die Austrittsgesuche Stenglein's
und Dürrschmidt's werden genehmigt. (Beide sind bekanntlich zu
Mitgliedern des Reichsgerichts in Leipzig ernannt.) Schließlich ver⸗
liest der Minister des Innern die Vertagungsbotschast. Das Gleiche
geschieht in der Kammer der Reichsräthe.
Berlin, 7. Aug. Die Norddeuische Allg. Ztg.“ bespricht
in einem längeren Artikel die Antworten, welche von einigen Blät⸗
jern auf ihre Frage an die „Weg mit Bismarck“⸗Rufer, wer an
des Reichskanzlers Stelle treten solle, eingegangen sind, und bemerkt
hezüglich des Wahlkampfes: Sprechen wir unsere Ueberzeugung aus,
die Parole der nächsten Wahlen muß lauten: Schutz der nationalen
Arbeit oder Preisgebung derselben!
Mannheim, 7. Aug. In einer hiesigen Maschinenwerk⸗
fätte ist ein Werkmeister wegen Empfangs und Besitzes so zi a⸗
listischer Schriften, welche aus Rußland kamen, verhaftet
worden.
Straßburg, 7. August. Die Einführung des Ver⸗
fassungsgesetzes für Elsaß-Lothringen ist auf den 1. October, also
nach den dietjährigen Kaisermanöbern, verschoben worden — ohne
Zweifel, um Inconbentenzen zu vermeiden. Ebenso ist jeder Zwei⸗
sel geschwunden, daß Oberpräsident v. Moͤller, sowie der comman⸗
dirende General des 15. Armeecorps General v. Fransechh mit dem
Eintreffen des Statthalters in den Ruhestand oder doch zur Dis⸗
zosition treten werden. Beide haben in den letzten Tagen kais er⸗
liche Handschreiben erhalten, worin Se. Maj. die Hoffnung aus⸗
prichi, die beiden Herren bei seinem Eintreffen in Straßburg wie⸗
der in seiner Nähe zu sehen. — Dem Oberpräsidenten v. Möller
steht von Seite der hiesigen Hochschule eine letzte Ehre bevor. Sie
wird ihm heute durch eine Deputalion feierlich eröffnen lassen, daß
sie ihm die Dociorwürde honoris causa verliehen habe. — Durch
den in dem Badestädichen Kestenholtz auf bis jetzt noch unermittelte
Weise am letzten Sonntag ausgebrochenen Brand find 117 Wohn⸗
häuser, 80 Scheunen und 120 Siälle mit allem Inhalt zerstört
worden. Der Brand griff in Folge eines starlen Nordwindes so
rash um sich, daß die Leute kaum das nackte Leben retten konn⸗
jen. Das Elend st groß; 1800 Personen waren obdachlos, noch
Itzt find 800 unterzubringen, welche im Feld lagern. Im Lande
sind bereits Sammlungen veranstaliet. Ist der unversicherte Scha⸗
den auch nur auf 200,000 Mt. berechnet, so herrscht doch großes
Elend, denn die Abgebrannten haben gar nichts gerettet.
Aus dem Reichsland, 7. Auguit. Folgende Ver⸗
anderungen, soweit sie pfälzische Juristen betreffen, treten in der
diesseitigen Justizverwaltung ait J. October ein: Landgerichtsrath
Jung in Sttaßburg ist zum Oberlandesgerichtsrath in Colmar
rnannt, Landgerichtsraih Krieger in Saargemünd zum Landge—
ichtsdit ecior daselbst, Staatsprocurator Boͤcking in Straßburg zum
l. Staatsanwalt in Saargemünd, Staatsprocurator Beder in
Saargemünd zum Staatsanwalt in Metz, Friedensrichter Janton
in Coimar zum Landgerichtstath daselbst, Friedensrichter Haas in
Kaysersberg zum Landgerichthstath in Metz, Friedensrichter Treiber
in Hordurg zum Amisrichter in Kaysersberg, Friedensrichter Syffert
in Drulingen zum Amesrichter in Niederbronn.
Ausland.
Madrid, 6. Aug. In Xeres wurden sieben Sozia⸗
listen verhaftet, welche derdächtig sind, Feldfrüchte in Brand gesteckt
und Heerden weggetrieben zu haben.
BVermischtes.
fZweibrücken, 8. Aug. Die hiesige kal. Realschule war
hei Beginn des Schuljahres 1878/79 besucht von 169 Squlern,
im Scqhluß don 133; leßtere Zahl übersteigt jene des vorigen
Schuljahrez um 33. Von den 159 Schülern sind 114 Prote—
Tanten, 31 Katholiklen, 4 Mennoniten und 10 Jsraeliten; 75
Schüler sind von hier, 84 von auswärts. (3. 3.)
p Die k. Siudlenanstall Kaser zlautern zahlte am
Schlus des Schullahts 1878,79 256 Schuler, 21 mehr als im
Vorjahe, dene in Lan dan hatte 354 Schüler.