St. Ingberler Anzeiger.
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1879.
M 129. Samstag den 16. August
Deutsches Reich.
München, 10. Aug. Die Verhandlungen zwischen dem
Siaatsministerium der Finanzen und dem Consortium im Betref
zes zur Convertirung der 41 procentigen Eisenbahnschuld erforder⸗
uchen Anlehens sind beendet. Bezüglich der devorstehenden Kün⸗
digung vernehmen wir, daß für d'e Entgegennahme der Erklärung
der Besitzer der 41 procentigen Obligationen, ob sie für die Um⸗
vandlung in Aprocentige bei einer Bonification von —A
iebungsweise zur Entgegennahme von Hafischeinen auf die später
erscheinenden neuen Obligationen eine sechswöchige Frist wird be⸗
stinnt werden, und daß diese Frist noch vor Ablauf des Monats
Jugust beginnen soll. Von denjenigen, welche diese Frist nicht
lenuͤzen, würde angenommen werden, daß sie die Rückzahlung ihrer
uihaben al pari vorziehen.
München, 12. Aug. Der Direclkor der Kunstgewerbe⸗
ichule in Nürnberg, Adolph Gnauth, hatte einen sehr ehrenvollen
Ruf als Directior der neu zu gründenden Kunstgewerbeschule in
Frankfurt a. M. erhalten. Se. Maj. der König hat unter beson⸗
derer Anerkennung der herborragend ersolgreichen Thätigkeit dieses
tünstlers den Wunsch zu erkennen gegeben, daß Director Gnauth
der Nürnbrerger Schule erhalten bleibe, und derselbe hat, wie wir
nun erfahren, den an ihn ergangenen Ruf bereits abgelehnt.
Peünchen, 13. Aug. Der König von Sachsen hat gestern
den Nuntius Masella empfangen.
Eine ebenso ruhige als im großen Ganzen zutreffende allge⸗
mein politische Bemerkung knüpft ein halboffiziöses Pariser Blait
‚le National“ an die KaiserzusammenktunftinGastein.
Das gevannte Blatt jchreibt:
„Wenn das Drekaiserbündniß nicht aufgelöst ist, so bleibt doch
ffenbar die Freundschaft zwischen den Kaisern von Oesterteich und
Deuischland die stärkere. Während eine Begegnung des Kaisers
Wilhelm mit dem Czaren Alexander nicht zu Stande kam, vollzieht
sich die von Gastein unter wiederholten Beweisen der größten Herz⸗
lichkeit. Wie sollte dem auch anders sein ) Jedes der beiden Lünder
derfolgt seinen Aufschn ung, ohne dem andern lästig zu jallen. Herr
d. Bismarck lickß es sich in dem Berliner Vertrage höchlich angelegen
sein, dem Herrn Andrassy die Bahn frei zu machen, so zwar, daß
Desterreich schon seinen Theil und zwar den nicht zum wenigsten
beneidenswerihen besitzt: Bosnien und die Herzegowina sind erobert
worden, der famose Korridor zwischen Serbien und Monlenegro
wurde sorgsam offen gehalten. Bald werden die österreichischen
Soldaten in Novis Bajsar einrücken; ein Eisenbahn⸗ Projekl ist in
Vorbereitung, welches dem Wiener und Pesther Handel den Weg
zum Mitelmeer dffnen *oll. Salonichi ist der Endpunlt dieser
surchtbaren Annexionspolitik. Mehr und mehr wendet Oesterreich
sein Streben der Donau zu und giebt den Rhein preis; Preußen
hat also von dieser. Seite lein Uebelwollen, keine Feindseligkeit zu
befürchten. Oesterreich hat seinem Ehrgeiz eine andere Richtung
gegeben, es hat voch für lange Jahre zuzugreifen und das Erworbeune
zu befestigen. Sein natürlicher Gegner wird Rußland, dessen Tri⸗
umphe es beeinträchtigt und dessen Einfluß auf der Balkanhalbinsel
es die Wage hält. Gewiß deutet Nichts in Europa auf nahe be⸗
borstehende Verwicklungen; bei einer allgemeineren Betrachtung der
Begebenheiten erkennt man aber bald, daß Deutschland und Oester⸗
reich denselben Nebenbuhler, aber leinen Grurd mehr zu gegenseitiger
Eifersucht haben oͤnnen. Ist das nicht die beste Bürgschaft einer
dauerhaften Allianz ? Alles das ist nicht jetzt eben in Gastein zur
Stande gekommen; die gestrige Zusammenkunft bestätigt nur diese
Bemerkungen in ihrer Gesammtheit.“
Wenn wir auch nicht Alles in diesen Auslassungen unterschreiben,
bemerlt das Verl. Tagebl., so ist auch uns dies Eine unzweifelhaft,
daß der Berliner Kongreß dem deutschen Reiche das Gute gebracht
zat, daß Rußland und Oesterreiche Ungarn in eine politische Lage
gerathen sind, in welcher sie sich gegenseitig starkl im Schach halten.
Dies sehen wohl auch allmälig die russischen Zeitungen ein und
daraus resultirt wohl zumeist der Mordsspeltalel in der ruisischen
Presse gegen das „perfide Deutschland“, welches diese Sachlage her⸗
beigesühtt' habe. Als obe nicht Rukland selbst fich mit aller Ge⸗
walt in den Krieg und die daraus sich ergebenden politischen Folgen
hineingeslürzt hat ?!
Das im Reichsschatzamte aufgestellle Berzeichn iß der
Waaren nach'dem neuen Zolltarif befindel sich be⸗
reits im Drucke und witd Ende dieser Woche den Zoll behörden zu⸗
Jehen und unmittelbar darnach dem öffentlichen Verkehr übergeben
Herden. Das Verzeichmß hat eine größere Ausdehnung erhalten
als ursprünglich beabsichtigt war. Es sind darin nicht nur die
Waaten enthalten, deren Verzollung bereits mit Erlaß des Tarij⸗
gesetes begonnen hat, sondern auch alle jene Artikel, deren Zölle
din 1. Ollober d. Is. ab zur Erhebung kommen. Dieses Ver⸗
zeichniß genügt also bis zum 31. Dezember d. Is. allen Bedürf⸗
nissen. Das weitere Waarenverzeichniß wird voraussichtlich nicht
bot Ende September von der Commission fertiggestellt werden kön⸗
nen, dann soll ⸗8 den Bundesregierungen zugehen und wird nach
der Beschlußfassung des Bundesrathes darüber etwa im Monat
November zur Ausgabe gelangen. Mit demselben zu gleichet Zeit
erscheint auch der neue amtliche Zolltarif, mit den für die Zoll⸗
behoͤrden und die Interessenten nothwendigen Einzelbestimmungen.
In dem alten Tarifgesetze halte die Tarabestimmung Aufnahme
gefunden, es war im Gesetz festgestellt worden, daß die Tara
20 Proz. betragen solle. Za dem neuen Zolltarifgesetz ist die Tara
zar nicht erwähnt worden, ihre Bestimmung haͤngt lediglich vom
Zundesrathe resp. von den Erfahrungen der Exekutlive ab. Auf
diese Weise erhält der amilich aufgestellte Zolltarif mit seinen Ne⸗
henangaben einen ganz besonderen Werth für die Betheiligten.
In Veipzrg hat, wie man der dortigen Volks Zig.“ mit⸗
cheilt, dei einigen sozialistischen Reichstags Abgeordneten eine Haus⸗
suͤchung nach einem nach Auffassung der Behoͤrde wichtigen Schrift⸗
ücke Hattgefunden, weiche jedoch resultatlos verlaufen sei. — In
demselben Blatte lesen wir: Bei einer der Sozialdemokratie ergebe⸗
nen, als Direlkirice in einem Geschäft ia Zitt au thätigen jungen
Taime ward auf Requisition der Dresdener Polizei Haussuchung
zehalten, die 35 Briefe gravirenden Inhalts ergeben haben soll.
Aus dem Elfaß scheeibt man: Noch ist der neue Joll⸗
arif nicht ganz in Kraft getreten und schon machen unsere Schutz⸗
sollinteressenten Verhesserungsvorschlage; so verlangen sie jetzt mit
zroßer Entschiedenhest die Aufhebung des Zolles auf Kartoffelmehl
von 6 Mk. pro 100 Kilo), weil die elsässische Industrie viel
rartoffelmehl (namentlich aus dem benachbarlen Frankreich) ge⸗
raucht. Die elsasser Industriellen fühlen sich, und sie dürfen et
amsomehr, als der Prasident der Tarifkomm ssion, wie das „Els.
Journal mittheilt, ihnen versprochen hat, die Kartoffelzollmehl srage
n der nächsten Session wieder zur Verhandlung zu bringen, wobei
er bemerkte, daß ja an dem neuen Tarif überhaupt gar viele Ver—
inderungen anzubringen seien.
Ausland.
Konstantinopel!l, 12. Aug. Nach aus Salonichi ein⸗
Jelangten Meldungen sind von den dorligen türlischen Truppen
Jegen 2000 Mann wegen Noachtbezahluna rückständigen Soldes fah⸗
neuflüchtig geworden.
Rew'⸗PYort, 10. Aug. Der „New HYork Herald“ mel⸗
det: Die Regierung steht im Begreff in einem Rundschreiben die
⸗ꝛutopdischen Neg erungen zu ersuchen, daß diese die Mormonen von
er Ausvanderung nach den Unionsstaaten abmahnen, da die ame⸗
itanische Regierung entschlofsen sei, der Polygam'e auf's schärfste
zutgegenzutreten. — Die Sterblichteit am gelben Fieber in Mem⸗
Wbiß deitug in der lekten Woche 29 Fäll⸗.
—“
Vermischtes.
4 Aus der füdlichen Vorderpfalz, 11. Aug. Die
dießjährige Ernte wac vom besten Wetter begünstigt und ging des⸗
Jalb auch verhältnißmäßig rasch von staktten. Das Ergebniß an⸗
angend, so ist heuer so ziemlich eine halbe Ernte zu verzeichnen.
Manche Getreidesorte lieferte zwar mehr, manche aber auch weniger
is miltleten Erirag; fur Korn und Weizen z. B. gilt das Erstere,
jüt Spelz das Letztere. Ueber das vom neuen Roggen gewonnene
Mehl sind nur zünstige Urtheile zu hören. Das Ergebniß an