St. Ingberler Anzeiger.
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M 140. Donnerstag den A. SZepteuber
isꝛo
Deutsches Reich.
München, 2. Sept. Se. Maj. der König hat, wie
„»crlautet, auf Antrag des Justizministeriums bestimmt, daß die
Richter, Staaizanwälie und Gerichtsschreiber bei den öffentlichen Ge⸗
richtssitzungen vom 1. Januir 1880 an Robe und Baret zu tragen
saben. Die hierzu erforderlichen Deta'lvorschriften werden seiner
Zeit vom k. Juflizministerium erlassen werden.
München, 2. Sept. Die Frau Kronprinzessin des Deuischen
Reichs ist heute Morgen hier eingetroffen und im Gasthof zu den
„Vier Jahreszeiten“ abgestiegen. Schon um 10 Uhr fuhr sie in
den Glaspalast und verweilte mehrere Stunden mit großem Interesse
in der internationalen Kunstausstellung. Die Frau Kronpriuzessin
ist bekanntlich selbst Malerin. — Das Gesetz⸗ und Verord:ungsblatt
dublicitt heute das vom 18. ds. Mis. datirte Gesetz über das Ge⸗
bührenwesen und das Gesetz in Betreff der Pensionsanstalt für die
Wittwen und Wa sen der Advocaten des Koͤnigreichss. Das Gesetz
über das Gebührenwesen hat ebenso wie das neue Gesetz über die
Erbschaftssteuer gleichzeiiig mit dem Reichsgeri biskostengesetz, dem ·
zach am 1. Ocober ds. Irs. im ganzen Umfang des Koͤnigreichs
in Kraft zu treten.
Berlin, 2. Sept. Die heutige Parade des Garde⸗Corps
vor dem Kaiser auf dem Tempelhofer Felde nahm bei herrlichem
Wetter den glänzendsten Verlauf. Der Kronprinz, Prinz Karl,
Prinz Friedrich der Niederlaude und die Erbprinzessin von Meiningen
mit glänzendem Sefolge und die miilitairischen Abgesandten vieler
fremdländischen Armeen wohnten der Parade bei. Die Kaiserin und
die Prinzessia Friedrich Karl zu Wagen. Die Parade commandirte
Prinz August voun Württemberg. Rachdem der Kaiser die Frout
zeider Treffen abgeritten war, erfolgte der zweimalige Vorbeimarsch.
Der Kaifer und der Krouprinz wurden auf dem Hinweg und dem
Rückweg von den dichtgedrängten Menschenmassen mit unaufhörlichen
JFubelrufen begrüßt. Die Stadt ist überall reich mit Flaggen
zeschmüdt.
Berl'in, 2. Sept. Kaiser Wilhelm reist morgen früh zu⸗
nächst nach der russischen Grenze, woselbst in Alexandrowo eine Be⸗
jegnung mit dem Kaiser Alexander, der aus Warschau dorihin
ommt, statifiaden wird. Am Donnerstag setzt er seine Reise nach
2onigsberg zu den Mandvbern fort. Er reist nur mit militairijchem
Befolge.
Bedenktages der Schlacht bei Sedan ducch eine
Reunion, welche in dem mit bayerischen und deutschen Fahnen und
Buirlanden festlich geschmückten Odberhaufer'jchen Saal staufand.
Fin ansehnlicher Theil unserer Bücgerschait hatte sich zusammen-
gefunden, um diesen einzigen nationalen Festitag, den Geburtstag
)es neuen deutschen Reiches. in frohem heiterm Kreise zu feiern und
das Andenken an die glacreichen Tage von 1870,71 besonders
rber an den Tag von Sedan durch Wort und Lied zu erneuern.
Meden und patr'otische Lieder, begleitet von den stiängen der hie⸗
igen Stadtmusik, wechselten ab mit Einzelvorträgen des
Rusiund Arbeiterbildungs-Vereins, die durch
hre Theilnahme am Fest nicht wenig zur Verherrlichung des Abeuds
eitrugen. Der besonderen Erwähnung verdient noch das von Hrn.
Seiter mit ächtem deutschem Feuer vorgetragene Lied „Hurrah
Hermania“ dessen Refrain die Versammlung mit wahrer Begeifter⸗
—XD—
deren Woctlaut wir im Folgenden mittheilen.
Verehrte Festversammlung!
Sedantag heute Im Festgewand prangen Städie und Dörfer rings-
mm im deutschen Vaterland. Sedantag heute! Allüberall, soweit die deutsche
Junge klingt und deutsche Herzen schlagen für den Ruhm und die Ehre des
Laterlandes, wird dieser Tag festlich begangen. Sedantag heute! Auch wir,
ie deutsch gesinnten Bewohner der Stadt St. Ingbert, sind heute in üblicher
Weise hier zusammengekommen, um den Tag mitzufeiern, der zu einem na⸗
jonalen Fesitag geworden ist.
Heute vor 9 Jahren geschah es, daß unser Heer in dem gewaltigen
dampf, den uns ein üÜbermüthiger Feind aufgezwungen hatte, eine seiner
lorreichsten Waffenthaten voll brachte, eine That, wie die Weltgeschichte bisher
ioch keine gesehen hat: heute vor O Jahren bei Sedan wurde der Kaiser der
Franzosen mit seinem ganzen Heere gefangen genommen.
Und doch ist es nicht allein und hauptsächlich die Freude über den
skuhm, den unsere Brüder damals in heißem Kampfe errungen haben, welche
ins gerade diesen Tag vor allen anderen feiern läßt — unser Gemüth wird
nehr als zu einer andern Zeit an diesem Tage dewegt von der großartigen
ind erhabenen Idee der weltgeschichtlichen Gerechtigkeit, welche in dein jähen
Zusammenbruch der napoleonischen Herrlichleit zur Geltung gekommen ist.
Darin liegt vorzüglich die fittliche Berechtigung der Sedanfeier.
Das Sedanfest ist aber nicht allein das Fest der Erinnerung an den
zei Sedan eingetretenen welthistorischen Alt; es ist ein Fest der Erinnerung
überhaupt an die großen Jahre 1870,71.
Welche Bilder entrollen sich heute vor unserem geistigen Auge! Herz⸗
rfreuende und tiefernste Bilder, Bilder, wie sie in ihrer Großartigkeit kein
Zeschichtabuch mehr aufweisen kann. Die Erinnerung ruft in uns den An⸗
ang des Krieges zurück. Es braußt ein Ruf, wie Donnerhall, wie Schwert⸗
eklirr und Wogenprall, zum Rhein, zum Rhbein, zum deutschen Rhein!
Welche Begeisterung allenthalben, welche Vaterlandsliebe, welche Opferfreudig⸗
eit, welche Bruderliebe, welche Gottesfurcht, welches Gottvertrauen! Tann
n rascher Aufeinanderfolge die Siege bei Weißenburg, Wörth, Spichern,
MNarslatour, Beaumont, Sedan, die Uebergabe von Straßburg und Metz,
ie Siege vor Paris, an der Loire, vor Belfort, die Gründung des deutschen
keiches, die Capitulation von Paris und dann der Friede mit der wichtigsten
Zestimmung, der Abtretung von Elsaß⸗Lothringen. Alle diese Ereignisse
iehen heute an unserem Geiste vorüber und lassen unser Herz von Stolz
reudiger schlagen, niahnen uns aber auch mit inniger Verehrung und auf⸗-
ichtigem DTanke aller derjenigen Faktoren zu gedenken, welche in den ruhm⸗
»ollen Jahren 1870,71 in schönem Vereine all die großen und erhabenen
ẽrrungenschaften ermöglicht und herbeigeführt haben. Und so gestaltet sich
vas heutige Fest auch zu einem Danklfest.
Danken wollen wir insbesondere unserem König, der sich bei Beginn
es Krieges mit seinem Volke entschirden und rasch auf die Seite des nord⸗
eutschen Bundes stellte, der gegen Ende des Jahres 1870 an die einzelnen
eutschen Fürsten die hochherzigen Worte richtete: Es ist mir ein erhebender
Bedanke, daß ich mich durch meine Stellung in Deutschland und darch die
Heschichte meines Landes berusen fühlen lann, zur Krönung des deutjche:
kinigungkwerkes den ersten Schritt zu thun.
Danken wollen wir unserein greisen Kaiser, der sich in treuer Pflicht⸗
rfüllung an die Spitze der deutschen Truppen stellte und sie von Sieg zu
Sieg führte, der das Kaiserreich wieder aufrichtele und so den Traum, dent
pie deutsche Jugend einst nachgejagt, das Ideal, für das die besten des Vol⸗
es geschwärmt, zur schönen Wahrheit und Wirlklichkeit machte.
Danken wollen wir dem Heere und seinen Führern, das treu für Gott
ind Vaterland in das Toben der wüurgenden Schlacht schritt und unsere
reili sten Guüter schützte.
Danken wollen wir Allen, die in jener großen JZeit in irgend welcher
Weise ihre Vaterlandsliebe bethätigt haben.
Der Sedantag richtet aber endlich auch eine ernste Mahnung an uns,
zie Mahnung, daß wir Tasjenige, was unsere Bruder mit ihrem Herzblut
ins errungen haben, daß wir das in Ehren halten und behaupten mit dem
anzen Aufgebot unserer physischen und sitilichen Kraft, daß wir die Angriffe
uf unsere nationale Ehre ebenso aufopfernd und entschieden zurücweisen,
pie sie es ihaten, eingedent des Dichterwortes: Nichtswürdia ist die Nation.
Ausland.
Während ein Theil der russsisschen Presse sich einer zurückhal⸗
jenderen Sprache Deutschland gegenüber befleißigt, faͤhrt die russische
.St. Petersb. Zig.“ fort, zu hetzen, indem sie u. A. schreibt:
„Europa (2) erwartet mit Ungeduld den Augenblick, wo das wieder⸗
erstatlte Frankreich seine Rechnungen mit Deuischland abschl'ießen
wird, was doch früher oder später geschehen muß. Das ist die
Meinung Aller, selbst die des Fürsten Bismarc. Frankreich wird
elbstversiändlich dieses Mal den Krieg mit Deutschland nicht kopf⸗
'os, wie Napoleon UI. beginnen und Rußland wohrhaftig nicht
einen groben Fehler von 1870 wiederholen. Demnach wird Frank
reich, durch seine Freiheit machtig, ficherlich gewinnen und die Ge
chichte alsddann dem Fürsten Bsmuck einn ebenso ehrenvolles Biatt
anweisen wie dem Helden von Sedan. Den einjigen Unterschied
wischen ihnen würde nur die Zeitdauer bilden: der Eine hatte
nämlich kürzere, der Andere längere Zeit fizurirt. Die Politit des
Blutes und des Eisens wird in Europa anhören, die Staaen
verden nicht mehr in die Nothwendigkeit veisehtt sein, alle ihre
Zräfte unprodulliv auf den Unterhalt unzähliger Heerhaufen zu
ʒergeuden und die Polizeirolle Oesterreich Ungarns wird ausgespielt
sein. Ein Bündniß Rußlands mit Franukceich und Italien ist die
dgische Folge der hohen Mission, welche Rußland in der Sache
ver Befreiung der Slaven der Balkan⸗Halbinsel vom muselmännischeu
Joch auf sich genommen hat.“
Vermischtes.
RSi. Ingbert; 3. Sept. Nachdem am Vorabend
Bollerjchuffe den Fefitag angekündigt hatten, beging unsere Stadt,
die in reichem Farbenschmud hrangle, Gestern. die Feier de«“