St. Ingberler Anzeiger.
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Samstag den 6. Septenber
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Deutsches Reich.
Berlhin, 2. Septbr. Wie das „Tageblatt“ hört, ist der
om deutschen stat stischen Amt hierfelbst beschäftigte Regierungsrath
Dr. v. Scheel als Dircktor an das löniglich rayer sche stat'stische
Bureau in München berufen worden und hat die Annahme dieser
Stelle zugesagt. In der neuen Stellung w'rd Herr d. Scheel
der Nachfolger des Geheimrath Mayr, welcher bekanntisch als
Unteistaatssekrelär in die elsaß lothtingische Verwaltung berufen
woiden ist.
Berlin, 3. Sept. Der Sedantag brachte eine große
Nachricht: „Urser Kaiser reist morgen, Mitwoch, früh von Berlin
zunächst nach der russischen Grenze, woselbst ia Alexandrowo eine
Begegnung mit dem Kaiser Alerander von Ruß—⸗
land, der aus Warschau dorthin kommt, statifinden wird. Am
Donnerstag setzt Se. Majestät die Reise zu den Manövern nach
Königsberg sort. Der Kaiser reist nur mit dem milisärischen
Befolze.“
Die Kaiserbegegnung ist gerade jtzt von ganz hervorragender
Bedeutung, und wenn sich die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“
gestern noch abmühte, die Mission des Feldmarschalls Manteuffel
deim Czaren in Warschau jeder politischen Wichtigkeit zu eutlleiden,
so haben die Teatsachen sie unmittelbar Lügen gestraft. Diese
Ktaiser⸗Entrebue ist d'e dirette Folge der Entsendung Manteuffels.
Damit ist aber auch gesagt, daß dieles Mal der Marschall in seinen
versöhnlichen Bestrebungen glücklicher gewesen ist, als bei seiner
letzten Petersburger Mission bei Ausbrtuch des russisch⸗türkischen
sKrieges. Die deutschfeindl che Partei in Ruß!and ist damit wieder
rinmal aufs Haupt geschlagen.
Wie man uns von vertcauensweriher Seite schreibt, w'rd in
füddeutschen Hoslkräisen — welche das sind, ist leicht zu er⸗
rathen — jetzt der Versuch gemacht, den Fürften Gortschakoff von
dem Verdacht zu reinigen, als ob er an den Hetzartikeln der rus⸗
sischen Bläuter irgend eine Mitschundd habe. Der Urhrber dieses
Federkriegs, so verbreitet man, sei Niemand arders als der russische
Ktriegsminisser General Miljutin, dessen Haß gegen Deuischland
bekannt sei und dessen Einfluß auf den Kaiser Alexander ein sehr
erheblicher geworden, seitdem Fürst Gorischakoff durch seinen Gesund⸗
heitszustand sich verhindert sehe, die russische Politik direkt beim
Kaiser zu vertreten. Die Erzählung würde vielleicht mehr Glauben
finden, wenn der Arlikelschreiber es nicht für nöthig gehalten hätte,
auf die Intimität hinzuweisen, welche vor und sogar noch während
des Kongresses zwischen dem Fürsten Bismarck und dem Fürsten
Bortschakoff bestanden habe. Seitdem Fürst Bismarck während
des Kongresses dem Pariser Times Kortespondenten Herrn Blowitz
über diese „Intimmtät“ eine Vorlesung gehalten hat, weiß mau ji
ziemlich, was voa dergleichen — Schönfärbereien zu halten ist.
Jedeufalls aber bläst man heute schon auf der ganzen russischen
Linie mit Friedensschalmeien zum Rücdzug. Denn wie amtlich aus
Petetsburg ielegraphirt wird, bespricht das hochoffiziösen, Journal
de St. Pet rsbourg“ die phautastischen Kombinationen verjchiedener
auslandischer Blaätier ürer den Bisuch des Großfürsten Thronfolgers
in Stochholm, der doch ledig!ich ein Höfl chleitsbesuch gewesen sei
und hebt dabei hervor: „Wenn Rußland sich glüdlich schötze, in
bottrefflichen Bez ehungen mit seinen nördlichen Nahbarn zu leben
und dafür Zeugniß zu geben durch den Besuch des Großfürsten⸗
Thronfolgers in Stodholm, wenn es Rußland liebe, auf volle
Rcipcozilät zählen zu sonnen, so liege es ihm weuigstens ebenso
seht am Herzen, eine alte Freundschaft aufrecht zu ethalten und
zu besestigen, welche so oft sich bwährt habe und welche vorüber⸗
gehende leichte Wökchen niemals zu trüben vermocht hätten.“ Man
wird gestehen müssen, daß diese Sprache gar schleht mit den bis˖
herigen Redewendungen harmonirt und daß vom Czaren direkt aus
aicht mißzuverstehe nde Weisurgen nach der Hauptstadt gelommen
jein müssen, um diese Wandlung sich vollziehen zu lassen. Wir
nehmen mit Befried'gung von dieser Aenderung Kenntnißßz, ohne
uns uns im Uebrigen einzubilden, daß solche Freundschaftsgefühle
auf höheres Kommando gerade eine sehr große Betuhigung oder
sonst ein wertbvolles Pfand für die hetzliche Gesinnung darbieten,
welche man in Rußlands pol tischen Kressen für uns Deutsche hegt.
Der Schiei des Hasses von gestern war ein unverfälschter Natur⸗
aut, die höflichen Redensarten von heute sind angenehm, weil sie
uns für jetzt den Frieden verbürgen, aber sie dürfen uns nicht über
de wahre Natur unserer innerlichen Vez'ehungen zu Rußland
äuschen. (Berliner Tagbl.)
Der bisherige Reich?ztagspräsident v. Seydewitztz,
der am Sonnabend die Geschäfte eines Oberpräsidenten von Schle⸗
fsien übernommen hat, hat gleichzeitig dem Bureau des Reichstags
die Niedeclegung seines Mandats angezeigt. Nuumehr gelangen
die laufenden Reichstagsangelegenheiten durch den ersten Vicepräsi⸗
denten, Freiherrn v. Franckenstein, dem bekaunten Centrumsführer,
zur Etledigung.
Ausland.
Wien, 3. Sept. Eine Deputation des österreichischen
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Falkenhain. Unter andern Wünschen ertlärte diesilde den Abschluß
ines Zollvertrages mit Deuischland als den Interessen der öster
ceichischen Eisenindustrie widerstreitend; nur ein Meistbegünstigungs⸗
dertrag, auf dem besteheden Zolltarif basirt, mit Beibehaltung dex
darin aufgestellen Minimalsätze, sei mit Deuischland anzustreben.
Der Minister erwiderte, er sei von der Schutzbedürftigkeit der Eisen⸗
ndustrie überzeugt und werde seinen Einfluß in dieser Richtung
geltend machen.
Paris, 3. Sept. Die „Armee Franqaise“, das Organ
Bambetta's meldet heute, daß die französischen Offiziere, die den
Mandvern dei Königsberg anwohnen, nicht den Manövern im Elsaß
unwohnen, sondern Befehl erhalten hätten, nach den Manövern von
ddaigsberg sofort nach Frantreich zurückzukehren.
London, 1. Sept. Wenn der bei dem gestern in Limerid
Irland) statigehabten Meeting von verschiedenen Seiten geäußerte
Wunsch zur Ausführung gelangen sollie, dann dürfte die Lösung
der agrarischen Frage keine großen Schwierigkeiten bieten. Es
vurde nänlich aus der Mitte des Publikums der Vorschlag ge-
necht, die Grunddesitzer todtzuschlagen und dieser Vorschlag wurde
nit Leifall aufgenommen. Parnell und audere Redner, es muß
ies zu ihrer Ehrenretiung gesagt werden, begnügten sich allerdings
nit Anempfehlung weniger energischer Maßregeln. Vom Praäsi—⸗
benten wurde cine Resolution beantragt und einstimmig genehmigt,
dahin lautend, daß in Anbetracht der überaus schlechten Zeiten die
Brundbesitzer einen Theil des Pachtzinses erlassen jollten.
Alexandrowo, 3. Sept. Der Kaiser von Nußland
st mittelst eiaes 8 Salonwagen zählenden Extrazuges Nachwittags
bu3 Uhr m'it großem Gesolge h'er eingetroffen. Der deutsche
daiset kam kurz nach dtei Uhr an. Die auf dem Bahuhofe auf⸗
zestellie rufsische Ehrenlompagnie intonirte, als der Kaiser Wilhelin
n den mit Fahnen und Guirlanden reich geschmückten Bahnhof
infuhr, die p eußische Nationalhymne. Die Begrüßung der beiden
Monatchen war üdetaus herzlich. Die von allen Seiten in die
rächste Umgebung des Bahnhofes herzugeströmten Volkswassen be⸗
zrüßten beide Majestäten mit enthusiastischen Zurujien. Nach dem
Difiliren der Ehrenkompagnie zogen sich beide Majestäten zurück,
im demnächst das Diner geincinsam einzunehmen. Kaiser Wilhelm
hat im Bahrbofssaebüude Wohnung genommen.
BVermischtes.
fEschbach, 1. Sept. Wie unvorsichlig es von manchen
ẽltern ist, Kinder ohne Aufsicht zu House zu lossen, zeigt folgender
ehr trauriger Fall; Gestern Morgen gingen die Eheleute Dausch
vie gewöhnlich in den Veorgengottesdienst, auch ihre beiden erwach⸗
enen Kinder wurden zur Kirche geschickt, während ein Knabe von
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Aber welch ein Schrecken für die Eltern als sie nach Hause kamen
ind den Knabea todt fanden. Das Kind hatte am Tisae gespielt,
velcher nicht ganz festgestanden haben mag. Der Tisch fiel um
und jchlug dem Kiade das Genich ab.
f Landau, 4. Sept. Heuie früh verschied hier im 51.
Lebenzjahre nach längerem Leiden Herr Lehrer Karl Friedrich Tahbl.