Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberlker Anzeiger. 
Der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöo hhentli hz mis dem Hiuptolatte verbundene Unterh altungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei⸗s 
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4Ac 147. 
Dienstag den 16. September 
1857 
Deutsches Reich. 
München, 18. Sepibr. Der König hat auf Grund des 
z 155 des Reschs⸗Gerichtsverfassungsgeietzes und des Art. 65 des 
Ausführungsgesetzes zu demselben über die Dienstverhälin sse der 
Gerichtsvollzieher, d. d. Schloß Berg, 6. Sept. Bestimmungen 
etlassen, welche in 39 Paragraphen enthalten sind. Heenach werden 
—0 
Diener und führen ein Dienstsiegel. Sie sind verpflichtet, ein eigenes 
Geschastslokai zu halten. Es wird darauf Bedacht genommen werden, 
den durch Alter, Krantheit oder Gebtechen dienstunfähig gewor denen 
Gerichtsvollziehern, auch wenn sie nicht zugleich Amtsgerichtsdiener 
sind, soferne sie zur Zufriedenheit gedient haben, sowie ihren 
Wittwen und Waisen, sofern dieselben ein zu ihrem Unterhalt hin⸗ 
reichendes Vermögen nicht besitzen, ständige Unterhaltsbeiträge an—⸗ 
zuweisen. Die Disziplinarstrasen sind: Verweis, Geldsteafe bis zu 
100 M., Hausarresi oder Hast von 1 Tage bis zu 1 Woche. 
Das bisherige Gerichtsvollzicherinstitut wird aufgehoben. — Die 
Verordnung detr. die Gebuhren der Gerichtsvollzicher umfaßt 17 
Paragraphen. Die Gebuͤhr für Zustellungen beträgt 20 beziehungsw. 
40 Pf.; für zwangsweise Vorführung einer Person 3 M., Real⸗ 
anerbicten2 M. 50 Pi. Wechselproiest 2 M. 25 Pf. u. s. w. 
Die Verordnung betr. die Geschäfseinrichtung der Gerichts 
schreibereien und die Schreibgebühren bei den Gerichten gibt in 11 
Paragraphen die nöthigen Direltiven. Der Dienst der Gerichts— 
schreider umfaßt außer den ihnen gesetzlich zugewiesenen Geschäften 
die Besorgung des Schreibwerkes, die Registratur⸗ und Expedilions⸗ 
geschäfte dei den Gerichten, sow'e die sonstigen ihnen durch die Dienst⸗ 
horschriften übertragenen Gejchafte. Tie . Verordnung vom J. Juli 
18760. Die Sdreibgebühren der Gerichtsichreiber in den Landes— 
theilen d. d. Rh. betr. ꝛc., ist aufgehoden. 
ausland. 
Konstantinopel, 14. Sept. In Aidos in Ostrumelien 
haben zwischen den zurüdtehrenden IILI 
und der bulgarischen Bevöllerung blutige Konflikte ftaltgesunden. 
VBei dem Einschreiten der ostrumelischen Gendarmerie wurden zahl⸗ 
reiche muhumedanische Flüchtlinge getödlet und verwundet: auch die 
Gendarmerie batte mehrere Todte. 
ihm keinen besonderen Aerger über die Strafe an und gegen Abend fuhr er 
Jjanz vergnügt auf einer Bierfuhre nach Breitenbach. Unterwegs waren auf 
hem Wagen zwei kleine Bierfäßchen angezapft worden und Göttel sprach da⸗ 
bei dem Getraänke tüchtig zu, so daß er, als um halb 9 Uhr der Bierwagen 
bor seiner Wohnung hielt, ziemlich angetrunken war. Er rief Weib und 
stinder heraus und reichte ihnen von dem Bier zum Trinken. Erst beim 
Nachtessen kam wieder der Aerger über die Strafe und er schimpfte mit seiner 
Frau, doch offenbar nicht ernsilich und nicht lange. Seine Kinder legten sich 
sleich nach dem Nachtessen zu Bette und zwar die drei älteren Knaben im 
Alter von 13, 10 und 8 Jahren in die neben dem Wohnzimmer gelegene 
dammer, das 6bijährige Töchterchen wurde wie gewöhnlich in das Bett der 
Mutter gebracht, welches in einem Alkoven im Wohnzimmer sich befand. 
Das kleinste Kind lag bereits in der in der Wohnstube stehenden Wiege. 
Die Knaben sahen noch vor dem Einschlafen, wie der Vater der Mutter eine 
Ohrfeige gab, wie dann diese mit einer höhnischen Bemerkung zur Thüre 
zinausging, wobei ihr der Vater einen Stiefel nachwarf, jedoch ohne zu treffen. 
hierauf legte sich der Vater auch zu Bette und die Buben schliefen ein. 
Gegen ?/38 Uhr wurden sie plötzlich durch ihren Vater geweckt, der unter 
Fammern und Stöhnen nach seinem ältesten Sohne rief: Ach Gott! Karl, 
eh' auf: was ist da vor!?“ Den erschreckten Blicken des jungen Burschen 
boi sich nun ein schauderhaftes Bild dar: Sein Vater lag in dem mit fiedend⸗ 
heißem Wasser übergossenen Bette vollständig verbrüht da, vom ganzen Kör— 
her hingen Fetzen Haut herab. Der vor Schmerzen rasende Mann war 
interdessen aus dem Bette herausgesprungen und hatte ein frisches Hemd an⸗ 
zezogen. Er sagte nun seinem Sohne, er solle schnell hinüber zu einem 
Kachbar gehen und ihn herüberholen. Dieser könnte sich nun auch überzeugen, 
aß Göttel an seinem ganzen Körper mit Brandwunden bedeckt war. Der 
rine Mann litt die fürchterlichsten Schmerzen und jammerte foriwährend; 
ich muß sterben, ich lebe nur noch einige Stunden; soll denn das wirklich 
ie Muruer gewesen sein, ich kann es kaum glauben, aber sonst kann es ja 
siemand gewesen seinl“ Nun sah man sich auch einmal im Haus um und 
da fand man vor Allem, daß das fechsjährige Töchterchen nicht mehr in dem 
Betie der Mutter, sondern bei ihren drei Brüdern lag. Die Mutter selbst — 
die heutige Angeklagte — war mit dem kleinsten Kiude sammt der Wiegen⸗ 
decke verschwunden. Vor dem Beite des Mannes stand ein Blecheimer und 
anter dem Leintuch dieses Bettes lag ein Handbeil, welche Gegenstände fich 
onst immer draußen in der Küche befanden. (Schluß folat.) 
Rermischtes. 
*5Si. Inabert, 16. Sept. Heute Nachmittag gegen 4 
Uhr wird Hert Direltor v. Jäger mit mehreren Oberbeamten 
er piälz. Bahnen per Extra⸗Zug hier eintreffen, um morgen (Mitt⸗ 
voch) jrühe um 8 Uhr eine Fahrt auf der neuen Linie St. Ing⸗ 
berteSaartbrücken bis dorthin zu machen. Mehrere 
Direttionsmitglieder der Saarbrücher Bahn fahren dan mit den 
Beamten der pfälz. Bahnen nach Zweibrücken, um daselbst Verschie⸗ 
)enes, die Eroͤffnung und den Vettieb der Linie St. Inabert ⸗Saar⸗ 
hrücken, zu vereindaren. 
RKaiserslautern. Auf die Eingabe des Stadtraths 
um Errichtung einer Garnison zu Kaiserslautern ist eine Ministe⸗ 
rialentschließung gelommen, welche besagt, daßg die Verlegung einer 
Barnison nach Kaiserslautern zur Zeit nicht in Aussicht genommen 
verden lönne. 
7Neustadt, 12. Sept. Ein Gastwirlh dahier, geboren 
ind erzogen im Westrich, hatte bei Beginn der Gesflügelausftellung eine 
rößere Anzahl Loose niedriger Nummern angelauft. Bei der 
Ziebung anwesend, hörle man denselben fortwährend rufen: „Ich 
hann gewurn!“ Gleich darauf ließ derselbe eine grohße Anzahl Kafige 
mit dem Geflügel in seine Wohuung schaffen and ob dieser herr⸗ 
lichen Gewinne seinen Freunden auftragen, was der Tisch geiragen 
hat. Der Champagner floß in Strömen. Endlich suchten die aus⸗ 
ührenden Herrn im Ausstellungslokale nach dieser und jenet Num- 
ner, die andere Gewinner in Ausptuch nahmen, aber — ver—⸗ 
chwunden waren. Schließlich siellte es sich heraus, daß der Herr 
Hastwirth die Catalog⸗ Nummern für die Gewinnste hielt und nicht 
illein nichts gewonnen hat, sondern auch das noch Hause geschaffte 
HJeflͤgel wieder zurückbringen mußte. Der Champagner floß in 
Stroͤmen — umsonst. Gi. V.) 
Munchen, 11. Sept. Daß wie die Richter so auch die 
Schöffen eine Amistracht erhalten sellen, ist eine sehr irrige Ansicht. 
Für di⸗selben wird durchgehends die —I 
ztidung verlangt. Neue Amissiegel für die Oder⸗ und Landes⸗ 
dwie Amtsgerichte werden dermalen in der kaul. Münze gefettigt 
ind sollen am 15. d. M. bereits jedem Gerichte zugestellt werden. 
Vwr sdar 9. Sept. (Zur Arbeltzlosigkeit.) Zu der mit 
5chwurgericht der Rsalz. 
(III. Quartal 1879. 
Zweibrücken, 12. Sept. Unter großem Menschenandrang 
wurde gegen 5 Uhr Abends das Urtheil gegen Hinkel und Genossen verkün⸗ 
digt. Die Geschworenen hatten fämmtliche Augeklagte ganz im Sinne der 
Antlage ohne Annahme mildernder Umstande der gemeinschaftlich ausgeführten 
Rothzucht schuldig erllärt. Hinkel wurde zu 10 Jahren, Gaubatz ebenfalls 
ju i0 Jahren Zuchthaus, Staller, weil zur Zeit der That noch nicht 18 
Jahre all zu 7 Jahren Gefängniß, Dauenhauer zu 5, Frentzel zu 6 und 
endlich der aͤlteste Angeklagte Schneider zu 12 Jahren Zuchthaus verurtheilt. 
Llußerdem wurden den Angeklagien mit Ausnahme des Staller die bürger⸗ 
ichen Ehrenrechte aberkanut und zwar dem Hinkel, Gaubatz, Dauenhauer 
und Frentzel auf 6 Jahre, dem Sqhneider anf 10 Jahre. 
Zweibrücken, 13. Sept. Verhandlung gegen Elisabetha Pfaff, 
37 Jahre alt, gewerblose Witiwe von Daniel Gottel, im Leben Feld⸗ und 
Waldschutze in Vrcitenbach, wegen vorsätzlicher Korperverletzung mit tödtlichem 
Erfolge. Vertreter der k. Staatsbehörde: Staatsanwalt Scherrer: Vertbei⸗ 
diger: Anwalt Schmidt. 
Die Angeklagte wird als ein halsstarriges Weib geschildert, das die 
Haushaltung unordentlich und unsauber führte. Der Chemann Goͤttel soll 
zwar an sich ein ganz guter Mann gewesen jsein, über den aber oft sein 
hitziges Teniperament und seine etwas zu starke Vorliebe für geistige Getränke 
die Herrschast belamen. Er schalt dann mit seiner Frau— drohte ihr mit 
Schlaͤgen und schlug denn auch manchmal wirllich zu. Auch am 27. Juli 
abhin kam es zwischen den beiden Eheleuten zu einem derartigen Auftritt, 
wobei Gottel, der einen Kindtaufschmauß nicht ohne Folgen an jenem Tage 
mitgemacht haͤtte, seine Frau und Kinder in später Nacht noch auf offener 
Straße schimpfte und schiug. Wegen dieses Vorfalls beziehungsweise wegen 
der dadurch verursachten nächtlichen Ruhestörung wurde er protolollirt und 
zuf den 16. Auguft vor das 1. Polizeigericht Waldmohr geladen. Von der 
Zeit an, wo er die Ladung in Händen hatte, schien er ungemein gereizt und 
trank mehr wie zuvor. Seiner Frau drohte er, wenn er auch nur um eine 
Mark gesiraft wuͤrde, bliebe er nicht mehr bei ihr wohnen; die Angeklagte 
wird wohl auch nicht stillgeschwiegen haben, so daß ver Unfriede im Goͤttel'⸗ 
schen Hause nech jenem Vorfall am 27. Juli immer stärker hervortrat. Nun 
dam der 16. August und mit ihm die Polizeigerichtssitzung in Waldmohr, in 
escher Gollel zu' einer Geldstrase von 9 Mart verfälli wurde. Man merkte