Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
der St. Ingberter Aunzeiger und das (2 mal wöhentlih) mi dem Hauptolatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
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M 148. Donnerstag den 18. September 1879. 
Deutsches Reich. 
München, 16. Sepebr. Gencral v. d. Tann wird sich 
morgen zu den Manovern nach Straßburg und Metz begeden. 
München. Eine mit dem 1. October in Wirksamleit tretende 
Verordnung destimmte, doß künftig dei jedem Landgericht ein Laud⸗ 
ger'chtsarzt, bei jedem Bezirksamt ein Bezicksarzt 1. Classe aufgestellt 
verden soll, ferner bei soschen Amtégerichten, in deren Sprengel 
ich nicht ein Bez'rlsarzt 1. Classe befindet, im Fall besonderen Be⸗ 
dürfnisses ein Bezirksarzt 2. Clafs⸗. Wird die Stelle eines Be⸗ 
irksarztes 2. Ciasse bei einem Amtsgericht nicht mehr besetzt, so 
zeht dessen Dienst auf den Bezirksarzt 1. Closse über. Für drin⸗ 
gende amtliche Geschäfte, welche die Beiz'ehung des auswärts woh—⸗ 
nenden Bezirkkarztes 1. Classe nicht gestatten, wird am Sitze des 
Amtsgerichtes ein Stellpertreser des Bezirlsarztes aus der Zahl der 
dort befindlichen Aerzte aufgestellt und verpflichtet. Soferne sich an 
einem Amtsgerichte, bei welchem ein Bezirksarzt 2. Classe vicht auf⸗ 
zestellt ist, ein zur bezirksärztlichen Stellvertreiung tauglicher Arzt 
nicht befindet und ein solcher auch durch Beiträge aus Gemeinden, 
Districts- oder Kreism'tteln nicht gewonren werden kaun, bleibt es 
dem Minifsterium des Juneren vorbehalten, einen Arzt als Stell⸗ 
dertreter des Bezirksarztes mit einer fixen Jahresremuneration dahin 
abzuordnen. Die Landgerichtsärzte 1, und 2. Classe haben gleichen 
Rang und tragen die bisher für die Bezitlsgerichts und Beziils⸗ 
Arzte vorgeschriebene Amtskleidung. 
Berlin, 16. Sept. Der „Reichsanzeiger“ publizirt eire 
aus Stettin von gestern datirte königliche Berordnung, welche das 
Ab,eordnetenhaus für aufgelöst erklärt, sowie eine Bekanntmachung 
des Minister des Innern, welche den 30. Septemder für die Wahl 
nännerwahlen und den 7. Ottober für die Abgeordnetenwahlen 
eslseßt. 
— Reichskanzlher hat bein Bundesrathe bean⸗ 
ragt, daß für Rechnung des Reichs von den 20-Pfennigstücken ein 
Betrag von fünf Millionen Maxrk eingezogen und je zur Hälfte in 
b⸗und 2⸗Marlsftücken ausgeprägt werde. 
NAusland. 
Nach einet Depesche aus Gastein, 15. Septbr., sind da 
selbst am 14. Nachts der deutsche Botschafter Fürst v. Hohenlohe 
aus Paris und der päpstliche Nuntius Cardinal Jacobini mit 2 
Sectetäten aus Wien eingetroffen. Fürst Bismard ist auch noch 
in Gastein. (N. C.) 
Pesteh, 15. Sept. Auf einem Banket bei dem Präsidenten 
des evangelischen LandeshelIfevereines, Ivanka, brachte der Kultus⸗ 
minister Trefort einen sehr defällig aufgenommenen Trinkspruch 
aus, worin er die Befürchtungen beschwichtigte, welche protessantischer⸗ 
seits an das sogenannte Untecrichts⸗-Aufsibtsgesetz geknüpft werden. 
Der Minister erkiärte: Wenn der ungarische Staat ein Monopol 
hätte auf dem Gebiete des Unterrichtzs, so wäre er der erste, der 
auf die Aufhebung desselben hinwirken würde; denn die Konkutrenz 
sei im geistigen Leben ebenso heilsam wie im maleriellen. 
London, 16. Sepibr. Das Transporischiff „Malabar“ 
st heute von Porlsmouth nach Bombay mit 40 Oijfizieren abge⸗ 
egelt und nimmt in Queenstown 1100 Unterofficiere und Sol⸗ 
daten zur Verstärkung der afghanischen Armee auf. 
New-York, 15. Sept. Rachrichten aus Santiago de 
Tuba zufolge derlangten die Sklaven auf den Plantagen die Freis 
heit, welche die Sklaveneigner auch versprachen, im Falle jene sich 
perpflichteten, drei Jahre gegen Löhnung zu arbeten. Die Sklaven 
desertiren. Die Behörden haben den Generalkapitän hinsichtlich dec 
Ergreifung don bez. Maßregeln um Rath ersucht. Eine Madrider 
Depesche besagt, die Regierung beabsichtige in den Cortes die 
kmanzipation der Stlaven vom Juli 1880 ab unter der Bedingung 
ãebeniähriger zwangsweiser Arbeit gegen Löhnung zu beantragen. 
5chwurgericht der Rfalz. 
(III. Quartal 1879. 
Zweibrücken, 13. Sept. Merhandlung gegen Elisabetha Pfaff, 
37 Jahre alt, gewerblose Witiwe von Daniel Göttel, im Leben Feld⸗ und 
Waldschutze in Vreitenbach, wegen vorsätzlicher Kbrperverletzung mit iö dtlichem 
krfolge. (Schluß). Der Ofen im Wohnzimmet war kalt auf demielben 
jatte am Abens zuvor ein wohl zefüllter Kochhafen mit Wasser gestanden. 
Dieser befand sich lerr in der Küche von Rauch geschwärzt vor, die eine Hand⸗ 
zabe war ganz abgeschmolzen, die andere hing nur noch ein wenig daran. 
Man nimmt nun an, in diesem Hefen sei das Wasser draußen in der Küche 
ochend gemacht und dann in jenem Eimer in die Stube und zum Bett des 
Dannes gebracht wrrden. Damit wuürde auch die Aussage eines Zeugen 
tiurmen, der um 2 Uhr Nachts in der Küche Lichtschein gesehen hatte. Am 
Aben Morgen fand ein Sohn der Angeklassen hinter dem Hause auf einer 
Wiese zwei Windeln und das Röckchen des kleinsten Kindes, welches dasselbe 
ioch am Abend vorher getragen hatte. 
Aerztliche Kunst konnte dem schwer verletzten Manne nicht inehr helfen, 
r starb am Abend des 18. August unter den entsetzlichsten Schmerzen, und 
war, wie die Section ergab, allcin in Folge der Brandwunden. 
Der Verdacht der Thäterschaft richtete sich natürlich unter diesen Um⸗ 
tänden sofort nach dem Vorfall auf die heutige Angeklagte. Dieselbe war 
Abends um 10 Uhr vor dem Vorfall heulend und über ihren Mann klagend 
us Dorf hineingelaufen, jedoch ohne ihr jüngstes Kind. Sie gibt nun an, 
ie sei eiwa um 11 Uhr nach Hause zurückgekehrt, habe das Kind mitge⸗ 
rommen und sich mit demselben auf einen Strohhaufen gelegt. Aber gerade 
im die kritische Zeit, kurz nach dem Vorfall, etwa um 8 Uhr, verlangte sie 
zei verschiedenen Leuten Einlaß und erzählte einer Zeugin, die ihr das Haus 
zffnete: „Mein Mann hat mich gestern Abend geschlagen; sei still, ich gehe 
auf Deinen Speicher bis Mittags und dann gehe ich unten hinaus“ (d. i. 
ins Preußische, wo sie Verwandte hat). Als man ihr sagte, ihr Mann sei 
tark verbrannt, sie solle ihn doch pflegen, sagte sie, sie wisse von gar Nichts 
ind weigerte sich hartnäckig, ins Haus zu gehen. Auf verschiedene Vorlaute 
»er Leute, ob denn nicht sie die Thäterin sei, antwortete sie entweder gar 
azicht, oder sie sagte, sie wisse von Nichts, er könne sich ja auch selbst ver— 
xannt haben. Auch bei einem Auswanderungsagenten in Waldmohr fand 
ie sich ein und sagte, sie wolle nach Amerika. Der Agent wies sie aber ab 
und sagte, Das ginge nicht mehr, denn sie käme in Untersuchung. Als sie 
»en Tod ihres Mannes erfuhr, erbleichte sie und sagte später: „Der hai's 
etzt überstanden, aber ich stecht' drin.“ Erst am Tage nach dem Tode gab 
e den Bitten der Leute und hauptsächlich ihrer stinder nach und kehrte nach 
Jause zurück. Sie vetrachtete die Leiche, weinte und jammerte und legte ihr 
leinstes Lind zu derselben auf's Bett. Die Angeklagte beharrte während 
der ganzen Voruntersuchung harinäckig auf ihrem Leugnen: „er könne es ia 
elbst gethan haben, oder einer seiner Feinde.“ 
Die Angelklagte macht nicht den besten Eindruck. Stumm und nieder⸗ 
jeschmettert fitzt sie auf der Anklagebank und gibt auf die allerdings er— 
rückend belastenden Vorhalte des Herrn Präsidenten ausweichende und ver⸗ 
egene Antworten. DTie Hauptzeugen, die eigenen Kinder der Angeklagten, 
varen wohl mit Rücksicht auf das Verhältniß, in welchem fie zu der auf 
»er Anklagebank Sitzenden standen, nicht geladen, aber ihre Aussagen wur— 
»en verlesen. Dieselben zeigen von großer Logik dieser Büben und es erregt 
virklich Erstaunen, wenn wir von dem l0jährigen Rudolph hören, wie er 
eine Matter gleichsam der That überführte; nachdem er sie nämlich nach 
»em Absterben des Vaters direct gefragt, ob sie es denn gewesen und sie 
ies verneint hatte, sagte er: „So, und wer hat denn den Kochhafen aus 
»er Stube in die Küche und den Eimer aus der Küche, das Handbeilchen 
ind eine Haue aus der Scheune in die Stube gebracht?“ Vernichtet durch 
iese motivirte Anschuldigung ihres eigenen Kindes habe sie dann geäußert? 
„Ach Gott, wenn ich's denn gewesen bin, so verzeih' mir!“ Die beiden Her⸗ 
en Aerzte kommen auf Grund des Obduktions⸗ und Sektionsbefundes zu 
»em Schluß, daß die Ueberschüttung im Bette geschehen sein müßte, während 
»er Mann auf der linken Seite gelegen, und daß deshalb von einer Selbst⸗ 
iberschüttung des unglücklichen Mannes nicht die Rede sein kann. Alle Zeu— 
jen sind in ihrem Urtheile darüber einig, daß nur die Angeklagte die That 
erübt haben kann. Aus den Zeugenaussagen geht aber auch hervor, daß 
er Mann es eigentlich gewesen, der den Streit immer angefangen, seine 
zrau und Kinder in der grobsten Weise mißhandelt und beschimpft, ja sogar 
einer Frau bei jeder Gelegenheit den nach Ansicht der Zeugen sicher unbe⸗ 
zründeten Vorwurf des Ehebruchs gemacht habe. Die k. Staatsbehörde 
aührte aus, wie heute die Kette des Indizienbeweises mit einer vollendeten 
kestigkeit unn die Angeklagte geschlungen sei, ein Entrinnen durch Leugnen 
ei da nicht mehr möglich. Göttel selbst könne fich nicht verbrüht haben, ein 
remder Feind könne nicht in das Gottel'jche Haus und noch weniger in die 
azu gehörige Scheune eindringen, ohne daß der in lezzterer sich befindliche 
ingemein wachsame Hund durch sein lautes Bellen die Nachbarsleute geweckt 
jätte; und wenn selbst ein Feind Rache an Göttel hätte nehmen wollen, 
sätte er zu einem einfacheren Mittel greisen können und hätte nicht die höchst 
imständlichen Manipulationen des Wusserkochens und Neberschüttens gewählt. 
Zon mildernden Umständen könnte bei dieser grausigen That, die man fast 
ils Mord qualifiziren könne, nicht die Rede sein. Die Vertheidigung führte 
ius, wie trotz des Gewichtes der Belastungsmomente doch immerhin die Mög— 
ichkeit bestünde, daß Göttel sich selbst verbrüht habe odex von einem Dritten 
iberschüttet worden sei; ja dieser Dritte brauche kein Fremder, es könne auch 
zer 18jährige Sohn Karl gewesen sein, gegen den dieselben Indizien mit 
zerselben Schwere vorhanden wären. Für den Fall aber, daß die Geschwore⸗ 
ien wirklich die Ueberzeugung von der Schuld der Angeklagten bekommen 
hätten, müßten sie mit Verüdsichtigung des traurigen Familienlebens, des 
ohen und unmenschlichen Gebahrens des Göttel gegen seine Frau, der voll⸗ 
jändig verzweifelten Lage der Angeklagten mildernde Umstände annehmen. 
die Geschworenen bejahten die Schuldfrage, sowie die auf mildernde Um⸗— 
Ande gerichtete und die Angeklagte wurde vom Gerichtshofe zu einer diäb⸗