Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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Mä 154. Sonntag den 28. September 
13879. 
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Deutsches Reich. 
Mäünchen, 25. Sept. Die vielfachen berechtigten Klagen, 
velche über die Verschiedenheit der von den einzelnen Lehrern und 
Schulen befolgten Schreibweise erhoben wurden, haben das Mini— 
sterium des Inneten für Kirchen und Schulangelegenheiten beran⸗ 
aßt, auf Grund des von dem dverleblen Universitätsprofessor b. 
Raumer in Erlangen aufgestellten und von einer Commission Sach⸗ 
verständiger durchberathenen Entwurfes das im Verlag von R. 
Oldenbourg in Munchen so eben erschienene Büchlein „Regeln und 
Worterberzeichnitß füe die deuische Rechtschreibung zum Gebrauch an 
den bayerischen Schulen? ausarbeiten ju lassen. Dasselbe ist zufolge 
Ministerialerlaß vom 21. ds. dem Unterricht an allen Schulen dee 
dönigreics in der Art zu Grunde zu legen, daß die Lehrer für die 
Durchführung der darin aufgestellten Normen der Rechtschreibung 
in allen schriftlichen Ausarbeilungen der Schulen Sorge zu tragen 
haben. Zugleich ist bei der Eiführung neuer Lehrbücher darauf 
u sehen, daß denjenigen der Vorzug gegeben werde, in denen die 
n dem besagten Büchlein aufgestellte Orthographie befolgt ist. Die 
bereits eingeführten, für den Unlerricht im Deutschen bestimmten 
dehrbücher aber werden nur dann auch fücr die Zukunft genehmigt 
uind empfohlen werden, wenn der Verleget bei dem Druck einer 
ieuen Auflage sich zur Einhaltung der für die Schulen des König⸗ 
reiches vorgeschriebenen Orthographie versteht. — An der unter 
Führung des Generalfeldmarschalls Grafen Molike diesen Herbsi 
tatifindenden Generalstabsreise hat auch der bayerische General⸗ 
tabsmajor Frhr. v. Könitz, der feit Jahresfrist dein großen Gene⸗ 
ralstab in Berlin beigegeben ist, Theit zu nehmen. Derselbe ver— 
veilte mehrere Tage in Urlaub hier und is heute nach Colmar 
aibgereist. 
Berlin. Der Kronprinz wird am 5. Oklober in Wien 
intreffen und am 6. Oktober von dort nach Roͤmerbad weiterreisen, 
vo sich die Frau Kronprinzessin befindet. Voa dort wird sich das 
ronprinzliche Paar zu längerem Aufenthalt nach Pegli (bei Genua) 
degeben. 
Berlin, 25. Sept. Fürst Bismarck nebst Gemahlin iñ 
jeute Mittag hier eingetroffen. 
Der Generalleldmarschall Freihert v. Manteuffel wird 
ich, wie die „N. Pr. 3.“ hört zu Anfang der nächsten Woche nach 
Straßburg i. E. begeben. Die Uebernahme der Statthalterschaft 
üct Elsaß-Lothringen wird wohl am 1. Ociober erfolgen. 
Aussand. 
Paris, 35. Sept. Die „Rpublique francaise“, bas Or⸗ 
jan Gambeltas, bespricht die auswaͤrtige Politik Frankreichs und 
jebt dabei hervor, Frantreich dürfe sich nicht in irgend eine be 
ondere Kombination einlassen, welche die Unabhängigkeit seiner 
Aktion beeinttächtigen würde, und dültfe vo— Niemand Raihschläge 
mnnehmen. Eine aufmerkjame Resferde allein entspreche seinen 
Interessen. 
Bermisqtes. 
F Der „Pf. Q.“ schreidt: Am 22. Sept. ssarb zu Ensheim 
m Alter von nahezu 81 Jahren Peter Adt sen or. Wie Borsig, 
o hat fich auch dieser Mann durch rastlosen Fleiß und e'serne 
Willenskraft emporgearbeitet und wahrhaft Großartiges geschaffen. 
Lon Haus aus unbemiltelt legte er sich auf die Fabrication von 
Waaren aus Papiermacho und genirle sich nicht, dieselben im An⸗ 
ang selbst zum Verkaufe umherzutragen. Seine Etzeugnisse fanden 
heifall und Absatz, und bald und immer mehr konnte er das Ge— 
chäft vergroͤßern, als später zweckentsprechende Maschinen aufgestellt 
verden konnten, nahm die Fabrilation einen mächtigen Aufschwung. 
die Söhne des genialen Mannes griffen fpäter umsichtig und that⸗ 
raftig mit ein, und heuse beschäftigen dieselben in den drei großen 
xtablissements in Eusheim, Fordach und Pont à Mousson Taufende 
non Arbeitern. 
In Homburg wurden am 28. d. bel der Burgermeister⸗ 
ind Adjunktenwahl wieder gewählt. Hr. Ervst Dümmler zum Bür⸗ 
ermeister, Hr. Jalob Hollander als 1. Adjunkt, Hr. Johaun 
diltner als 8 Adjunkt. Dieselben hatten vor einiger Zeit in Folge 
on Diffserenzen mit dem F Bezitksamte ihre Stellen diederdeleat 
fAm Sonntag Abend wurde bei einer Prügelei in Reiden⸗ 
fel s einem Bahnwärter das Ohr fast vollständig abgebissen. 
F Duürkheim, 26. Sept. Heute wurde uns eine in der 
Umgebuag von Dürkheim gewachsene Kartoffel gezeigt, die nicht 
veniger als 625 Gramm (also 854 Pfund) wog.(Durth. Anz) 
t Aus dem Gossersweiler Thal, 23. Sept. Uasere 
Begend scheint dieses Jahr durch eine reiche Obsternte ausgezeichnet 
zu sein, denn uasere Bäume, namentlich die Aepfelbäume haben 
ine sosche Menge Frucht, wie dies schon einige Jahre nicht mehr 
»er Fall gewesen. Hauptsächlich ist dies bei dem sog. Kohlapfel 
vorherrschend. Der Zentner wird hier zu M. 8—350 verlauft. 
kaäufer hatten sich in den letzten Tagen mehrere eitigefunden. 
Frankenthal, 24. Sept. Im Anschluß an unsere 
jestrige Mittheiluag betr. die außerordentliche Größe von Kartoffeln, 
ibersandte uns Herr Adam Völker in Heuchelheim eine Kartoffel 
m respectablen Gewicht von 700 Gramm. Der Stock, au welchem 
olche gewachsen, hatte im ganzen 18 Stück Karioffeln im Gewicht 
zon 2500 Gramm. (GFrtth. Tgbl.) 
F Eine hübsche Episode aus den Straßburger Mandvertagen 
rzählt ein Correspondent der „Hamburger Nachrichten“. Unweit 
Wolfisheim bemertte der Kaiser während einer augenblicklichen Ge⸗ 
echtspause einen in blauer landesüblicher Blouse gelleideten, mit der 
hrenlegion und einigen Kriegsmedaillen decorirten Mann von 
ühnem, energischem Gesichtsausdruck und mit einem hölzernen Stelz⸗ 
uß, der alle Truppenbewegungen mit der schärfsten Aufmerlsam⸗ 
eit verfolgte. Er ritt an ihn heran und frug freundlich in franzd⸗ 
ischer Sprache: „Wo haden Sie gedient und wo den Fuß ver⸗ 
oren ?“ Sich sofort gerade aufrichtend, militärisch salutirend und 
jen Kaiser sest anblickend, antwortete der Gefragte kech: Ich diente 
ierunddreißig Jahre als Corporal bei dem 2. Zuaben⸗Regiment, 
nachte 14 Campaguen in Algerien, der Krim, in Italien und 
Mexiko mit und verlor den Fuß bei Sedan.“ „Da haben Sie viel 
urchgemacht, mein Braver,“ erwiderte freundlich det Kaiser. Nun, 
S geht, Sire, es ist gutes Soldatenblut in unserer Familie, mein Vater 
iente über deeißig Jahre Napoleon le grand, ich lange Zeit 
Napoleon III. und mein ällester Junge, der jeßt dei den Gardejägern in 
zerlin steht, wird will's Gott,, dem Kaiser Guillaume ebenfalls 
ange Jahre als Soldat dienen.“ Der Kaiser über diese Antwort 
ichtlich erfreut, fragte nun: „Kann ich Ihnen irgendwie dienen 
Moerci Monseigneur,“ antworte der Veteran, „ich erhalte eine 
zute Invalidenpenfion aus Paris und sonst verdiene ich mir noch 
held durch Korbflechten und hölzerne Schuhe schnitzen, habe ein 
igenes kleines Häuschen mit Garten, und das genügt für mich und 
neine Alte vollkommen und wir braucben nichts.“ Sie sind ein 
elteuer braber Mann und ich habe mich gefreut, Sie kennen gelernt 
u haben“, sagte der Kaiser, beim Fortreiten freundlich grußend. 
Aerei, Sir o. die Ehre war ganz auf meiner Seite,“ entgegneie der 
zöfliche Elsässer. 
f Mülhausen, 23. Sept. Gestern wurde in der Kleber⸗ 
jasse ein adscheuliches Verbrechen verübt! Ein 20jähriger Mensch 
rwürgte seine eigene Mutter. Ueher daß Motiv verlautet noch 
—X 
f Ein Fischer am Bodensee hat einen glücklichen Fang 
zethan; er hat einen Wels, 117 Pfund schwer und 2 Meter lang, 
n der Dicke eines kleinen Kindes, gefangen und stellt ihn nun zur 
S„chau aus. 
f In einer Sitzung des medizinisch⸗ pädagogischen Vereins zu 
Zerlin wurden von ärztlicher Seite folgende Thesen über die 
Jerwendung der schutfreien Zeit vorgettaßgen: „1) Der Sonnteg 
oll weder für Schularbeiten noch für Privatstunden in Anspruch 
jenommen, sondern der Erholung und der Beschäftigung nach freier 
Wahl gewidmet werden. 2) Privatunterricht in den Lehrfachern 
er Schule soll nur da ertheilt werden, wo es die Schule für noth⸗ 
vendig oder zweckmäßig erachtet. 3) Pewatunterricht n Musik und 
Zeichnen ꝛc.) werde im Allgemeinen nur in einem einzigen Gegen⸗ 
fande ertheill, so daß in der Regel nicht mehr täglich eine Stunde 
n Anspruch genommen wird. 4) Musilalischer Privatunterricht soll 
icht vorzeitig, ohne Rücssicht auf Alter und koöͤrperliche Entwickelung 
Aonnen werden. 5) Der Tanzunterricht werde. wenn er überhaupf