Full text: St. Ingberter Anzeiger

eihwelser Abgabe von 600 bis 700 Wagen an benachbarte Bah⸗ 
nen zu wenden. »Das gleiche Verhältniß wird aus Elsaß⸗Lothringen 
und vom Mittel⸗ und Unterrhein berichet. 
* Maindz, 4. Nov. Heute Morgen lehrte üher hier per 
Bahn eine große Anzahl adnagh Amerika ausgewanderter 
Württemberger zur Heimath zurück. Nach ihrer Auslassung find 
die Leiue herzlich froh, wieder nach Hause zu tommen. 
7 Das in den Weinber pang Jahr verlorene Cas 
zilal. Um sich einen Begriff zu machen, welche Vexluste in diesem 
Jahre der fast ganzliche Ausfall der Weinernte den Weinbergsbe⸗ 
sgern bereital. nehme man nur das eine Beispel: Ein Mainzer, 
der in Bodenheim 13 Morgen Rebenland besitzt, hat die Crescenz 
bdon dem Ganzen um 120 Mark verkauft, während er 3000 Mt. 
Haͤtte losen muͤssen, bloß um die VEestellungskosten jener 13 Mor 
gen zu decken. Wie es weiter in dieser Sache steht, erhellt aus 
rinem anderen Verhältniß: In gewöhnlichen Jahren braucht man 
200 Viertel (zu je 18. Pfund) Trauden für ein Stück Wem. 
Diefes Jaht hane man 480 Bicrtel dazu nschig, denn die Beeren 
hahen wegen der mangelnden Reife leinen Saft. 
7Straßtzburg, 3. Nod. Der Besuch unserer Universität 
ju diesem“ Wintersemester scheint die Zahlen früherer Semester be⸗ 
deutend zu übersteigen. In voriger Woche ließen sich der Herzog 
Georg von Meclenburg⸗Strelitz, älsester Sohn der Großfürstin 
Tatharina, und ein Prinz von Meiningen inftribire. 
ir Mansen, 1. Nov. (Zur Warnung.) Nach der neuen 
Civilprozeßordnung sind die bett. Gerichte befugt, jene Personen, welche 
ohne Grund Klage erheben, sofort in die Kosten des Gerichisber⸗ 
—V zu verurtheilen, von welcher Befugniß gestern das k. Amts 
gericht München J. (Schöffengericht) zam ersten Male gegen die 
sedige Kochin Watpurga Braun Gebtauch machte. Dieselbe bezich 
nigte nämlich ihren Geliebten. ihr ein 20 Martk⸗Stück aus der Tasche 
rtwendet zu haben, welche Behauptung fie ader in öffentlicher Sehz 
ußg nicht mehr aufrecht erhalten konnte. 
5n Mäünchen, 3. Nov. Dem Universitatsprofessor Rüdinger, 
Proseltor der anatomischen Anstalt hier, ist es gelungen, in vollen⸗ 
zeifter Form eine Rachbildung des meunschlichen Körpers, sowobl im 
Banzen, wie in den einzelnen Theilen, hetzustellen. Derselde hai 
nämlich unter Zugrundelegung des von ihm schon seit laängerer Zeit 
angewendeten Verfahrens menschliche Leichname oder deren Theile 
oollftaudig geftieren zu lassen, nach einem solchen Körper, welcher in 
3 Scheiben sagittal durchsägt wurde, eine genaue, der Natur voll 
andig ahnliche Nochbildung in Wags herstellen lassen. Der lebens 
Jroße Körper, welcher von den Gebrüdern Zeiller dahier in echt 
jfunstlerischer Form hergestellt wurde, ist aufrecht stehend an einem 
Besielle befestigt und kann, wie die Btätter eines Buches, vom 
Scheitel bis zur Gesaͤßgegend geoͤffnet werden. Die 16 Schnitt⸗ 
rachen zeigen, nachdem sie aufgeschlagen sind, in ganz natürlichen 
wrnien und Farben alle anatomischen Details in höchster Vollend⸗ 
ha. Jede Arterie, jedes Gefaß, dann nach Lauf und Lage genau 
—— 
Jer letzten Sißung des ärztlichen Vereins, wo Professor Rüdinger 
jum ersten Male 8 vor die O⸗ ffentlichkeit trat, unter den zahl⸗ 
ichen Anwesendeu die greßte Ueberraschung und allfeitige Anerlenn 
ung hervor. Es wird diese Erfindung, welche namentlich zum' Zwecke 
des klinischen Unterrichts, dann aber auch für die gerichtsärztliche 
Praxis und den Selbstunterricht ganz eminense Dienste zu leisten 
derspricht, nicht verfehlen, sowohl in Fach⸗ wie gebildeten Laienkreisen 
großes Aussehen zu teregen. 
35 41, Mancheen, Die Sängerin Reicher: Kindermam soll für 
die grotze Oper in Paris mit 60,000 Fr. engagitt sein. Am 
diesigen Hoftheater hatte sie 8000 M. 
7 Friedberg Eberhessen), 28. Oct. Auf einer Kirch⸗ 
weihe nicht wet von Friedderg hatte ein Festgenosse des Guten 
etwas zu diel gethan und deßhalb füc rathsam gefunden, semen 
Rausch in einem Ochsenftalle auszuschlafen. Kaum war der Müde 
in Schlaf versfunken, als sich ein Ochse von der Kette lossriß, dem 
Schläfer einen Befuch machte und, angezogen von den Wohlgerüchen, 
velche dem off j nen Munde eniströmten, das Gesicht mit der rauhen 
Zunge auf und ab bearbeitete. Diese Lieblosungen entlockten dem 
Schlaͤfer, welcher jedenfalls träumte, sein Barbier habe ihn in Bi— 
handlung, die Woite: „Lang -sam —' Herr Pfeifer — das — 
Messer — krotzt. 
F Seltene Tankbarleit hat dieser Tage ein ehemaliger fran 
züsischer Officier bewiesen. Kapitän Beauregard vom 42. Linien⸗ 
Regiment fiel bei Gravelotte min einer Kugel im Fuß in preußische 
Befangensa ast. Er wurde, nachdem der Fuß amputitt worden, 
nach Frantfurt a. M. ivacuirt und blieb hier längere Zeit im 
Lazateth in Reconvalekcenz. Seine sinonzielle Lage war zu jener 
Zeit ene sehr m hliche. Nach dem Feldzug erh'elt er seinen Abschied 
und nur eine sedt geringe Pension. In Frantfurt nun war er zu 
yem Lajzarethgehilfen, in dessen Station et lag, in eia freundliches 
Verhältuiß hetteten, Jener dalte eiwas franzosisch, et seldst etwah 
»eutsch gelernt und so unlerhielten bride voch dig mm die neuesse 
Zeit einen freundschaltlichen Vriefwechset. Der Lazatethgehilfe in 
en einem Dorfe Am der Umgegend von Beilin Heilgehilfe und fristet 
ümmerlich durch sein Geschäfte seine und seiner Familie Eriftenz. 
Vor mehreren Wochen erhielt er von Herrn de Beoauregard ein 
Schreiben aus Aix les Bainz, in welchem diesen ihm mittheille, daß 
er durch den Tod tines reichen Verwandten zum woblhabenden 
Mann geworden sei. Etwa 14 Tage später rollte vor dir Wohn⸗ 
uung des Barbiers eine Extrapost und derselben entstieg ein älterer 
Herr mit einem Stelzfuß, in welchem der ehemalige Lazarelthgehilfe 
ofort seinen früheren Patienten wieder erkannte. Derselbe quartirle 
sich ohne Umstande bei ihm ein. Außer einer Menge weithvoller 
Beschenke, die er der Familie mitgebracht, hat er bei seiner Abreise 
dem armen Dorjbarbier noch ein Kapilal von 5000. Franck über⸗ 
geben.* TF 
rBerlim Um dem wucherischen Treiben, dad in letzter 
Zeit so überhand genommen und wodurch so mancher junge hoff⸗ 
iungsvolle Offizier dern Vatetlande und den Seinigett entzogen 
vorden ist, einen ernsten Damm entgegen zu fetzen, ist, wie die 
„N. Pr. Zig.“ hört, ein Conute, hestehend aus höheren Oifi, ieren 
ind Aeczten, zusammengetreten, das in der nächsten Zeit ein In⸗ 
titut ins Leben rufen wird, bei dem jeder active Offiz'er und 
Militärats der deutschen Armer und Marine ein Dahtlehen gegen 
ehr mäßige Zinsen und Abschlagszahlungen erhalten soll. Das 
Fustitut wird, auf dem Prinzipe der Gegenseitigkeit begründet sein. 
Lins der renommirtesten und solidesten hiesigen Baukräuser, das 
id stets durch seinen Patriotizsmus ausgezeichnet und vielen milden 
Ztijtungen, besonders den militärischen mit Rath, und That den 
folgreichsteu, Beistand geleistet, hat zur Geündung dieses Justituts 
inen hinxeichenden Fonds gegen dußerst mäßige Zensen in Aussicht 
jestell. Die Statuten sind bereits entworfen und werden dem 
daijer und. dem königlichen Kriegsministerium unterbreitet werden. 
Eines ganz außergewöhnlchen Kindersegens darh sich 
in Berlhiner Toͤpfermeister L. rühmen, dem in diesen Tagen 
von seiner dierundvierzig Jahre alten-Frau nach 22jahriger Ehe 
eceits das tinundzwanzigste Kind geboren wurde. Alletdings sind 
von dieser reichen Kinderschaar nur 4 am Leben und zwar das 
ünfte, das siedente, das sechszehnte und das einundzwamigste 
As der Vater dichen Geburtsfall auf dem betteffenden Standesamt 
a.imeldete und ihm im saustischen Interesse die übliche Frage dor⸗ 
zelezt wurde, das wiedielte Kind seiner Ehe das eben angemeldeile 
ei, erwiderte er sehr vergnügt: Das will ich Ihnen sagen — 
aber lachen Sie auch nicht —, esa ist vorläufiz das einundzwanzigste. 
F Fur den Monat November veröffentlicht Dr. Sota in Pratg 
olgende Wetterprognose: Au 14. November tritt der Mond der 
Erde nahe, und zwar in einet Stellung, wo er gerne auch vulkanische 
ausbrũche verursacht; wir haben daher mehrere Taçe vor und nach 
zieser Termin schlechtes Weiter zu erwarten. (Eiwas Aehnliches 
st um den 12. Dezember d. J. in Ausficht gestellt.) Uehrigens 
ommen etwa vom, 6. Nov. an nach einigen NMiederschlägen kalte 
Tage, welche um den 11. das sprichwöttlich delannte St. Martinus⸗ 
veiter einleiten dürften. Es fallen da namlich vrele Sternschnuppen 
ind tritt gern Kalte mit Schnee oder Regen ein, was mit Unter⸗ 
trechungen eiwa bis zum 19. anhalten dürfte worauf die Kälte bis 
um Ende dis Monats nur langfam steigt, einiges Anziehen um 
»en 23. und 27. ungerechnet. Nachtfröste sind bei'heiteren Himme! 
om 1. bis 7. und vom 20. bis 30. Regel. 
f Eine durchgebraunte Odaliske. Dem in Neapel weilen⸗ 
zen ExKhedive Ismail Pascha ist dorige Woche ein großes Mal 
jeur passitt. Ang seiner Vella, die mehrete Ausgänge dat, ist näm⸗ 
ich am helllichten Tage eine seiner Lieblingsjfrauen entflohen. Die 
Treulose maqchte zugleich ihren Gebieter um dreitausend Frauks, dann 
im verschiedene Schmucksacen, Juwelen u. s. w. ärmer. Die Enlt⸗ 
lohene weilt noch immer in' Neapel, und was für Se. Hoheit das 
lergste ist, sie darf gar nicht verfolgt werden; da in JItalien die 
Slaberer nicht gedusldet wird. Die Entflohene soll, wie die neapo⸗ 
nanischen Blatter melden, die Absicht haben, sich in Neapel dauernd 
aiedetzulafsen und dort ein Gesgäft zu eroͤffnen. 
f Am verflossenen Minwoch wurhete an den Küsten-von 
Neu⸗-Braunschweig, Neu⸗Schottland und Prinz Ednard-Insel ein 
noßer Sturm, welcher bedeutenden Schaden berurfachte. Gegen 
100 Sqiffetsahrzeuge wurden an die Küste gewotfen und sind 
Brals; auch mehrete Menschenleben gingen daber verloren. 
4 (Scweinezucht in Amerika.. Die Bereinigten 
S taaten haben im vortzen Jalte aus dem Hafen von Newyoth 
illein vicht weniger als Buy0 Millidnen Pfund Sweinesterfch and 
—AXDDD 
1877. 9 eju wartn über 200 Millionen Schweine zu 200 Pfdo. 
roihwendig. Erwägt man, daß die Autfutzt aus den anderen 
imerikanischen Häsen zusammen fast ebensodiel bentug und rechnet 
nan, was im Lande selbft derzehrt wird, so lann man sich tinen 
Beguff von der koloss ien amerikanischen Schweine zucht mawen 
f In Oftfidirien herrscht eine entsetzliche Hunger enoto⸗/ 
za fich diesen Sommet in den dorligen Meeresgewäßetn wdet 
Wollfijche/ noch Seehunde, voch Fische zeigten. Von den 200 Bewoh 
dern der Ottichaft Aniuu Baint blieb nue ein einziger Mensch am Lebin