Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Sl. Ingberler Anzeiger. 
Der St. Ingberter Anzeiger und das (S mal wöchentlichj mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. Sonntags mit illustrirter Bei— 
lage) erscheint wöchentlich viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementsvpreis detragt vierteljahrlich 
MA 40 S einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 MA 60 B, einschließlich 40 Zustellgebuhr. Anuzeigen werden mit 10 B, von Auswaärte 
mit 15 fur die viergespaltene Zeile Vlattschritt oder deren Raum, Neclamen mit 80 pro Zeile berechnet. 
M 29. Donnerstag den 19. Februar 
—— 
— 
1880 
Deutsches Reich. 
München, 17. Febr. Die Abgeordnetenkammer setzte 
zeute die Berathung über den Branntweinaufschlag fort und nahm 
schließlich das ganze Gesetz in namentlicher Abstimmung zumeist 
nn der Fassung der Regierung mit 121 gegen 20 Stimmen an. 
Referent v. Neuffer beantragt im Ausschusse der Reichs— 
rathskammer, derselbe wolle, seinen früheren Standpunkt beibe⸗ 
altend, die Erhoͤhung des Eisenbahn⸗Personentarifs (auf den bayer. 
Staatsbahnen) ablehnen; dagegen solle der Position 2,700, 000 M. 
Zinsvorschuß für die pfälzischen Bahnen zugestimmt werden. 
Muͤnchen, 18. Februar. Dem Beschluß der Abgeordneten⸗ 
anmer bezüglich des Zinszuschusses für die Pfälzischen Bahnen 
rat die Kammer der Reichsräthe bei. 
Der Minister des Innern hat an die Abgeordneten⸗ 
kammer das Verlangen gestellt, 130,000 M. zum Ankauf von 
Speise⸗ und Saattartoffeln, sowie von Saatgetreide für die noth⸗ 
eidenden Bezirke des Spessart und der Rhön zu bewilligen. 
Durch kgl. Entschließung vom 2. ds. wurde der an bdi Stelle 
des bisherigen Consuls Paulin Nibaget zum französischen Consul 
ür die Pfalz, mit dem Wohnsitz in Mannheim, ernannte Etienne 
Thampy in dieser dienstlichen Eigenschaft anerkannt. 
In der sächsischen zweiten Kammer erklärte der Minister 
des Innern auf eine Interpellation Ackermann's, das Vaganten⸗ 
hum betreffend, unter Anderem, als bestes Mittel gegen die mit 
Drohung verbundene Bettelei, sehe er vie Wiedereinführung der 
Prügelstrafe an. 
In nächster Sitzung haben als S chöffen zu erscheinen, 
die Herren: Gustav Krämer, Hüttenwerksbesitzer, Franz Xaber 
Demetz, Buchdrucker, beide von hier. 
Aus verschiedenen Orten wird die Ankunft der Störche 
zemeldet. 
Die kathol. Kirche in Mittelberbach ist, weil der Be⸗ 
irksbauschaffner ihren baulichen Zustand als gefahrdrohend erklärte, 
dom Bezirksamt geschlossen worden. In der Pfarrgemeinde sind 
durch freiwillige Beiträge im Laufe von fünfzehn Jahren etwa 
10,000 M. zum Bau einer neuen Kirche gesammelt worden. 
F Der Stadtrath von Kaiserslautern hat beschlossen, die 
beantragte Errichtung noch eines 4 Kindergartens wegen Mangels 
un Mitteln auf das Jahr 1881 zu verschieben. 
.In Kaiserslautern fiel ein zweijähriges Kind in 
reinen Kübel voll heißen Wassers und starb alsbald an den erhal⸗ 
senen Brandwunden. (K. 5) 
x. Mit der Ausfuͤhrung der Laute rthalbahrn wurde 
Bezirksingenieur Opfermann beauftragt. Ingenieur Lebh wurde 
zum Sectionsingenieur ernannt. 
eVom Gebirg wird dem „Pf. K.r.“ geschrieben: Wir 
Jlauben, die Aufmerksamkeit auf die von Ferd. Heckel und O. Oll- 
nann in Neustadt gemachte Erfindung eines Apparates zur Er⸗ 
eugung von Leuchtgas auf kaltem (chemischem Weg)) lenken zu sollen. 
Der Apparat verlangt nur sehr wenig Raum, ist einfach construirt, 
ehr leicht zu behandeln und kann, da keine Feuerungsanlage noth⸗ 
wendig ist, überall aufgestellt werden. Daß derselbe, ein schönes, 
hell leuchtendez Gas erzeugt, das zum Kochen, zum Erleuchten und 
deizen, wie zum Betrieb von Gasmotoren berwendet werden kann, 
uind daß die Röhrenleitungen dieselben bleiben können, wie beim 
Steinkohlengas, davon haben wir uns durch den Augenschein auf's 
nollständigste überzeugt. Da auch die Herstellungskosten verhältniß⸗ 
näßig gering sind, so haben wir es hier gewiß mit einer Erfindung 
don größter Tragweite zu thun. 
Nachdem in Neustadt 52,000 M. durch freiwillige Bei⸗ 
träge auf 4 Jahre für die Errichtung eines Gymnasiums daselbst 
gezeichnet worden sind, ehe noch die Liste geschlossen, wurde bon 
dem Stadtrath mit großer Majorität beschlossen, in der Sache 
weiter vorzugehen und auch die nothwendigen Localitäten für dief⸗ 
Anstalt zur Verfügung zu stellen. 
F Hr. Regierungspräsident v. Braun besuchte am Samstag 
mit Hrn. Regierungsraih Späth die Lambrechter Webschule. 
Mehrere dortige Tuchfabrikanten wollen sich an der nächstens in 
Leipzig Statt findenden Ausstellung betheiligen. Hr. v. Braun 
vill die betr. Ausstellungsobjekle vor ihrem Abgang nach Leipzig 
vesichtigen. 
f Aus Landau meldet man der „Ksrsl. Zig.“: Ein vor 
Jahren von einem früher hier wohnenden Restautaieur gegen die 
Actienbrauerei Annweiler⸗Landau angestrengte Proceß wegen Min⸗ 
dergehalt der Fässer (wahrscheinlich durch öfteres Pichen entstanden) 
vurde zu Gunsten des Klägers entschieden. 
x Die Bergzaberner Volksbank erzielte in 1379 bei einem 
Sesammtumschlag von 4,295,763 M. einen Reingewinn von 8,801 
M. Die dividendenberechtigten Stammantheile erhalten 990: Mit⸗ 
gliederzahl Ende 1879: 312. 
F In Freins heim soll ein Volks-Kindergarten errichtet 
verden. Wie dem „Dürkh. A.“ gemeldet wird, haben 65 Ein⸗ 
wohner zusammen 218 M. jährliche Beiträge gezeichnet, und der 
Bemeinderath hat auf Ansuchen einen einmaligen Beitrag von 300 
M. zur Anschaffung von Lehrmitteln, Möbeln ꝛc. bewilligt. 
fIn Frankenthal wird am J. März d. Js. in der 
creis⸗Armen⸗ und Kranken⸗Anstalt wieder ein Lehrcurs sür Bader 
röffnet und wie gewöhnlich 5 Monate dauern, Näheres im 
—D— 
FeIn Lambsheim stürzte in der Nacht vom 15. auf 
den 16. Februar das Haus des Gerbereiarbeiler Ullmer plötzlich 
usammen und begrub sämmtliche Inwohner, welche jedoch durch 
asch herbeigeeilte Hilfe bis auf einen achtjährigen Knaben vor 
em Ersticken gerettet werden konnien. 
Ausland. 
Der frauzösische Senat nahm das Gesetz über die Zu— 
ammensetzung des obersten Unterrichtsrathes (d. h. so daß keine 
Bischöfe demselben angehören) in zweiter Lesung an. 
Aus der russischen Haupistadt bringt der Telegraph die 
Nachricht eines entsetzlichen, auf das Leben der kaiserlichen Familie 
geplanten Attentates, das alle seitherigen Schandihaten der Nihi— 
isten in Schatten stellt. Die Nachricht lautet: 
„Petersburg, 17. Februar. Im kaiserlichen Winter⸗ 
dalais fand eine Explosion statt. Von der kaiserlichen Familie 
st Niemand verletzt. Die Mine, von welcher die Explosion aus⸗ 
ging, lag unter dem Wachzimmer; dieses selbst befindet sich unter 
dem Speisezimmer der kaiserlichen Familie. Von der im Wach⸗ 
immer anwesenden Mannschaft wurden 35 verletzt, davon sind 
õ bereits gestorben. In dem Fußboden des Speisezimmers hat 
die Explosion eine Oeffnung von 10 Fuß Länge und 6 Fuß 
Breite gerissen. Die kaiseruche Familie war nur infolge zufäl⸗ 
iger Verspätung noch nicht versammelt, als die Explosion erfolgie.“ 
Kaum 83 Monate sind verflossen, seit das Leben des russischen 
derrschers auf der Eisenbahnfahrr nach Moskau von einem ähn ⸗ 
ichen Anschlag bedroht war, und bereils wieder verübt eine ruch⸗ 
ose Bande nicht nur auf den Zaren, sondern auf die ganze kaiser⸗ 
iche Familie ein noch schrecklicheres Attentat. Bis in die derlraule 
ind nächste Dienerschafi des kaiserl. Haushaltes ist also der Nihi⸗ 
ismus gedrungen, denn es ist nicht denkbar, daß ohne deren Bei— 
Jülfe eine große Mine mitten im kaiserlichen Palaste angelegt werden 
onnte. Das ist das Entsezzlichste der nihilistischen Bewegung, daß 
le jeden Rest von Gewissen und Treue ertötet. 
Vermischtes. 
St. Ingbert, 18. Febr. In der heutigen Schöffen⸗ 
izung kamen folgende Fälle zur Aburtheilung: 1) Der Ein⸗ 
pruch eines bekannten lästigen Gewohnheitsbetüers gegen einen 
Strafbefehl wurde verworfen und wegen Bettelns auf 42 Tage 
Haft erkannt. 2) Ein Mann von Elversberg erhielt wegen Be— 
ufsbeleidigung, Widerstands gegen die Staatsgewalt und groben 
Anfugs 10 Tage Gefängniß und 83 Tage Haft. 3) Ein Mann 
von Hassel wurde wegen Berufsbeleidigung zu 10 Mark Geldstrafe 
»erurtheilt. 9) Der Einspruch eines hiesigen Fuhrmannes gegen 
rinen Strafbefehl wegen Verkehrsstörung wurde verworfen und 
iuf 1 Mark Geldstrafe erkann . Ein Fall mußte wegen Nicht⸗ 
rscheinens des Angeklagten ausgeseßzt werden und wurde dessen 
Berhaftung und Vorführung verordnet.