Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

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AM 34. Samstag den 28. Februar 1880. 
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Deutsches Reich. 
( Deutscher Reichstag.) In der Sitzung vom Don—⸗ 
nerstag sprach Abg. Sonnemann davon, daß Gerüchte umlaufen, 
als ob in einer irgend absehbaren Zeit die Einführung des Ta— 
hbakmonopols bei uns geplant werde. Der Bundeskommissär 
Burchardt erwiderte, im Schooße des Bundesraths sei die Frage 
der Einführung des Tabakmonopols in keiner Weise zur Eroͤrter⸗ 
ing gekommen. — Abg. Richter (Forischr.) fragte, welche Absich— 
den die Regierung hinsichtlich des übereilt eingeführten Flachszolles 
habe. Burchardt erwiderte: es sei augenblicklich nicht die Absicht, 
den Flachszoll aufzuheben. — Abg. Böttcher fragte, ob etwa in⸗ 
nerhalb des Reichsschatzamtes die Einführung des Tabakmonopols 
in Erwägung gezogen worden sei. Der Schazzecretär hält sich 
iber nicht verpflichtet, über alle Erwägungen des Schatzamtes 
Auskunft zu geben. 
Dem Bundesrath ist vom Reichskanzler der Entwurf einer 
Anweisung, betr. den zum Zweck der Einziehung von Gerichtskosten 
unter den Bundesstaaten zu leistenden Beistand vorgelegt worden. 
Berlin, 24. Febr. Die „Nordd. Allgem. Zig.“ veröffent⸗ 
icht eine von beachtenswerther Seite kommende Zuschrift, welche 
nn Betreff des gestrigen Artikels der „Nordd. Allg. Ztg.“ über die 
Befestigung Kowno's die Meinung ausdrückt, daß aus der Be— 
estigung der eigenen Grenze noch nicht nothwendig eine feindliche 
Tendenz gegen die Nachbarn hervorgehe, sondern nur das objektive 
Bedürfniß, die eigene Sicherheit durch eigene Mittel zu verbuͤrgen. 
Die Haltung der polnischen Bevölkerung bei ausbrechenden Kon— 
llikten könne die fortifikatorischen Anlagen von großer Wichtigkeit 
erscheinen lassen. Es ließen sich noch andere Konflikte denken, 
velche die Nützlichkeit der Befestigung Kowno's darthun würden, 
»hne daß dabei nothwendig der Bruch der langjährigen Freund— 
chaft zwischen Rußland und Deutschland vorausgesetzt werden müßte. 
Jedenfalls stehe das Recht, sich so an den Grenzen zu befestigen, 
daß letztere mit eigenen Kräften zu schützen seien, jedem unab— 
jängigen Staatswesen zu. 
Aus Straßzburg wird auf's Neue berichtet, daß zwischen 
dem Statthalter v. Manteuffel und dem Staatssekretär Herzog Zer⸗ 
würfnisse ernstlicher Natur bestehen. Die beiden Herren sind bon 
grundverschiedenem Charakter. Der altpreußische Bureaukrat Herzog, 
der sich niemals der Sympathieen der Elsässer zu erfreuen gehabi 
zat, bildet den stärksten Kontrast zu dem alten Generalmarschall, 
der sich an allen Orten durch freundliches Entgegenkommen populät 
uu machen versteht. Wahrscheinlich wird der Erstere seine Ent⸗ 
assung geben. 
Die Zmeite badische Kammer nahm den Gesetzentwurf, 
detr. die allgemeine wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen 
mit dem von der Commission beantragten Zusatz, wonach durch 
Regierungsverordnung festzustellen ist, in wie weit und unter wel— 
hen Voraussetzungen auswärtigen Geistlichen die öffentliche Aus— 
ibung kirchlicher Functionen aushilfssweise und vorübergehend zu 
gestatten sei. 
Der britische Konsul in Salonichi erhielt eine Mitiheilung 
des englischen Obersten Synge aus Niko, worin derselbe um Ueber— 
sendung von 15,000 Pfund Sterling bittet. Oberst Synge wurde 
mit seiner Frau von griechischen Räubern in der Nähe von Salo— 
nichi gefangen genommen; diese verlangen die genannte Summe 
als Lösegeld. Nach einem Bericht der „Irkf. Z.“ wäre der eng⸗ 
ische Botschafter in Konstantinopel von seiner Regierung ange⸗ 
viesen worden, das Lösegeld zu zahlen, wenn Oberst Synge in 
inderer Weise nicht frei zu bekommen ist. 
In Abessinien (Afrika) ist gegen den König Johannes 
ꝛein Aufstand ausgebrochen und herrscht vollständige Anarchie, so 
aß das Leben der dorh befindlichen Europäer bedroht ist. König 
Johannes mußte aus Debra⸗Tabor, wo er residirte, flüchten und 
ammelt jetzt eine Armee zur Bekämpfung der Rebellen. 
Ein Wucherpatent von 1803. 
Kaiser Joseph U. hob im Jahre 1787 die Wuchergesetze auf. 
In den österreichischen Landen zeigten sich in Bälde wie bei uns 
die verderblichen moralischen und materiellen Folgen hiervon. Es 
vurden deßhalb im Jahre 1803 im Interesse der schwer geschä⸗— 
digten Wohlfahrt des österreichischen Volkes abermals energische 
jesetzliihe Maßnahmen gegen den Wuacher ergriffen. Zur 
Beurtheilung derselben mag ein Auszug aus dem k. k. Patent vom 
2. December 18083 dienen, das s. Z. in der amtlichen Wiener 
Hofzeitung“ vom 21. December veröffentlicht wurde und dessen 
kingang folgendermaßen lautet: 
„Eine vieljährige, durch häufige Beispiele bestätigte Erfahrung 
jat die Erwartung, in welcher die gegen den Wucher erlassenen Gesetze 
zurch das Patent vom 29. Januar 1787 aufgehoben wurden, nuͤr 
u sehr wiederlegt. An die Stelle der durch diese Begünstigung 
eabsichtigten freieren Verwendung der Capitalien zur Unter— 
tützung nützlicher Unternehmungen trat ungemäßigte Gewinnsucht, 
die auf die Thorheit der Verschwendung und die Drangumstände 
des Bedürfnisses speculirte, Fleiß und Betfriebsamkeit muthlos machte, 
den Privatcredit unterdrückte und die schädlichsten Folgen auf Sit— 
en und Gesinnung verbreitete. Wir sehen uns daher verpflichtet, 
einem Uebel von so verbreitetem Einflusse mit ernsthafter Sorgfalt 
entgegen zu gehen und den weiteren Forischritten desselben auf 
jesetzlichem Wege nach Möglichkeit Einhalt zu thun.“ 
Im Verfolge dieses Patents heißt es unter Andern: 
„Als rechtliche Zinsen können bei einem gegebenen Unter⸗ 
pfand höchstens fünf, ohne Unterpfand höchstens sechs vom Hun⸗ 
dert auf ein Jahr bedungen werden. Die Strafe des Wuchers in 
zinsen ist: Einziehung sämmilicher verfallener Zinsen, die der 
darleiher baar zu erlegen hat. Die Strafwürdigkeit des Wuchers 
sann noch durch die Umstände, unter denen er ausgeübt worden, 
»ermehrt werden. Bei solchen erschwerenden Umständen soll der 
Zchuldige nebst dem Geldbetrage noch mit anderen Strafen belegt 
werden. Die Strafen bestehen in Arrest von drei bis sechs Mo— 
naten, welcher nach Beschaffenheit durch Fasten odee schwere Arbett 
derschärft werden kann; in der öffentlichen Ausstellung in einem 
Freise mit der Aufschrift: „Wegen Wuchers“; in Abschaffung des 
Thäters aus dem Orte seines Aufenthaltes ober, wenn er ein 
Fremder ist, in Ahicheffung aus iämmtlichen Erbländern ꝛc.“ 
Ausland. 
Die Repräsentantenkammer Belgiens genehmigte mit 83 
legen 6 Stimmen die Konvention von Terneuzen betr. Ankauf der 
kisenbahn Anwerpen⸗-Rotterdam für den Staat. 
In Konftantinopel beschlagnahmte die Polizei bei einem 
Individuum, welches sich Papadopulos nennt, Bomben und Höllen⸗ 
naschinen; man vermuihet, daß ein Attentat auf den Sultan be⸗ 
cbsichtigt war. Mehrere Personen sind bei der Sache kompro— 
mittirt. 
Aus Petersburg schreibt man der „Allgem. Zig.“: Was 
de Arbeiter des unteren Erdgeschosses des Winierpalaftes betrifft, 
wo die Erxplosion ausbrach, so hat sich inzwischen auch der leßzte 
derselben, der zuerst vermißt wurde und gegen den man großen 
Verdacht hegte, von selbst eingestellt, was derselbe kaum gethan 
zaben würde, wenn er sich einer directen Schuld bewußt waäre; 
ↄas Mnheimlichste bei der ganzen Geschichte ist jedenfalls das, daß 
man jetzt immer noch so weit als nur je von der Entdeckung der 
eigentlich Schuldigen entfernt ist. 
— *— 
Vermischtes. 
*St. Ingbert, 27. Febr. Am nächsten Sonntag, Nach⸗ 
mitiags von *22 Uhr ab, wird durch Herrn Professor Luxem⸗ 
burger von Zweibrücken die Jahresprüfung in der gewerb⸗ 
lichen Fortbildungsschule dahier abgehalten werden. 
*St. Ingbert. Wie bekannt, fand in Bierbach nach 
der dortigen Gemeinderathswahl eine Schlägerei statt, wodurch ein 
Wirth durch Zerstörung eines Theiles seiner Wirthschaftseinrichtung 
nicht unerheblichen Schaden erlitt, darauf folgten nun verschiedene 
Verurtheilungen. Es wird aber jetzt, wie wir hören, die Bier⸗ 
zacher Gemeinderathswahl noch ein weiteres Nachspiel erleben. Gegen 
nehrere Personen liegt nämlich der Verdacht des Meineides 
vor und ist darum gegen sie Untersuchung eingeleitet.