Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Slt. Ingberler Anzeiger. 
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NA 36. * Dienstag den 2. März 
18s5. 
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Deutsches Reich. 
Der bayer. Finanzminister v. Riedel ist nach Berlin ab— 
gjereist, um den Sitzungen des Bundesrathes beizuwohnen. In 
Nürnberg nahm er einen halbtägigen Aufenthalt, welcher zunächst 
der kgl. Bank und einer Unterredung mit dem Chef des Hauses 
Bloch und Comp. galt, mit dem nunmehr eine Schatz-Anleihe von 
12 Millionen unter sehr günstigen Bedingungen abgeschlossen ist. 
Die „Allg. Ztg.“ enthält ein Handschreiben Sr. Maj. des 
Königs an den Kriegsminister General be Maillinger, in 
welchem der König demselben unter den schmeichelhaftesten Aus⸗ 
drücken die Inhaberschaft des 9. Inf.-Reg. verleiht. 
Zur Zeit werden in Unterfranken von den kgl. Bezirks⸗ 
uimtern Erhebungen gepflogen, wie viele Oekonomieguͤter in den 
ꝛinzelnen Bezirlen in Folge von Zwangsversteigerungen nicht be⸗ 
virthschaftet werden. Zugleich wurde angeordnet, in der Rubrik 
Bemerkungen“ die Ursachen ökonomischer Erschwerung und sonstige 
harakteristische Fälle einzuͤtragen. 
Im Reichstag stellte Abg. Stumm die Anfrage, ob die 
Reichsregierung beabsichtige, dem Reichstag in dieser oder der nächsten 
Zession einen Gesetzenwurf über Gründung von Altersversorgungs⸗ 
uind Invaliden-Kassen für Fabrikarbeiter vorzulegen. Stumm meinte, 
ohne Zwang lasse sich da nichts erreichen; die Hände dürfe man 
iber nicht in den Schooß legen, denn je schärfer man den Aus— 
chreitungen eines irregeleiteten Theiles der Arbeiter entgegentreten 
müsse, um so mehr muͤsse man auch auf ihre berechtigten Interessen 
Bedacht nehmen. Minister Hofmann erwiderte der Gegenstand 
ei sehr wichtig und erfordere ein gründliches Studium, so daß er 
nicht sagen könne, ob schon dem nuͤchsten Reichstag ein solcher Ge⸗ 
etzentwurf werde vorgelegt werden; wenn es moͤglich sei, ohne 
Zwang — etwa durch Normativbestimmungen — zuͤm Ziel zu 
ommen, so dünke ihm das besser. 
Der dem Bundesrath zugegangene Wuchergesetz⸗ Entwurf ent⸗ 
„äült 7 Paragraphen, davon vier in das Strafgesetzbuch hinter 
302 einzuführende neue Artilkel. Danach wird Wucher d. h. 
leberschreiten des üblichen Zinsfußes in auffälligem Maße mit Ge— 
ängniß bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe von 1500 M., unter 
erschwerenden Umständen bis zu einem Jahr Gefängniß bestraft. 
Zewerbmäßiger Wucher wird mit Gefängniß und Geldfstrafe bestraft. 
Verträge, die gegen dieses Gesetz verstoßen, sind ungültig. 
Kaiser Wilhelm hat am Freitag den Fürsten Bismard 
desucht und mit demselben eine Besprechung von anderthalb Stunden 
zehabt. Der Reichskanzler ist wegen seines leidenden Zustandes 
genöthigt, noch das Bett zu hüten. 
Die offizielle Feier des Geburtstages Sr. Majestat des Kaisers 
it der Charwoche wegen auf Samsiag den 20. März veriegt 
worden (wie in den Jahren 1865 und 1872). 
Ausland. 
Ein jüdischer Divisionsgeneral ist soeben in Fraukreich er⸗ 
nannt worden. Mittelst Decrets des Präsidenten der franzoösischen 
Republik vom 19. ds. Mis. ist nämlich der bisherige Brigadegenera! 
Leopold Sée, mosaischen Glaubens, zum Divisionsgeneral befördert 
worden. (Zugleich mit ihm machie dasselbe Avancement auch ein 
zruder des Präsidenten Grevy.) Leopold Sée steht gegenwärtig 
in 58. Lebensjahre; er wurde am 4. Mai 1828 zu Bergheim 
im Elsaß geboren. 
Die Franzosen verfallen zur Abwechselung wieder einmal 
a's Spioneriechen. Neulich schon hieß es, es seien zwei Deutsche 
erhaftet worden, die sich in einem der östlichen Departements mit 
Lerrain⸗Zeichnungen u. dgl. zu schaffen machten. Hinterdrein stellte 
ꝛich ihre Beschäftigung als von hoͤchst harmloser Art heraus. Die 
deiden Verdaͤchtigen waren ein Handlungsreisender und ein Maler, 
Fetzt wird gemeldet, in Rheims sei ein preußischer Officier ver⸗ 
haftet worden, wie er die Festungswerle photographisch aufnahm. 
Wir wollen abwarten, wie sich die Sache aufklärt; so viel ist uns 
jeßt schon gewiß, daß sich's nicht so vethalt. 
Der französische Minisier des Innern hat bestimmt, daß 
ille Beamten seines Departements, die 60 Jahre alt find und 30 
Jahre dienen, pensionirt werden. Dieselbe gehören fast alle der 
»onabartistischen Partei an. und deren Zahl ist ziemlich bedeutend. 
Die griechische Regierung hat infolge der letzten türkischen 
Noten in der Grenzfrage beschlossen, die Verhandlungen mit der 
Türkei abzubrechen. In einem Rundschreiben rechtfertigt die Re— 
zierung diesen Schritt und ruft auf Grund der Beschlüsse des Ber⸗ 
iner Kongresses die Vermittlung der Mächte an. 
In Konftantinopel wurde am Sonntag auf den russischen 
Botschaftsrath Onou- und den Obersten Komaroff während eines 
Spazierrittes von zwei Individuen geschossen. Nur das Pferd 
domaroff's ist verwuͤndet, die Verbrecher entkamen. 
Einen Tag nachdem die letzte Geheimdruckerei in Pete rs⸗ 
burg aufgehoben wurde, ist schon wieder eine neue Rebolunons- 
eitung erschienen. Die Polizei sucht und fahndet, bis jetzt aber 
noch vergebens. 
Vermischtes. 
F Der Vorschußverein Kusel erzielte 1879 bei einem Ge— 
ammtumschlag von 987,292 M. einen Reingewinn von 83890 
M. 95 Pf. Hieraus wurden 790 Dividende bezahlt und dem 
Reservefonds 1300 M. zugewiesen. Die Zahl der Mitglieder be⸗ 
rug Ende 1879 116. 
.Die Suppenanstalt in Landau hat am Sonntag ihre 
Thätigkeit eingestellt. 
F Am Sonntag feierte in Mußba ch Lehrer Schneider 
don dort sein 50jähriges Amtsjubiläum. Wie sehr die Gemeinde 
den Jubilar, der seine ganze bisherige Lehrthätigkeit ihren Kindern 
zewidmet hat, ehrt, beweist das Geschenk, mit dem sie ihn über⸗ 
raschte. Dasselbe besteht aus einem werthvollen Pianino. 
Der Redaktion des „Dürkh. Anz.“ wurde am 28. Febr. 
die Blüthe eines Birnbaumes überbracht. 
x In Ludwigshafen ist die Genehmigung einer Geldlotkerie 
um Ausbau der dortigen katholischen Kirche eingetroffen. 
F Aus der südl. Vorderpfalz schreibt man dem „Pf. K.“: 
Der Landmann ist heuer länger als sonst zur Unthätigkeit verurtheilt, 
a der Ackerboden in Folge des tiefen Gefrierens an vielen Stellen 
,sich noch nicht gesetzt“ hat. Der Reps macht einen schlechten Ein⸗ 
ruck; er wird nach der Ansicht von Sachverständigen zum größten 
Theil untergeackert werden müssen. Auch die Kleeäcker sollen Noth 
gelitten haben. Was das Getteide betrifft, so kann man hierüber 
erst im nächsten Monat urtheilen. An den Straßen hat der Frost 
benfalls Schaden angerichtet: manche Stellen erweisen sich beim 
Betreten elastisch wie ein Luftkissen. 
FWürzburg, 27. Febr. In zweiter Instanz wurde 
am 23. d. Mis. die Frage hier verhandelt ob die Amsel ein jag⸗ 
dares Thier sei. Der Schlosser und Gaäͤrmer Winter hatte im 
August d. J. im Auftrage des Professors Dr. Semper mehrmals 
in dessen Garten mittelst Schlagnetzen Amseln gefangen. Beide 
waren deßhalb vor das Schöffengericht gestellt und freigesprochen 
worden, wogegen der Amtsanwall Berufung einlegte. Heute nun 
wurde das Urtheil zweiter Instanz verkündet, welches ebenfalls auf 
Freisprechung lautete. (Damit wäre also vie Amsel als jagbares 
Thier erklärt.) 
f Dem Postboten Rosenauer in La ndshut, welcher in 
diesem Winter drei Kinder von dem Tode des Erfrierem gerettet 
hat, wurde von einer Gesellschaft von Menschen⸗ und Kinderfreunden 
in Mannheim ein Geschenk von 225 M. gemacht. 
teEin Nürnberger Productenhändler hat dieser Tage einen 
Doppelwaggon (10,000 xg) Eier aus Rußland erhalten. 
fWie rechtsrheinische Blaätter melden, wird die in den letzten 
Tagen des Februar stattgehabte Ziehung der Kissinger Kirchen— 
zaulotterie in Folge einer bei der Ziehung vorgekommenen Un—⸗ 
ꝛegelmaßigkeit wohl leine Giltigkeit haben. Besitzer von Kissinger 
Loosen werden darum gut thun, die Loose vorerst noch nicht zu 
dernichten. 
F In Berlin werden von den Fleischbeschauern jetzt faft 
alle Tage mit Trichinen behaftete Schweine entdedt. VTa jeder 
einzelne Fall von dem Bezirks⸗Physilus zum zweiten Male unter⸗ 
jucht wird, ist ein Irrthum nicht leicht moͤglich. 
F Am 26. ds. Mis. früh brach im dichtest bevolkerten Stadt⸗ 
ziertel von Sal aburag ein Brand aus, der leider fuünf Menschen⸗