Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberler Anzeiger. 
Der St. Ingberter Anzeiger und das (Z mal wöchentlich; mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, Sonntags' mif illustrirter Bei⸗ 
lage) ericheint wöͤchentlich viermal: Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnemeuntspreis betragt vierieljahrlich 
Ahnñ 40 B einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1A 60 B, einschließlich 40 Zustellgeblhr. Anzeigen werden mit 10 H, von Auswärti 
mit 15 — fur die viergespaltene Zeile Blattschritt ober deren Naum, Neclamen mit 80 4 pro Zeile berechnet. 
M 38. Samstag den 6. März 
1880. 
Deutsches Reich. 
München. Se. Maj, der Konig hat an den Kaiser 
Alexander von Rußland zu dessen 25jehrigem Regierungsjubiläum 
ein eigenhändiges Glückwünschungsschreiben gesendei. 
Der bayerische Reichslagsabgeordnete Frhr. Schenk v. 
Stauffenberg vertrat am Dienstag im Reichstag bei der De— 
hatte uͤber die Militärvorlage den Standpunkt der nationalliberalen 
Minderheit, d. h. derjenigen Nationalliberalen, welche, insonderheit 
ius Rücksichten auf das Vudgetrecht des Reichstags, gegen die Vor—⸗ 
age sind. 
Berliu. Der Kaiser und die Kaiserin wohnten am Sonn⸗ 
ag dem Galadiner bei, welches der franzöfsische Botschafter Graf 
St. Vallier in den glänzend renodirten Räumen der französischen 
Botschaft gab. 
Verschiedene Blätter weisen darauf hin, daß das bekannte 
Beglückwünschungsschreiben Kaiser Wilhéelm's an den Kaiser 
»on Rußland dadurch, daß es vom Fürsten Bismard gegen⸗ 
jJezeichnet ist, den Charalter als Staaisatt habe und somit seine 
Bedeutung diejenige eines blos persönlichen Glückwunsches weit 
iherrage, was in Rußland gewiß nicht bahne Eindruck geblieben 
ein könne. 
Die Nachricht von der Verhaftung eines preußischen Of⸗ 
riziers bei Rheims ist ganz und gar unrichtig. Ein unbe— 
annter Mann hat sich in einet Dorfschenke der Umgegend mit 
einem Eisenbahnarbeiter aus Lurxemburg in deutscher Sprache un— 
erhalten. Daher der ganze Lärm! 
Berlin, 3. Maͤrz. Wie aus Petersburg gemeldet wird, 
ahertrafen die dortselbst für den gestrigen Tag ergriffenen Maß— 
wegeln die kühnsten Kombinationen. Jedes öffentliche Gebäude wurde 
zon einem Piket Soldaten bewacht, Theile der Garnison waren in 
jen Kasernen konsignirt; Gendarmenbildeten um den Wasser⸗ 
eitungsthurm und um die Gasanstalt eine undurchreißbare Kette 
ind reitende Patrouillen durchzogen die Stadt nach allen Richt⸗ 
ingen. Die Dworniks hielten vor den Thoren der Häuser Wache 
ind ließen nur schwer Fremde in die ihrer Obhut anvertrauten 
—XRI 
Der deutsche, Reichsanzeiger“ publizirt eine Verfügung des 
taisers an den Reichskanzler dom 28. Febr., wodurch genehmigt 
ovird, daß für das Ressort des Generalpostmeisters eine dritte Ab⸗ 
heilung errichtet werde, die oberste Reichsbehörde für die Verwali- 
ungszweige dieses Ressorts künftig die Bezeichnung, Reichspostamt 
chalte und der Generalpostine ster künftig den Titei Staats— 
ekretär führe. 
Der Kronprinz des deutschen Reiches kommt zur Enthüllung 
»es Denkmals der Königin Luise nach Berlin, wird vom 10 
us 31. Marz dort bleiben und dann abermals nach Pegli gehen, 
in seine Gemahlin nach Potsdam zu geleiten. 
Die badische ersie Kammer hat den Gesetzentwurf über das 
rramen der Geistlichen gemäß den Beschlüssen der zweiten Kammer 
att allen gegen eine Stimme angenommen. 
Bei der Reichstagswahl im k. sächsischen Wahlkreis Glauchau⸗ 
Meerane wurde von 15,000 abgegebenen Stimmen der Socialist 
luer GHamburg) mit einer Mehrheit don cire 1000 Stimmen 
ewählt. 
Die Ermittelung der Individuen, welche in NKonstanu⸗ 
linopel auf den russischen Botschaftsrath Onou und den Ober⸗ 
ten Komaroff geschossen, ist in der Person von drei Bosmaken 
jelungen. Sie behaupten, in Folge eines Streites sich der Waffen 
jegen einander bedient und den vorbeireitenden Komaroff nur zu⸗ 
ällig verwundet zu haben. 
In Konstantinopel ist der russische Oberst Komaroff 
nfolge der Wunden, die er bei dem am 29 8. M. auf ihn (wie 
* heißt von Bosniaken) gemachten Angriffe erhalten hatte, ge⸗ 
torben. 
Die Feier des fünfundzwanzigjährigen Regierungsjubiläums 
des Kaisers Alexander begann am 2. März Vormittags 10 Uhr 
nit einem Ständchen, das ihm vor dem Winterpalast gebracht 
vurde. Danach siellten fich die Deputationen der Garderegimenter, 
von jedem 100 Mann, vor dem Winterpalaft auf. Der Kaiser 
erschien, von lautem Jubel empfangen, auf dem Balcon und ver⸗ 
veilte da etwa eine halbe Stunde; ein Musikcorps spielte, die 
Blocken läuteten und 101 Kanonenschüsse wurden gelöst. Um 
jalb zwölf Uhr begann der Festgottesdienst in der Kirche des 
Winterpalastes, und nach demselben war große Empfangscour für 
as diplomatische Corps, den Reichsrath, die Minister, den Senat. 
Der Kaiser beauftragie die Vertreler ver fremden Staaten ihren 
döfen und Nationen für die ihm zu Theil gewordenen Beweise 
)er Sympathie seinen Dank auszusprechen. Zwischen 2 und 8 Uhr 
nachte der Kaiser eine Fahrt durch mehrere Straßen, wobei er von 
der Vollsmenge überall mit Jubel begrüßt wurde. Der 2. März 
verlief bei den außerordentlichen Maßregeln, welche die Regierung 
rgriffen hatte, ruhig und ohne störenden Zwischenfall. Dagegen isi 
yom 3. März wieder von einem neuen Attentate aus Peters⸗ 
burg zu melden. Dasselbe war gegen den vom Kaiser eingesetzten 
—X Loris⸗Melikoff gerichtet. Ein unbekannter, etwa 
ojähriger Mann schoß aus unmittelbarster Nähe mit einem Revolver 
nuf den General, als derselbe vor seinem Hause am Nachmittage 
in den Wagen stieg. Der General blieb underletzt, seine Uniform 
vurde durchschossen. Er selbst soll den Verbrecher, dem es übrigens, 
»er aufgestellten Schildwachen und der den General umgebenden 
—X? moͤglich war zu entkommen, ergriffen haben. 
Die Nachricht von der Verhaftung der Nihilistin Bera 
Zassulitfch hat sich nicht bestätigt. 
Es gewinnt den Anschein, als ob die afghanischen Häupt⸗ 
inge den weiteren Widerstand gegen die Engländer aufgeben 
vollten, da General Roberts neuerdings mit Mohamed Jan, dem 
Führer der letzten Kabuler Erhebung, in Unterhandlung getreten 
st, von denen die Afghanen fruüher nichts wissen wollten. Danach 
verden die Engländer den Afghanen gestatten, sich selbst einen 
rürsten zu wählen, allerdings wohl nur einen solchen, der für sein 
ünftiges Verhalten England gegenüber ausreichende Bürgschaft 
ieten könnte 
Pfaälzisches Schwurgericht im 1. Quartal. 
Zweibrucken, 27. Febr. Vor die am Montag den 8. Marz 
nächsthin unter dem Vorfitze des k. Oberlandeẽgerichtsraths Hefsert begin⸗ 
gende Schwurgerichtssession pro 1. Quatial 1880 sind folgende Faͤlle zur 
Iburtheilung verwiesen· 1) Montag, 8. Marz, Vormittags 823 Uhr Ver— 
zandlung gegen Elisabetha Biu a, 42 Jahr alt, Ehefrau des Fuhrmanng 
karl Scherrer in Marnheim wegen Meineids, Staalsanwalt Dr. Krell. 
Vertheidiger: Rechtslandidat Gint. 2) Dienstag, 9. Marz, Vormittags 825 
Uhr Verhandlung gegen: 1 Ernft Otto, 31 Jahr alt, Redacteut und 
Beschäftsführer der „Pfalzischen Poft“ und 2. Jakob Niedhammer F 
54 Jahr alt, Privatmann, beide in Kaiserslautern wohnhaft wegen Berufs⸗ 
beleidigung durch die Presse Staatbanwan Petri. Vertheidiger: Nechta⸗ 
inwalt Kieffer. 8) Am selben Tage, Nachmittags 8 Uhr, Verhandlung 
zegen Katharina Rikolaus 41 Jahr ali, von ihrem Manne getrenm 
ebende Ehefrau des Aderers Jalob Z n ß von Rechtenbach wegen Kinds 
nord. Staatsanwalt Kieffer. Vertheidiger: Rechtscandidat Meher. 4) Um 
10. März, Vormittags 8/ Uhr, Berhandlung gegen 1. Junus Heinrich 
NRazß, 38 Jahr au, Redacteu der Kaisersiautetet Zeitung“, 2. Jalot 
Ricolaus, 40 Jahr alt, Lehrer in Frankelbach wegen Berufsbeleidigung 
durch die Presse. Siaaissanwali Petri. Vertheidiger Rechtsanwalt Schmidt 
). Am selben Tage, Rachmittags3 Uhr, Verhandlung gegen Adam G u⸗ 
Ring, 65 Jahr alt, Rollfuhrmann in Rohrbach wegen Brandstiftung 
Staatsanwalt dieffer. Vertheidiger: Rechtscandidat Fleischmann. 6) Don⸗ 
erstag, 11. Marz, Vormitege vi, Uyr. Verhandsrnj geren Anng Mayria 
Ausland. 
Die radicalen Pariser Blaͤtier sind voll Wuth gegen den 
volizeipräfecten Andrieur, weil dieser den Russen Hartmnann ver 
/aftet hat und für dessen Auslieferung sein soll. Er wie der russische 
gesandte Fürst Orloff sollen in den letzten Tagen Drohbriefe et⸗ 
jalten haben, die ihnen ihre Ermordung für den Fall in Aussicht 
iellten, daß Hartmann wirklich ausgeliefert würde. 
Brüssel. Dienstag Abend nach Schluß der Vorstellung im 
heater Monnaie erfolgte im Augenblicke, wo der Hofwagen mit 
er Konigin um die Ede der Rue Ecuyer bog, ein hefiiger Knall. 
»8 wurde das Gerücht verbreitet, als sei auf den Wagen der 
tonigin geschossen worden. Sofori eingeleitete Untersuchung er⸗ 
ad, daß es sich um Explosion einer bon einem unbekannten In 
„widuum geworfenen Petarde handelie.