Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberler Anzeiger. 
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M 5. Donnerstag den 8. Januar 
1880 
Deutsches Reich. 
München, 6. Jan. Der König hat an den König Alfonso 
von Spanien anläßlich des jüngsten Attentats ein Beileids- und 
Glückwunschschreiben gerichtet. (Allg. Ztg.) 
Mit besonderem Interesse sieht man im preuß. Landtage der 
Einbringung der gegenwärtig in Vorbereitung befindlichen Noth— 
standsborlage für Oberschlesien entgegen. In Beamtenkreisen will 
man wissen, daß der Finanzminister Bestimmungen zum Schutze 
der nothleidenden Bevölkerung gegen den Wucher in den Entwurf 
aufzunehmen beabsichtigt. (Es wäre endlich an der Zeit, daß der 
Staat eingreife und nicht Alles der Privatwohlthätigkeit überlasse. 
Anm. d. Red.) 
Ausland. 
Der Jahreswechsel hat den Engländern neue Beunruhigung 
in Irland gebracht. In Folge von der Austreibung von Päch— 
tern in Carraroe brachen ernstliche Unruhen aus. Die Polizei 
wurde von Volkshaufen heftig angegriffen und mußte mit dem 
Bajonette vorgehen; mehrere Personen wurden verwundet. Man 
will jetzt die Polizei verstärken. 
Meldung der „Pol. Corr.“ aus Konstantinopel: Zwei 
ehemalige bulgarische Deputirte baten die Pforte um Schutz für 
die muhamedanischen Bewohner Bulgariens und gaben dabei an, 
Beamte des Districts Silistria hätten zweimal die Feuertortur gegen 
Muhamedaner angewendet. 
der des Kindes unter der Stiege verkohlt. Dem Kinde selbst waren 
die Finger von den Händchen weggebrannt; die Zunge gleichfalls 
schwarz verkohlt. Was muß das arme Kind gelitten haben, bis 
der Tod es von seinen schrecklichen Qualen befteite G. 3.) 
F In der Neujahrsnacht befaßte sich der Wirth und Spezerei⸗ 
rämer Werner von Mackenbach damit, seinem Nachbar das 
Neujahr anzuschießen. In Folge Ueberladung der Flinie in der 
Dunkelheit entlud sich dieselbe beim Abschießen unter Begteitung 
ꝛines sehr heftigen Stoßes auf dessen Unterleib, welcher derart ver 
letzt wurde, daß Werner an seiner Verletzung nach 2tägigem schmerz⸗ 
lichen Krankenlager starb. Derselbe hinterläßt eine junge Frau 
mit 2 Kindern, wovon das eine erst 4 Wochen alt ist. 
F Lambrecht, 5. Jan. Heuie erklärte der ganze Gemeinde⸗ 
rath, sowie Bürgermeister und beide Adjunkten ihren Rücktritt, so 
daß nunmehr eine Neuwahl vorgenommen werden muß. 
fIn Oggersheim begann am 3. Januar der Tabaksber⸗ 
'auf und wurde bei lebhaftem Geschäft der groößte Theil des dasigen 
Sewüchses um 38 Mark per Centner von einem Mannheimer Haus 
aufgekauft. 
F Offenburg, 30. Dez. Heute früh starb dahier ein Dienst⸗ 
mädchen, in Folge eines Hundskrampfes, den sich dieselbe durch 
allzu gründliches Ausschneiden der Hühneraugen zugezogen hatte. 
F München. Die zehn bayerischen Schullehrer⸗Seminare 
zählten im Schuljahr 1878,79 im Ganzen 948 Schüler; im 
Schuljahr 1879/80 zählten sie im Ganzen 1130, und im Schul⸗ 
jahr 1880/81 dürfte sich die Zahl auf 12883 erhohen. Letztere 
Zisffes wurde geschopft aus der Ziffer der letzten Präparandencurse 
mit Abzug von 10 pCt. Für das Kaiserslauierer Seminar ergeben 
sich auf die genannten drei Jahre die Ziffern 83, 114 124; auf 
das Speyerer 68, 84, 109. 
F Originelles Weihnachtsgeschenk. Ein junger Frank⸗ 
urter machte seinem Vater zu Weihnachten ein Weihnachtsgeschenk, 
vie wohl noch selten eines gemacht wurde. Er schmückte nämlich 
ꝛinen Christbaum mit einer Anzahl von — unbezahlien Rechnungen, 
und hatte wirklich das Glück, daß der Vaier den Witz gut fand 
und die Rechnungen bezahlte. 
f Angenehme Aussichten. Der „Rhein⸗ u. Naheb.“ macht 
nuf folgende alte Prophezeihung aufmerksam⸗ „Und wer das Jahr 
1880 erlebt, kann von Wunder sagen und Gott danken, weil ihn 
die furchtbare Geißel Gottes der siebziger Jahre nicht erreicht hat.“ 
So sagt eine Prophezeihung aus dem fünfzehnten Jahrhundert. 
Die Geißel war ein schwerer Krieg und eine lange Geschäftskrisis. 
So moͤgen die Leser denn auch vernehmen, was der Prophet im 
Mittelalter von den achtziger Jahren sagt: „Und der Boden wird 
das Doppelte ertragen als seither, drei schwere Weinjahre werden 
die besseren Zeiten einleiten, so daß nicht Faß und Kübel den 
Wein allen sassen können. Getreide und Obst gerade genug und 
ein Frieden wird über die Welt kommen auf lange, lange Jahre.“ 
* Nicht blos in Deutschland und in Frankreich, auch in 
Desterreich hat das plötzlich eingetretene Thauwetler zahllose 
leberschwemmungen, zum Theil recht schlimmer Art, herbeigeführt. 
Sehr gefährlich sah es namentlich an der Donau unterhalb Wiens aus. 
f Die „Bresl. Z.“ meldet aus Oppeln (Oberschlesien), 
wo bisher schon großer Nothstand herrschte, von großem Hochwasser, 
Eisvbersetzung und bedeutender Ueberschwemmung. J 
F St. Gallen, 31. Dec. Die R. 3. Z.“ veröffentticht 
iolgendes Telegramm: Großes Eisenbahnunglück des Zuricher Zehn 
Uhr⸗Zuges: Zwei Locomotiven wurden übet Bord geworfen, zwei 
Bepäckwagen ganz, ein Personenwagen halb zertruͤmmert. Der 
Zugführer ist todt, der Locomotivführer unter der Locomotive leben. 
dig begraben. Gegen fünf Personen vom Zugerpersonal und acht 
Passagiere sind theils lebensgefährlich theils leicht verwundet. 
f Das Eis und das Wasser der Seine haben in und um 
Paris furchtbare Verheerungen angerichtet. Die Invalidenbrücke 
st vollstandig zerstört. Die Pfeiler sind nur noch übrig. Zuerst 
vurde die rechte, dann die linke Seite von dem Eis hinweggerissen. 
Auch eine andere Brücke wurde dom Eise hidweggeschwemmt, viele 
mdere beschadigt. Viele Schiffe, Bader und Wiß hanstolten ging 
Vermischtes. 
* St. Ingbert, 7. Jan. In heutiger Schöffen— 
säthung kamen folgende Fälle zur Aburthelung: 1) Sechs 
Burschen von St. Ingbert erhielten wegen Verübung groben Un— 
fugs 21 bis 1 Tag Haft. — 2) Ein Mann von Ensheim wurde 
wegen Diebstahls zu J Monat Gefängniß verurtheilt. — 8) Zwei 
Burschen von da wurden wegen Köorperverletzung zu je 8 Tagen 
Gefangniß verurtheilt. — 4) Ein fremder Schiossergeselle erhielt 
wegen Bettelns 1 Tag Haft. 
Als Schöffen für die nächste Sitzung — am 14. Januar 
— sind bestimmt: Die Herren Joseph Beer, Kaufmann und 
Johann Reidiger Müller, beide von Si. Ingbert. 
*St. Ingbert, 7. Jan. Wie durch die Schelle bekannt 
gegeben wurde, haben bis längstens 14. d. M. die Kapitalrenten- 
steuerpflichtigen und Gewerbetreibenden unserer Stadt zur Fatirung 
ihrer Kapitalrenten resp. ihrer Gewerbe auf dem Bürgermeisteramte 
zu erscheinen. Säumige können sich leicht Unannehmlichkeiten 
zuziehen. 
*St. Ingbert, 8. Jan. Gestern wurde in der im 
Spitale eröffneten Suppenanstalt zum ersten Male Suppe abge⸗ 
geben. Der Zuspruch war ein lebhafter und wird sich wohl in 
der Folge noch steigern. 
— Heute wurde uns ein lebender Schmetterling gebracht, 
was in dieser strengen Winterszeit doch wohl nicht oft vorkom— 
men mag. 
f, Zweibrücken. Herr Fabriklant Schwinn von hier hat 
allen Armen der Gemeinde Irheim je 10 Ztr. Kohlen, 6 Pfd. 
Brod und 4 Pfd. Fleisch als Weihnachisgeschent ausgetheilt. 
Für das Geschaftsjahr 1880 wuͤrde als Untersuchungsrichter 
bei dem Landgerichte Zweibrücken der Landgerichtsrath Philipp 
Seubert bestellt. 
In Kaiserslautern fand am 4. Januar 'eine zumeist 
aus dem Westrich besuchte Versammlung pfalzischer Branntwein⸗ 
brenner statt. Das Rejsultat der Berhandlungen war nach der 
„K. Z.“ die Wahl einer Commission, welche die Wünsche der 
pfälzischen Branntweinbrenner in einer Denkschrift niederlegen und 
solche an die Abgeordnetenkammer übersenden soll. 
Am S8. Januar, Nachmittags ist in Hochspeyer ein fünf⸗ 
jähriges Mädchen total verbrannt. Die Eliern hatten sich auf's 
Feld begeben, um Rüben heimzuholen. Unterdessen wollte das Kind 
Feuer machen und benützte vermuthlich hiezu Petroleum. Da die 
Thür verschlossen war und Alles ruhig blicb, so ahnte die Nach⸗ 
darschaft von gem gräßlichen Unqlück nichts. Man fand die Kla—