St. Ingberler Anzeiger.
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M 42. Samstag den 13. März
1880.
Deutsches Reich.
Die „Südd. Presse“ schreibt: Am 10. März waren es 16
Jahre, seit durch den frühen Tod König Maximilians II. Se.
Maj. König Ludwig I1I. von Bayern auf den Thron stiegen.
Was der in der politischen Strömung seiner ersten Regentenzeit
früh gereifte Monarch während dieser Epoche für Bayern wie für
Deutschland bedeutet und vollbracht hat, wissen wir Alle; möge ein
zütiges Geschick die Segnungen seines Regimentes uns noch lange
Jahrzehnte hindurch erhalten. Das Gefühl dankbarer Verehrung
hat durch die (in v. Nr. mitgetheilte) königliche Entschließung über
die wittelsbachische Gedächtnißfeier durch Gründung einer wittels⸗
achischen Stiftung behufs „Förderung des bayerischen
dandwerkes in Stadt und Land'“ nur noch gesteigert
werden koönnen. Wie nach interessanten Mittheilungen des Frhrn.
d. Bolderndorff weiland König Maximilian IU. einen Schuß des
andlichen Grundbesitzes gegen das bewegliche Kapital dringend ge⸗
vünscht und — leider vergeblich — erstrebt hat, so erkennt sein
oniglicher Sohn in dem Zustand unseres Kleingewerbes eine große
unter den mehreren Ursachen unserer sozialen Schäden und sucht
dieselbe durch Hebung jenes Theiles der Volksarbeit zu beseitigen.
Möchte der edle Versuch von Erfolg begleitet sein!
Münchener Blätter erinnern den designirten Vertreter des
Reich skanz lers im auswärtigen Amte, den Fürsten Hohen⸗
ohe, an die heute allerdings weit mehr noch als damals zeit⸗
zemäßen Worte, welche dieser Staatsmann im Jahre 1873 als
zayerischer Ministerpräsident sprach. Er sagte damals in der Kam⸗—
mer: „Die Anspannung der Wehrkräfte, wie sie zur Zeit in Eu—
copa getrieben wird und wie sie auch in der naͤchsten Zukunft nicht
zufgegeben werden kann, diese, ich möchte sagen, epidemische Zu—
zahme aller Rüstungen in Europa ist für die Dauer nicht durch⸗
jührbar. Der finanzielle Ruin der Staaten, die Verarniung der
Bevölkerung würde die unausbleibliche Folge sein. Es ist undenk⸗
I. daß nicht endlich ein Umschlag zum Bessern erfolge, daß nicht
die Erkenntniß der Nothwendigkeit des Friedens zum Durchbruch
omme. Lassen Sie mich mit dem Ausdruck der Hoffnung schlie⸗
zen, daß in nicht zu ferner Zeit die bessere Einsicht den Sieg da⸗
vontragen werde, daß es gelinge. die Mittel zu sinden. uns von
diesem trostlosen Zustande zu befreien.“
Die Auflösung der bei dem 1. und 2. Trainbataillon be⸗
dehenden Sanitäts⸗Kompagnien, einer Institution, welche im
yeutjchen Reichsheere die baherische Armee allein hat, soll eine be—
chlossene Sache und nur der Termin hiefür noch eine Frage der
Zeit sein; dagegen sollen noch zwei Aufnahms⸗ Feldspitäler errichtet
verden; auch spricht man davon, daß die Trainbataillone eine
veitere dritte Kompagnie erhalten sollen.
Troß der erfolgten schweren Bestrafungen kommen im Heere
roch immer Fälle von Mißhandlungen Untergebener Seitens einiger
Porgesetzten vor. Um solchen Ausschreitungen zeitig auf die Spur
u dommen und selbe sicher zur Kenntniß der höheren Vorgesetzten
‚u bringen, wurde durch das bayerische Kriegsministerium an⸗
jeordnet und dienstlich bekannt gegeben, daß jeder Soldat, welcher
ine Mißhandlung erlitten hat und hievon nicht dienstliche Anzeige
rftattet, wegen Verschweigung und Verheimlichung von Zuwider-
andlungen gegen die allerböchsten Vorschriften disziplinär bestraft
oerden wird.
Der Justizausschuß des Bundesraths hat den Wuchergesetʒent·
vurf noch etwas verschärft, indem er das Maximum der Geldftrafe
n 8 3022 von 1500 auf 3000 und in 8 3026 (verschleierter
Wucher) von 3000 auf 6000 M. erhöht hai. Ferner hat er bei⸗
zefügt, daß dem Wucherer die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt
verden können. Endlich hat er den Begriff des Wucher's schärfer
un definiren versucht, indem er denselben dann als vorhanden er⸗
lärt, wenn Jemand sich Vermögensvortheile dersprechen oder ge⸗
oähren läßt, welche den üblichen Zinsfuß derart überschreiten, „daß
jach den Umständen des Falls die Bermogensvortheile in auffäl⸗
gem Mißverhältniß zu der Leistung stehen“.
Die erste Vorlage, welche dem Reichstage vom Bundesrath
augegangen war, der über die weijährige Etatsperiode
hat noch immer nicht die erste Lesung im Plenum passirt. In
illen Fraktionen ist man der Ansicht, daß nämlich die Feststellung
iner zweijährigen Etatsperiode im Reichstage nicht durchzubringen
st, und deshalb scheint die Berathung des Gesetzentwurfes so lange
vie möglich hinausgeschoben werden zu sollen. In einem Punkie
st die Mehrheit des Reichstages einig, näamlich in dem, daß die
egislaturperiode über drei Jahre hinaus verlängert wird. Man
vird zwar die Vorlage im Plenum zur ersten Lesung stellen, fie
ann aber voraussichtlich an eine Kommisfion verweisen, was so
iemlich gleichbedeutend mit ihrer Beiseiteschaffung sein würde.
Vielfach wird auch die Meinung geäußert, der Reichskanzler werde
»en Gesetzentwwurf angesichts der Unmöglichkeit das Haus für die
weijährige Etatsperiode zu gewinnen, gänzlich zurückziehen.
Die „Provinzial-Correspondenz“ hebt bei Vesprechung der
ersten Berathung der Heeresvorlage vor allem den pa—⸗
riotischen Eindruck derselben hervor; nicht minder bedeutungsdoll
iber sei der durchaus friedliche Eindrucke. Aus den Reden des«
triegsministers und Moltke's habe das Ausland entnehmen kön—
ien und sich auch, wie allseitig wahrzunehmen, der Erkenntniß
uicht verjchlossen, daß Deutschland nicht auf den Angriff ausgehe,
ondern lediglich für den Zweck der Selbsterhaltung seine Streit-
nittel dem Maße zu nähern suche, welches es von anderen Mäch—
en bei weitem überschritten finde.
Am 10. März, Mittags um 1 Uhr, hat im Thiergarten zu
Berlin, vom herrlichsten Frühlingsweiter begünstigt die feierliche
ẽnthüllung des Denkmals der Königin Louise (der Mutter des
daisers) statt gefunden. Nach dem Chorgesang des Domchors und
er Sängerin des Luisenstifts hielt Minister Hobtecht die Festrede,
vorauf nach einem vom Kaiser gegebenen Zeichen imter dem Ab—
ingen des Chorals: „Lobe den Herrn“ durch die Versammlung die
dülle des Denkmals fiel. Die Feier schloß mit einem von Forcken
ʒeck ausgebrachten Hoch auf den Kaiser, in welches die Versamm⸗
ung unter dem Intoniren der Volkshymne begeistert einstimmte.
Der Kaiser war tief ergriffen und umarmte wiederholt seine Ge—
chwister, den Prinzen Karl und die Großherzogin von Medlenburg.
Hierauf verließ der Kaiser das kaiserliche Zelt und richtete an das
domite, die Vertreter der Studentenschaft und die Minister Worte
des Dankes. der Mahnung und der BVefriedigung.
Ausland.
Einer in Wien eingetroffenen Petersburger Meldung zu⸗
olge beantwortete der Czar das neuliche Gratulationsschreiben des
eutschen Kaisers mittelst eines eigenhändigen Briefes, worin
inter Anderem gesagt ist: „Auch er, der Czar, wollte, so lange er
ebe, die Frenndschaft mit dem deutschen Kaiser und den Frieden
nit Deutschland bewahren.“
Ein Wiener Correspondent der „N. Frkf. Pr.“ schreibt
„Allüberall begegnet die Brauwahl, die der Kronprinz getroffen,
er vollften Zustimmung und der allgemeinen Billigung. Man
reut fich. daß der Erbe der österreichisch ungarischen Monarchie in
mmige Verbindung mit einem Konighause triti, dessen Regenten-
ugenden bekannt sind, mit einem Fürst enhause, dessen constitutio-
ielle Gesinnungen ein nachahmenswerthes Muster sein koͤnnen. Für
Ungatn bringt die Braut des Kronprinzen noch eine ganz be—
ondere Empfehlung mit. Sie ist die Tochter einer ungarijchen
Erzherzogin, eine Enkelin des Palatin Joseph, des großen ung⸗
arischen Patrioten, dessen Andenken noch heute in Ungarn hochge⸗
jalten wird; sie ist ferner eine Nichte des Etzherzogs Stephan.
zessen Begeisterung für Ungarn eine der Geschichte angehörige That-
ache ist. Es darf nach Alledem die belgische Prinzessin, weiche
ils Kronprinzessin Oesterreichs bei ums hier erscheinen wird, deß
reudigsten Willkommens im Herzen der Bevölkerung gewiß sein.“
Der Kronprinz⸗Bräutigam zählt jetzt 22 Jahre. Er hai eine
üchtige wissenschaftliche und mililérische Erziehung erhalien und
vird als ein aufgeweckter Kopf geschildert. Wie sein Vater ist er
in eifriger Jager vor dem Herrn und ein tüchtiger Naturforscher.
Mit dem bekannten Zoologen Brehm steht er, zum großen Aerger
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