Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Inaberler Anzeiger. 
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M 13. 
Sonntag den 14. März 
185895. 
a2 
Deutsches Reich. 
Wenn man aus einer Verfügung des bayerischen Ministers 
des Innern, welche derselbe unter dem 29. Februar cr. erlassen hat, 
auf die Absichten der Reichsregierung schließen darf, so steht dem 
Reichstage vielleicht noch in dieser Session eine Vorlage, betreffend 
Revision der Gewerbeordnuͤng in Bezug auf das Baugewerbe be— 
oor. Jene Verfügung weist nämlich darauf hin, daß in Folge 
von zahlreichen, an den Reichstag sowohl wie an den Bundesrath 
gerichteten Petitionen die bayerische Staatsregierung demnächst ver⸗ 
ilaßt sein dürfte, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob für die 
Baugewerbe ein Prüfungszwang eingeführt, d. h. ob die Befug—⸗ 
nisse zur selbstständigen ÄAusführung von Bauten vom Besitz eines 
durch eine Prüfung zu erlangenden Befähigungszeugnisses abhängig 
jemacht werden solle. Es wird nach den Erfahrungen, welche sen 
der durch die Gewerbeordnung vom 80. Januar 1868 erfolgten 
Freigebung des Baugewerbes gesammelt sind, eine Aenderung der 
inschlägigen Bestimmungen nach der fraglichen Richtung hin als 
jeboten bezeichnet, da haͤufige Unglücksfälle bei Bauten sich gerade 
nmif mangelnde Fachkenntniß der Bauleiter zurückführen lassen. 
Der deutsche Reichstag wird sich wahrscheinlich am 19. März 
dertagen bis zum 5. April. Die Session soll dann bis spätestens 
am 15. Mai mit Rücksicht auf den preußischen Landtag geschlossen 
werden. 
Beim Durchblättern des Reichs-Militär-Etats für 1880 -81 
muß es auffallen, daß die Betriebskosten der Artilleriewerkstätten, 
Beschützgießereien, Pulverfabriken ꝛc. eine sehr bedeutende Abminder- 
ung gegen das Vorjahr (um 2 8357 000 M. erfahren haben. Daß 
hei diesen Etablissements, deren Produkte im Bedarfsfalle nicht schnell 
ind leicht zu beschaffen sind, so bedeutende Betriebseinschränkungen 
ulässig sind, mag dem Politiker ein Beweis dafür sein, daß die 
Reichsregierung einen Krieg in nächster Zeit nicht für wahrschein⸗ 
ich hält. Bei der bekannten minutiösen Vorausbeschaffung aller 
triegsmittel Seitens der deutschen Militär⸗Verwaltung, soweit Dieß 
iothwendig ist, kann der Soldat sich damit beruhigen, daß die be— 
ügliche materielle Heeresausrüstung in gutem Zustande und kriegs⸗ 
ereit ist. 
Aus Berlin meldet man der „Frkf. 3.*: Fürst Bismarck 
iußerte zu einigen Abgeordneten über den Handelsvertrag mit 
Desterreich: er habe Oesterreich erllart, das Aeußerste, wozu 
Deutschland bezüglich des Zolltarifs sich verstehen könne, werde 
ein, den deutschen Zolltarif von 1879 Oesterreich gegenüber zum 
Fonventionaltarif zu machen, so daß Oesterreich von den eiwa 
päter anderen Nationen gegenüber einiretenden Erhöhungen nicht 
hetroffen werde; er werde aber keine Herabsetzung des Tarifs im 
handelsvertrage bewilligen; er sei gegen die Aufhebung des Flachs⸗ 
zolls, aber den Leinen⸗Industriellen möge durch Erhöhung der Zölle 
iuf Leinengarn entgegengekommen werden. 
Das Verbleiben des Kultusministers v. Puttkamer im 
preuszischen Amte wird nach dem Erlasse des Reichskanzlers 
iber die Frage der Orthographie für sehr unwahrscheinlich gehalten. 
Das Berliner Kabinet soll, wie der Breslauer Zeitung“ 
ius der deutschen Reichshauptstadt gemeldet wird, der italienischen 
Kegierung vertraulich bedeutet haben, die demonstrative Politik gegen 
Desterreich aufzugeben, weil Deutschlands Beziehungen es gebielen, 
jemeinsam mit Hesterreich den europäischen Frieden zu erhalten. 
Die Berliner,Post“ schreibt: Vie Allianz der Regierungen 
Frankreichs und Rußlands), die sich anbahnen will, wird aus dem 
Felde geschlagen durch die konkurtirende Allianz der Revolution in 
heiden Ländern, durch das Band der stärlsften Sympathie, welches 
wischen den Kommunards und den Nihilisten sich bildet. Die 
Nihilisten in Paris jagen zu den Franzosen: „Zu uns kommt, wir 
onnen euch helfen, nicht die Orloffs und Gortschakoffs!“ Und die 
dommunards sind bereiis stark genug, um die Republik zu zwingen, 
aß das kaiserliche Rußland beleidigt wird, indem sie den Rebo— 
utionären einen Dienst leistet. 
Ausland. 
Gambetta's,Republique Française“ 
reundlichen Senatsmehrheit in Folge ihres 
der Ferry'schen Unterrichtsvorlage folgendez Drohwort zu: „Artikel 7 
var selbst nur eiu Compromiß; man weist ihn zurüch? Desto 
esser! Man will nicht, daß die Jesuiten vom Unterricht ausge⸗ 
chlossen seien, so wird man sie kurz und bündig aus Frankreich 
uusschließen; dazu bedarf es keiner legislaliven Maßregel. Ein 
idminisirativer Befehl genügt. Die Administration aber hängt vom 
Fabinet und das Cabinet hängt von der Deputirtenlammer ab. 
Was auch komme, der Nationalwille wird triumphiren!“ 
In Petersburg wird unter der Diktaiur unaufhörlich 
axretirt. Der „Lanterne, schildert man in Folgendem die dortigen 
Zustände drastisch genug. Petersburg, heißt es da, ist nur noch 
ꝛin großes Gefängniß, wo es weder Eltern noch Freunde, sondern 
lediglich noch Furcht vor der Polizei gibt. Und die Wahrheit ift 
serner, daß die Stadt im wahren Sinn des Wortes unterminirk is 
Vermi Htes. 
F Aus Bierbach wollen nächstens 6 Familien nach Amerila 
uiswandern. 
F Auf dem Pirmasenser Jahrmarkt vom 9. d. sind 2 
Damen die Poriemonnaies aus ihren Taschen gestohlen worden. 
Die sogen. „Gretchentaschen“ laden allerdings zu derlei Escamo— 
agen förmlich iin. 
rFIn Schneckenhausen hat sich kürzlich ein Mann, 
Bater von 8 Kindern, erhängt. Das muihmaßliche Motiv der 
That ist nach der „Pf. V.“ allzugroße Sparsainkeit und die daraus 
ntspringende Furcht, daß ihn die bevorstehende Heirath einer seiner 
Töchter ruiniren könne. 
F. Ein Baumwärterkurs, fur welchen seinerzeit die 
heneralversammlung des Obstbauvereins für den Kanton W aldmohr 
ich ausgesprochen hatte, soll in der Woche nach Ostern in Wald- 
nohr durch Wanderlehrer Fischer abgehalien werden. Da der Un⸗ 
erricht unentgeltlich ist und die Theilnehmer nur eine Ausgabe von 
woölf Mark haben, wofür Ihnen die nothwendigsten Geraͤthe be⸗ 
chafft werden, so hofft man auf eine zahlreiche Betheiligung. An⸗ 
neldungen sind bereits verschiedene eingelaufen, auch von Lehrern, 
velche während der Osterferien ihre Kenntnisse in der Obst baum⸗ 
ucht vervolllommnen wollen. Weitere Anmeldungen nimmt der 
Porstand des Vereins, Distriktsschulinspeltor Jung in Waldmohr, 
bis zum 21. ds. Mts. gerne entgegegen. 
FIn Frankelthal ergab die Lotterie zu Gunften armer 
donfirmanden, welche durch die Vorsteherin des Karolinen⸗Instituis 
zeranstaltet wurde, eine Einnahme von 370 Mark. welcher Betrag 
hereits an die armen Konfirmanden vertheilt wurde. 
fSpeyer, 11. März. Die Prüfung der Einjährig⸗ Frei⸗ 
villigen ist heute zu Ende gegangen; von 20 jungen Leuten, welche 
ieselbe mitmachten, haben sie 11 bestanden. 
F In Rieder-Ramstadt (Hessen) wurde in der Nacht 
um 3. ds. Mis. ein schändliches Verbrechen begangen. Ein Schlofser 
jat seine Mutter im Bette erdrosselt und nachher aufgehängt. Nach 
»er That begab er sich in das Wirthshaus und erzählte dort, daß 
ich seine Mutter erhängt habe. Der Thäter beging die That, um 
u dem Vermogen, das seine Mutter im Besitz hauie, zu gelangen. 
der Mörder wurde verhaftet und nach Darmftadt verbracht. 
F München, 11. März. Am Sonntag den 14. de. be⸗ 
sinnt auf dem Zacherlkeller der Ausschank des Salvatorbieres. 
Der oberste Verwaltungegerichtshof Bayerns hat der 
Beschwerde des Aderes A.Straßer in Kino p p vom 28. Nob. 
879 Folge gegeben und die Gemeinderathswahl don KnoppLabach 
ernichtet. (Der Haupibeschwerdepunkt war der, daß der Wahl⸗ 
nusschuß statt aus 53 nur aus 3 Mitqliedern, wobon zwei ver⸗ 
chwägert sind, bestand.) 
F. Die z. Z.in Haft befindliche Adele —AI 
diesmal ihren Geschäftsbetrieb sehr vorfichtig organisirt, denn seit 
der Wiederaufnahme ihres Geschäftes stellie sie für die ihr zuge⸗ 
ragenen Gelder leine Solawechsei mehr aus, sondern ließ sich 
yon Jedem, welcher im Hinblick auf die unverhältnißmäßigen Zinsen, 
ie sie monatlich zahlte, Geld bei ihr anlegte, einen Rebers unter⸗ 
eichnen des Inhalts. daß er ihr die gesammte Summe zur unbe⸗ 
chleudert der jesuiten⸗ 
Votums gegen Art. 7