Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberler Anzeiger. 
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A6. 
Samstag den 10. Januar 
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Deutsches Reich. 
Muͤnchen. Se. Majestät der König hat auf die Bitte des 
dandescomites für die im Jahre 1882 in Nürnberg abzuhaltende 
Landes-Industrie⸗, Gewerbe⸗ und Kunstausstellung an das Ministe⸗ 
zum des Innern nachstehendes Handschreiben gerichtet: „Ich über— 
siehme, der Bitte des Landescomites für die im Jahre 1882 in 
sürnberg abzuhaltende Landes-Industrie-, Gewerbe⸗ und Kunstaus⸗ 
tellung gern willfahrend, das Protectorat dieser Ausstellung, und 
jebe hierbei der Erwartung Ausdruck, daß dieselbe auf gewerb⸗ 
ichem Gebiet ebensowohl der Großindustrie, als dem kleineren Be⸗ 
riebe neue segensreiche Quellen der Fortbildung und des Wohl⸗ 
tandes erschließe. Von dem Wunsche geleitet, daß Gewerbetrei⸗ 
ende, welche der Ausstellung würdige Producte zuzuführen im 
Stande sind, an der Theilnahme nicht durch den Kostenaufwand 
ehindert werden, der aus der Ausstellung der Gegenstände erwächst, 
zestimme Ich hiermit zur Erleichterung für die Ausstellung aus 
der Reihe des kleineren Betriebes die Summe von 25,000 Mark. 
das Landescomite wird für eine Meinen Absichten entsprechende 
Berwendung Sorge tragen. Hohenschwangau, den 6. Jan. 1880. 
Gez. Ludwig.“ 
Dem „Pf. K.“ wird aus München unterm 7. Januar 
geschrieben: Der Vorstand des Finanzausschusses der Abgeord— 
ietentammer, Abg. Freytag, hat die Referate über die beiden Ge⸗— 
etzentwürfe, welche Credite für außerordentliche Bedürfnisse des 
Heeres verlangen, dem Abg. Kopp (Rechte) übertragen. Diese 
Vesetzentwürfe werden in Abgeordnetenkreisen in sehr oppositionellem 
Sinne besprochen. Ueber den Gesetzentwurf bezüglich des Brannt- 
veinaufschlags sind die Ansichten in den Abgeordnetenkreisen sehr 
jzetheilt; es sprechen sich Viele entschieden gegen den Entwurf aus, 
Her ohne wesentliche Aenderungen auch kaum zur Annahme ge— 
angen dürfte. — Die Berathung des Budgets des Cultusministe⸗ 
riums ist deshalb auf übermorgen verschoben, weil sich die beiden 
Fractionen des Hauses morgen erst über verschiedene Punkte des- 
elben noch schlüssig machen wollen. 
Aus dem Bericht über die vom Finanzausschuß der Abgeord— 
ietentkammer über das Budget der Unterrichts-Anstalten für je ein 
Jahr der 15. Finanzperiode gepflogene Verhandlungen entnehmen 
vir, daß Abg. Vaillant den Antrag stellte. Die isolirten Latein⸗ 
chulen in Kaiserslautern, Landau und Burghausen 
Oberbayern), die mit Gymnasien verbunden seien, auf Staats⸗ 
'osten zu übernehmen und deshalb die betr. Position um den Be—⸗ 
rag von 836. 054 M. zu erhöhen; es bestehe allerdings kein Gesetz, 
zurch welches der Antrag begründet werden könne; aber es sei 
och sonderbar, daß alle mit Gymnasien verbundenen Lateinschulen 
Staatsanstalten seien, und eine Ausnahme nur bei den genannten 
»estehe. Die kgl. Staatsregierung erklärte, daß in dem Gesetze 
über die Kreislastenausscheidung sich allerdings keine den Antrag 
anterstützende Bestimmung finde, und daß sie eine rechtliche Ver⸗ 
aflichtung des Staates nicht anerkenne, daß aber doch Billigkeits⸗ 
zründe bestünden. Darüber, ob eine rechtliche Verpflichtung des 
ctaates bestehe, entspann sich eine längere Debatte, die damit 
endigte, daß Vaillants Antrag abgelehnt wurde. 
Nürnberg. Nach dem „Fränk. Kur.“ ist mit Geneh— 
migung der bayerischen Staatsregung das, Bayer. Gewerbemuseum 
dahier vom Reichskanzleramt zur ausschließlichen Annahme und 
Vorprüfung der Anmeldungen aus Bayern für die Weltausstellung 
m Melbourne ermächtigt worden. 
Berlin, 7. Januar. Dem Vernehmen nach wird die Re⸗ 
zierung beim Landtag beantragen, daß 6 Millionen Mark aus 
Ztaatsmitteln für Oberschlesien verwendet werden und zwar sowohl 
uum Unterhalt von Menschen und Vieh wie zur Beschaffung von 
Saatgut. 
Berlin. Das Brausteuergesetz und ein Entwurf bezüglich 
ꝛiner Börsensteuer sind dem Bundesrathe bereits avisirt. Hinsicht⸗ 
ich des letzteren Projekts waren noch mehrfach Schwierigleiten über 
die Frage wegen der Heranziehung fremdländischer Borsenpapiere 
u beseitigen. Weitere Steuerprojelte, welche in Erwägung stehen, 
arcen noch des Votums des Reichskanzlers. 
Ausland. 
Das neue Ministerium in Frankreich, welches mehr als 
das vorige nach dem Geschmacke Gambettas ist, macht sich frisch 
ind fröhlich daran, das Beamten-Personal zu „säubern“. Den 
Anfang hat der Finanzminister gemacht, der durch seinen Unter- 
taatssecreiär Wilson eine Menge von Bureaubeamten, die nicht 
As „verlässig“, nicht als richtige Republikaner gelten, ohne Pension 
erabschieden ließ. Ob die Republik auf diese Weise wirklich „be— 
estigt“ wird, darf füglich bezweifelt werden; denn unstreitig muß 
inter dem Titel der „Personal-Säuberung“ auch mancher Beamte 
iur deshalb den Platz räumen, damit Günstlinge der derzeitigen 
Machthaber oder ihrer Freunde untergebracht werden. Die Stellenjägerei 
Jaben die Franzosen zu allen Zeiten und unter jeder Regierung 
uus dem Fundament verstanden. 
London, 5. Januar. Die Commission zur Untersuchung 
»es Tay⸗-Brücken-Uuglücks ist vorgestern in Dundee zusammen⸗ 
jetreten. Abgesehen von dem ersten Zeugniß des prüfenden Re— 
jierungsbeamien, welches einen starken Wind als eine ernstliche 
hefahr für die Tay-Brücke bezeichnete, verlautet jetzt über verschie— 
dene Wahrnehmungen zur Vorsicht, welche der Gesellschaft oder 
hren Beamten zugegangen seien. Unter Anderem soll der Zug- 
uͤhrer des letzten Zuges, welcher dem verunglückten Eisenbahnzuge 
orherging, den Siationsvorstand auf den Ernst der Gefahr auf⸗ 
nerksam gemacht und erklärt haben, er für seinen Theil würde lieber 
ausend Pfund Sterling ausschlagen, als noch einmal bei solchem 
Winde über die Brücke fahren. Was inzwischen von fachmännischer 
Zeite verlautet hat, bestärlt die Ansicht, daß eine Schuld der Ge⸗— 
ellschaft nachweisbar vorliegt — entweder mußte die Brücke stärker 
ind sicherer gebaut werden, so daß sie den Dienst im Sturme aus⸗ 
jalten konnte, oder der Dienst mußte unter solchen Umständen ein⸗ 
zestellt werden. 
Die neuesten Berichte aus St. Petersburg lassen darauf 
hließen, daß die leitenden Kreise Rußlands sich wirklich schlüssig 
jemacht haben, Frieden mit den anderen europäischen Mächten, 
iamentlich mit Deutschland, zu halten. Wie lang freilich diese 
»urch die Erkenntniß der Nothwendigkeit eingegebene friedliche 
Ztimmung anhält, wer vermag das zu sagen bei einem autokra⸗ 
ischen Regiment, das, von wechselnden Wirkungen beeinflußt, die 
illersonderbarsten Sprünge machen kann? Als eine Bürgschaft da⸗ 
ür, daß der Friede in nächster Zeit nicht gestört werden soll, be⸗ 
rachtet man auch den Umstand, daß der frühere Domänenminister 
Walujeff an die Spitze des Ministerraths gestellt worden ist. Wa— 
ujeff hat dem Kaiser Alexander II. die Reformen, die sich an die 
Lufhebung der Leibeigenschaft knüpften, einführen helfen, und man 
—X 
ẽ5ntwickelung Rußlands durch Kriege stören zu lassen. Indessen 
ür alle Fälle deckt sich auch der Kriegsminister; wenigstens wird 
inem ungarischen Blatt aus Petersburg berichtet, die Waffenfa— 
xiken des russischen Staates hätten Auftrag bekommen, 150,000 
dinterlader herzustellen und im Ausland seien deren 5800,000 be⸗ 
lellt worden. (Dies Letztere schaut nicht nach Frieden aus.) 
Ueber die russischen Verhältnisse und im Besonderen über den 
demüthszustand des Zaren cursiren ganz eigenthümliche Nachrichten. 
daiser Alexander soll in der That schwermüthig und regierungs⸗ 
nüde sein, von Abdankungsideen aber hauptsächlich durch eine Prin⸗ 
essin Trubezkoi zurück gehalten werden, welche er nach dem Tode 
einer jetzigen Gemahlin zu heirathen gedenke. Die Prinzessin wolle 
atürlich ihren politischen Einfluß nicht verlieren und deßwegen 
denke der Zar an keine Abdankung. 
Nach der russischen Zeitung „Sibir“ sind in dem letzten 
zahte bis zum 23. August an , Verschickten“ (Verbannten) incl. 
Frauen und Kinder 12,298 Seelen in Sibirien eingetroffen. 
Konstantinopel. Der Scheich⸗ül ⸗Islam hat den tür— 
ischen Polizeiminister aufgefordert, in allen Straßen Konstantinopels 
mekündigen zu lassen, daß die türkischen Frauen fich wohl hüten 
nögen, hohe Stöckelschuhe und Kleider, die oben tief ausgeschnitten 
der unken zu kurz sind, zu tragen und sich ihr Gesicht mit einem 
vurchsichtigen Schleier zu verhüllen. 
Wie belannt, liegen schon seit einiger Jeit die südamerika—