Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

zuspüren, welche sich in den Kreisen der polnischen Emigranten 
gezeigt haben sollen. 
Ausland. 
Das in Bern erscheinende „Pays“ schreibt: In unserem 
Grenzlande sind wir der Art von französischen Deserteuren über— 
schwemmt, daß wir es als eine Erleichterung begrüßen dürfen, 
enn nun durch Gesetz vom 16. Mai denjenigen Flüchtlingen, die 
das 40. Altersjahr noch nicht erreicht haben, Amnestie ertheilt 
wird. Der Kriegsminister hat die Militärbehörden bezeichnet, vor 
denen sich: die Deserteure zu stellen haben. In der Schweiz sind 
es die französischen Konsulate. 
Die ruffische Regierung wird als Antwort auf ein von 
der französischen Regierung in der Affaire Hartmann erlassenes 
Rundschteiben ihrerseits ein solches mit einer Richtigstellung der 
französischen Angaben veröffentlichen. An eine dauernde Verstim⸗ 
mung und Spaltung glaubt man trotzdem nicht; vielmehr wird 
in vielen Pariser Kreisen die baldige Rückkehr des russischen Bot⸗ 
schafters Fürsten Orloff erwartet. 
— vVLermisces. 
*St. Ingbert, 9. April. Wir erfahren, daß in der 
zweiten Hälfte des kommenden Juli der Umbau, resp. die Erwei⸗ 
erung des Lateinschulgebäudes durch Aufführung eines dritten 
Stocdwerkes in Angriff genommen werden soll. Die Mittel dazu 
hat bekanntlich der Stadtrath schon vor einiger Zeit bewilligt. 
*CVereinsangelegenheiten.) Heute Abend hat der hiesigt 
Zweigverein des Pensionsvereins „Bavaria“ behufs Neu—⸗ 
wahl des Ausschusses und Wahl eines Delegirten zur Hauptver⸗ 
sammlung in Münsch e n Generalverfammlung bei Oberhauser. — 
Der Arveiterbildungsverein“ hat seine Mitglieder für Sonntag 
Abend zu einer musikalischen und theatralischen Unterhaltung bei 
Schweitzer auf'm Höfchen und für Montag Abend zu einer Gene⸗ 
ralversammlung bei Wittwe Poller im Josephsthal eingeladen. — 
Auch der Verein „Harmonie“ stelltseinen Mitgliedern für die 
nächste Zeit Generalversammlung, Concert und Ball in Aussicht. 
Der Bescheid des kgl. Consistoriums auf die Beschlüsse der 
vorjährigen Diöcesanshnoden ist erschienen. Die Kirchenbehörde 
verweist die Kläger über Wirthshausbesuch der —D— 
tigen Jugend an die Polizei und die Bezirksämter. Sie erklärt 
sich fernet bereit, auf die Aenderung der Fassion einzelner zu hoch 
fauirier Pfarreien einzugehen. Empfohlen wird die Heizung der 
Kirchen, die z. B. in Lauterecken nur eine einmalige Ausgabe von 
328 Mt. für zwei Füllöfen und etwa 80 bis 38 Mk. Heizungs⸗ 
kosten verursacht habe. — Die Gründung von guten Schulbi⸗ 
bliotheken wird warm empfohlen, auch verspricht das Consistorium 
eine Sammlung von religiösen Kinder- und Jugendliedern zu 
empfehlen, wenn ihr eine geeignete namhaft gemacht wird. In— 
leressant ist, daß einzelne weltliche Mitglieder ohne Entschuldigung 
gefehlt haben. Sind solche zu gebrechlich oder zu alt, so wird 
ihnen gerathen, ihre Stellen niederzulegen. Ebenso wird der Be⸗ 
schluß der Synodalausschüsse von Kaiserslautern und Zweibrücken. 
don ihrer Befugniß Umgang zu nehmen, sich durch ein geistliches 
und weltliches Mitglied bei den jahrlichen Kirchenvisitationen ver⸗ 
treten zu lassen, nicht gut geheißen. 
PIn Folge der strengen Kälte des letzten Winters sind an 
verschiedenen Orten, wie sich jetzt herausstellt, die Kirchenglocken 
gesprungen. 
FIn Homburg wird am Sonntag den 11. April der 
hinterpfälzische Vorturnerkurs abgehalten werden. 
'Vom Glan.. Den Lehrern der Pfalz, besonders des 
Bezirksamtes Kusel, dürften folgende zwei Beschlüsse des Distrikts— 
rathes Kusel von Interesse sein: a) „Ein Beitrag zum Lehrer⸗ 
waisenstift wird vorläufig nicht begutachtet; b) der Beitrag (1000 
M.) zu den landwirthsch. Fortbildungsschulen wird abgelehnt, da 
der AÄusschuß der Ansicht ist, daß die Fortbildungsschulen ihren 
Zwed, wie man ihn bei Errichtung derselben im Auge hatte, nicht 
etreichen. „Auf letzteren Beschluß gab die k. Regierung der Pfalz 
nachstehenden Bescheid: „Dies abfällige Urtheil steht nicht im Ein⸗ 
klang mit der thatsächlichen Entwicklung der Fortbildungsschulen 
im Distrikte Kusel. Denn nicht nur weisen die amtlichen Ueber— 
fichten über den Stand dieser Schulen in dem Quinquennium von 
1873- 1878 eine stetige Zunahme derselben (26 im Jahre 18738 
bis 29 im Jahre 1878), sowie eine stetige Zunahme der Schüler 
(Gon 253 im Jahre 1873 bis 364 im Jahre 1878) nach, sondern 
es findet auch jenes Urtheil seine Widerlegung in dem seit Ein⸗ 
führung dieser Schulen bemerkbaren stetigen Rückgang der Zahl 
der Retruten mit mangelhafter Schulbildung im Bezirke Kusel von 
47 im Jahre 1869 bis auf O im Jahre 1878, auf welches Er⸗ 
gebniß hinzuwirken ja gerade durch die Einführung der Fortbil⸗ 
dungsschulen beabsichtigt war.“ (Kus. Ztg.) 
'Aus Steinwenden wanderten am 6. April 7 Per— 
sonen auf einmal nach Amerika aus. 
7 An der von der „Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland' 
ausgerüsteten Expedition, durch die am Tengenila⸗See eine dauernde 
Stalion begründet werden soll, betheiligt sich auch ein Hr. Paul 
Reichard aus Kaiserslautern. Die Erpedition, bestehend u. A. 
aus den HH. Haupimann a. D. Schoeler, Dr. Böhm und Dr. 
Kayser, verließ am Montag Berlin; sie begibt sich direkt über 
Venedig nach Zanzibar und bricht von dort in etwa 6 Wochen 
nach dem Innern Afrilka's auf. 
4 Der Beginn der ersten Prüfung für das Gerichtsschreiber⸗ 
imt ist auf den 7. Juni nächsthin bei dem k. Landgericht Landau 
estgesetzt. Zum Vorstand der Prüfungskommission wurde der k. 
Landgerichtsdirektor Osthel der daselbst und zu Mitgliedern der 
Zommission der k. Oberamtsrichter Bauer in Landau und der k. Re⸗ 
gierungs-Assessor Camerer in Speier ernannt. Zu der Prüfung 
verden Bewerber zugelassen, welche: 1. das 21. Lebensjahr vol⸗ 
lendet und das 40. nicht überschritlen haben, 2. während der letzten 
5 Jahre oder, sofern sie die für den Leinjährig- freiwilligen Dienst 
erforderliche wissenschaftliche Befähigung besitzen, mindestens während 
der letzten zwei Jahre als Schreiber bei Gerichten oder Staatsan⸗ 
waltschaften, bei Rechtsanwälten, Notären oder Rentämtern zur 
Zufriedenheit sich beschäftigt haben, 3. einen ungetrübten Leumund 
und entsprechend gute Gesundheit besitzen. Die Gesuche um Zu⸗ 
lassung sind im Laufe des Monats April bei der Prüfungskom⸗ 
missionschriftlich einzureichen und die betreffenden Zeugnisse beizulegen 
p Die vor 3 Jahren in den Gemeinden Dörren bach und 
Rohrbach gefaßten Beschlüsse, Communalschulen einzuführen, 
velche s. Z. die Genehmigung der kgl. Regierung erhalten hatten, 
ind nunmehr auf erhobenen Recurs hin vom tgl. Ministerium 
wWbgewiesen worden. — Auch in Thaleischweler wurde die 
Amwandlung der confessionell-getrennten in confessionell⸗gemischte 
Schulen von der Regierung nicht genehmgt. 
4 In Frankenthal wurde, wie die „Pf. V.“ meldet, am 
Dienslag Abend bei einem als Sozialdemokraten bekannten Schneider⸗ 
meister Haussuchung gehalten und wurden dabei einige socialdemo— 
ratische Schriften min Beschlag belegt. 
4Darmstadt. (Die Schwester des Fürsten von Bulgarien 
iner Todesgefahr entronnen.) Wie aus Darmstadt berichtet wird, 
st die Gräfin von Erbach-Schönberg, Tochter des Prinzen Ale⸗ 
zander von Hessen, einem entsetzlichen Unglück entgangen. In 
Begleitung ihres Vaters, ihres Gemahls und ihres Bruders Lud⸗ 
wig, Prinzen von Battenberg, von einem Besuche bei dem Land⸗ 
grafen und der Landgräfin von Hessen (unserer preußischen Prin⸗ 
essin Anna) zurückkehrend, stürzie sie beim Ueberschreiten eines 
Schienenstranges und würde von einer heranbraußenden Lokomotive 
erfaßt worden sein, wenn es ihrem Gemahl und einem herzueilen⸗ 
den Bahnbeamien nicht gelungen wäre, sie gerade in dem Augen⸗ 
zlicke wegzureißen und aufzurichten, als die Lokomotive noch wenige 
Schritte von ihr entfernt war. Die Prinzessin Marie v. Batten⸗ 
herg, geboren am 15. Juli 1852, ist dem regierenden Hause Gra⸗ 
en Guͤstav v. Erbach-⸗Schönberg seit 1871 vermählt und Mutter 
weier Knaben, des achtjährigen Erbgrafen Alexander und des 
weijährigen Grafen Marximilian. 
Paon Ludwigsburg (Württemberg) wurde am 5. April 
früh die fünfzehnjährige blühende Tochter eines Restaurateurs todt 
m Bett gefunden mit Spuren, die auf Erdrosselung derselben 
chließen lassen. Der Thäter, ein Gefreiter des dortigen 2. Feld⸗ 
artillerieregiments Namens Liebermann, ging flüchtig, wurde aber 
in Ulm verhaftet. Seine unerwiedert gebliebenen Liebesanträge reiz⸗ 
ten ihn zu dem Verbrechen. 
FDer Secondelieutenant End vom 4. baher. Infanterie⸗ 
Regiment wurde vor etwa 6 Wochen wegen Soldatenmißhandlung 
zu viermonatlicher Festungsstrafe verurtheilt, ohne daß der Ge⸗ 
richtshof die vom Staatsanwalt beantragte Dienstentlassung aus⸗ 
sprach. Kürzlich hat End indeß, wohl in Folge der damaligen 
herichtsverhandlung, seine „Verabschiedung“ erhalten. 
F In Regensburg wurde am Samstag der älteste Ve⸗ 
eran der bayerischen Armee, der im Alter von 93 Jahren ver⸗ 
torbene pensionirie Major Franz Fahrbeck mit militärischen Eh⸗ 
renbezeugungen und unter Begleitung vieler Civilbeamten und 
inderer Leidtragenden beerdigt. Derselbe hatte in großherziger 
Weise auf den Genuß der Renten eines Kapitals von ungeführ 
30,000 Gulden, welches ihm sein vor einigen Jahren verstorbener 
Bruder auf Lebenszeit testamentarisch vermacht hatte, zu Gunsten 
der arbeitzunfähigen Angehörigen der Stadt Regensburg verzichtet, 
welche daher schon seit längerer Zeit in den Genuß der „Ritter 
b. Fahrbeck'schen Stiftung“ zu dem genannten Kapitalbetrag ein⸗ 
freten konnten. 
Aus Erlangen wird folgender böswillige Streich ge⸗ 
meldet, welchen man dem Rektor des dortigen Gymnasiums gespielt 
hat. Unter seinem Namen wurden einer Reihe von Geschäftsleuten 
chriftlich die mannichfachsten Aufträge auf einen bestimmten Tag 
heist. So wurden bei mehreren Bierbrauern Fässer Bier bei 
Metzgern größere Quantitäten Fleisch, bei Konditoren Torten, Wein, 
bei Fuhrwerksbefitzern sechs Chaisen, ferner Schneider und Schuh⸗ 
macher zum Anmessen besiellt; sogar Aerzte, Hebammen und Ge⸗ 
aichtsvollzieher wurden belästigt. Man lkann sich das Erstaunen 
des Herrn Kektors denken, als alle diese Lente bei ihm vorsprachen