St. Ingberler Anzeiger.
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AMAßͤ59. Dienstag den 13. April
18s0
α
Deutsches Reich.
Der Reichstag begann am Freitag die zweite Berathung
zer Militär-Novelle. Es handelte sich zunächst um die 88 1
Ind 2, wodurch die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres auf
weitere 7 Jahre hinaus festgestellt wird und zwat um etwa 26,000
Mann höher als bisher. Die Abgg. Lasker und v. Stauffenberg
Jehzterer krank) beantragen, die Prasenzstärke nur auf 8 Jahre fest⸗
zusiellen; E. Richter (fortschr.) beantragt, künftig die Prasenzstarte
mmer nur auf j Jahr festzustellen und die Einjährig⸗ Freiwilligen
darauf anzurechnen. Beide Antrage wurden nach längerer Debatte
abgelehnt, der erstere mit 180 gegen 104 Stimmen, letzterer erhielt
qut die Stimmen der Fortschritispartei, des Centrums, Laskers und
einiger Nationalliberalen. Darauf wurde mit 186 gegen 96 Stim⸗
men' der Commissionsantrag angenommen, das heißt die Friedens⸗
prasenzstärke auf 427, 274 Mann für 7 Jahte vom 1. April 1881 bis
31. Marz 1888 festgestellt. In der Debatte äußerte der Kriegs⸗
minister v. Kameke, er habe schon früher ausgesprochen, daß nicht
die augenblidliche politische Lage, sondern Gruͤnde dauernder Natur
die Vorlage veranlaßt hätten; das wolle er gegenüber Richters
Aeußerung über die eingetretene Aenderung der politischen vage
in's Gedaͤchtniß rufen. Nur eine dauernde Festsetzung des Mili⸗
larbudgets vermöge der Armee Stabilität und Selbstvertrauen zu
geben. Diesen Standpunkt habe die Regierung immer eingenommen.
Die Reichsstags⸗Commission für das Socialistengesetz be—⸗
antragt, die Geltung dieses Gesetzes auf 3 Jahre zu verlängern,
wahrend der Bundesrath 58 Jahre will.
Die „Post“ veröffentlicht das Schreiben, mit welchem der
württembergische Reichstagsabgeordneie v. Bühler am 29. Februar
bz. Is. seinen vom Reichstag abgelehnten Antrag auf
Berufung eines Staatencongresses behufs Herbeiführung einer all⸗
gemeinen Abrüstung dem Reichskanzler überreicht hat, sowie die
Aniwort des Fürsten Bismark vom 2. März d. J. In letz⸗
leret heißt es: Ich bin leider durch die praktischen dringlichen
Geschäfte der Gegenwart so in Anspruch genommen, daß ich mich
mit der Moͤglichleit einer Zulunft nicht befassen kann, die, wie ich
furchte, wir deide nicht erleben werden. Erst wenn es Ihnen ge⸗
jungen sein wird, unsere Nachbarn für Ihre Pläne zu gewinnen,
sonnte ich oder ein anderer deutscher Kanzler für unser stets defen⸗
sives (im Stande der Vertheidigung sich haltendes) Vaterland die
Beranwworilichkeit für analoge (solche) Anregungen zu übernehmen.
Aber auch dann fürchte ich, daß eine gegenseitige Controle der
Voöller über den Rüstungszustand ihrer Nachbarn schwierig und
unsicher bleiben und das Forum, welches sie wirksam handhaben
sonnie, schwer zu beschaffen sein wird.
Die Nordd. Allgem. Ztg.“ erfährt, daß General v. Bose,
Commandeur des 11. Armeecorps, auf Ansuchen seinen Abschied
erhielt und in den Grafenstand erhoben, und daß General v.
Schlotheim mit der Führung des 11. Armee⸗Corps beauftragt wurde.
Englische Blätter bringen die Nachricht, daß die kürzlich con⸗
firmirte Prinzessin Victoria von Hessen sich mit dem Erbaroß-
herzog von Baden verloben werde.
Ausland.
Die hochoffizissse Miener, Montags⸗Revue“ schreibt: Des
Fürsten Bismard Verbleiben im Amte sei ein Unterpfand des
Friedens. Der Rüdtritt Beaconsfield's hätte durch das gleichzeitige
Scheiden Bismards eine Verschärfung erhalten, deren Konsequenzen
nothwendig in der gesammten europaischen Situation alsbald fühl⸗
bar geworden wären. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen er—
scheine es wenigstens gefichert, daß die Beziehungen zwischen Deutsch⸗
land und Oesterreich keine Veränderungen erfahren würden. In
diesen Beziehungen aber ruhe der Schwerpunkt der Abwehr gegen
alle Versuche künftiger Ruhestörungen. Die Wacht am Rhein werde
ergänzt durch die Wacht an der unteren Donau. In allen Fragen
der auswärtigen Politil repräsentiren Oesterreich und Deutschland
eine gemeinsame europäische Mittelmacht, welche durch ein gemein—
sames Interesse am Frieden und den gemeinsamen politischen Ge⸗
danken verbunden werde, für den Schuk der europaischen Macht⸗
ordnung einzutreten.
Da man vor der Hand keine Hoffnung zu haben scheint. einen
definitiven Handelsvertrag mit Oesterreich abschließen zu können,
ist eine abermalige Verlaͤngerung des Provisoriums auf ein Jahr
— bis Ende Juni 1881 — in Aussicht genommen.
Der ruffische Reichskanzler Fürst Gortschakoff ist sehe
leidend; sein Zustand läßt das Schlimmste erwarten. Er ist ge⸗
horen am 16. Juli 1798, also fast 82 Jahre alt.
Im Kriege mit den Turkmenen scheinen sich die Rufsen,
den neuesten Rachrichten zufolge, strenge in der Defensive halten
zu wollen.
In Konstantinopel zeigt sich in Folge des Wahlsieges
der englischen Liberalen die Geneigtheit der Pforte, sich an Oester⸗
reich anzuschließen. Einflußreiche Staatsmänner befürworten als
Basis der Ailianz ein Abkommen bezüglich Bosniens, d. h. also
inen definitiven Verzicht des Sultans auf diese von Oesterreich
kkupirte Provinz
Vermischtes.
In Reinheim wird kommenden 1. Mai am Bahnhofe
ine Telegraphen⸗Station zur Beförderung von Privat⸗ Telegrammen
errichtet. Dasselbe geschieht gleichzeitig auch in Mittelberbach.
F Die baher. Remonie-Ankaufs⸗Kommission hat in Homburg
lund in Landstuhl 3 Pferde angekauft. Die Gesammtzahl der
iesmal in der Pfalz angekauften Pferde beträgt also bis jetzt
zjanze 9. Das Resultat von Frankenthal steht noch aus.
7'In Kaiserslautern habeu die Bierbrauer neuer⸗
zings wieder einen Versuch zur Erhöhung des Bierpreises auf 13
pf. per Schoppen gemacht; da sie sich aber nicht zu einigen ver⸗
mochlen, bleibt's vorerst noch beim Alten. Hier erweist sich also
zie Dreizehn für die Vrauer wirklich als „Unglücszahl“!
FIn Esthal bei Lambrecht sind am 7. ds. zwei Wohn⸗
zäuser abgebrannt.
Dieser Tage kam in eine Wirthschaft zu Oberweiler
im Thal ein Handwerksbursche und ließ sich einen Schnaps geben;
als er denselben getrunken, fiel er todt zur Erde. Der Schlag
jatte seinem Leben ein Ende gemacht. Da der Verlebte keinerlei
ßapiere bei sich führte, ist seine Versönlichleit bisher noch nicht
estgestellt.
F In einem Dorfe bei Saarbrüden sollte eine Hochzeit
zatifinden. Als der Hochzeitszug sich in Bewegung setzte, fing es
in zu regnen und der Brautkranz wurde von Regentropfen benetzt.
Als die Braut dies bemerkte, entlief sie und war nicht mehr zu
zewegen, zur Trauung zu gehen. Nach einem alten Aberglauben
hedeuten nämlich Thranen in den Brautkranz, Thränen in der Ehe.
Der bisherige Landgerichtsdireltor Petersen in Straß⸗
burg, ein geborener Pfälzer und während des 1. deutschen Reichs⸗
ags nationalliberales Reichstagsmitglied für Kaiserslautern, ist
zon dem deutschen Kaiser zum Senatzpräfidenten am Oberlandes-
zerichte Straßburg ernannt worden.
Das elsaß-lothringische Eisenbahnnetz hat einen
veiteren Ausbau zu verzeichnen, indem am 1. d. Midie Eisenbahn⸗
trecke von Teterchen bis Bous eröffnet und dem Verkehr übergeben
vurde. Die genannte Strecde bildet die Verlängerung der Linie
Metz · Courcelles⸗Bolchen · Teterchen und erreicht in Bous den An⸗
chluͤß an die Linie Saarbrücken-Saarlouis; auf diese Weise ist
ine direkte Verbindung zwischen Metz und Saarlouis hergestellt
ind der Weg über Remilly-St. Avold⸗Saarbrücken erheblich abge⸗
rürzt. Die neue Strecke hat weniger eine merkantile, als eine mi⸗
itarische Bedeutung, da sie die beiden Waffenpläze Metz und
Zaarlouis auf kürzestem Wege verbindet.
4 Ein für Rechnung eines Mainzer Kohlengeschäfts zu
damburg gebauter Schraubendampfer hat dieser Tage die Elbe-
nündung verlassen. Das Fahrzeug ist vorzugsweise dazu bestimmt,
hen Kohlentransport zwischen den Rheinhäfen Hochfeld. Duisburg
ind Ruhrort und den oberrheinischen Platzen Mainz, Mannheim,
dudwigshafen und weiter zu vermitteln. Dem Vernehmen nach
vird diesem Propellerschiff ein neuer eiserner Schleppkahn von
24,000 Cirn. Ladefahigleit zugesellt werden, so daß dieser Koloß
größer als alle bishetigen Rheinschlepper) im Stande ist, bei hin⸗
eigendem Wasser die ganze Tagesförderung einer der groößten
Zechen im Ruhrrevbier in einer Ladung aufzunebmen