St. Ingberlker Anzeiger.
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AM GlI. Samstag den 17. Apriii 1880.
Deutsches Neich.
In der Augsburger „Allg. Zig.“ wird der anfängliche Jah⸗
resertrag der Reich sstempelsteuer (die übrigens noch der
Genehmigung seitens des Reichstags bedarf) auf 20 Mill. Mark
berechnet. Die bayer. Staatskasse würde durch eigenen Einnahme⸗
wegfall ca. 900,000 Mt. einbüßen, jedoch durch Mehrung der
Einnahmen des Reichs an Matrikularumlagen um etwa 2,350,000
Mark entlastet werden, also effektiv ca. 11)3 Mill. M. profitiren.
Berlin, 14. April. Der dem Entwurf des Gesetzes über
die Reichsstempelabgaben beigegebene Tarif bestimmt für inländische
wie ausländische Werthpapiere 5 M., Interimsscheine über die
Finzahlung vor dem J1. Juli 1880 ausgegebener ausländischer
Werthpapiere 293 M., Lombarddarlehen 20 Pf. — Alles vom
Tausend; Schlußnoten, Rechnungen über Wechsel, inländische Werthe,
Waaren 10—50 Pf., über ausländische Werthe 20-25 Pf.;
Quittungen, Cheques 10 Pf.; Lotterieloose allet Art 5 Prozeni
dom Nennwerth.
Aus Berlin meldet man der „Allg. Z.“: Wie verlautet,
jat Fürst Ernst von Leiningen, der zum Commandanten des eng⸗
ischen Canalgeschwaders designirt ist, die Uebernahme des Com—
mando's der deutschen Kriegsmarine abgelehnt.
Der Kaiser soll dem RKeichstags -Präfidenten Grafen Arnim
gegenüber seine besondere Befriedigung über die patriotische Halt⸗
ung des Reichstages bei der Berathung der Militärnodelle zu
erkennen gegeben haben.
Reichstagssitzung vom 14. April. Zu einer Petition
bon Gemeinden Rheinhesssens und der preußischen Rheinpro⸗
oinz, betr. das Verbot der Einfuhr von Reben und Rebtheilen
hehufs Abwehr der Einschleppung der Reblaus, beantragt die Pe⸗
titions-Commission, dieselbe dem Reichskanzler zu überweisen mit
dem Ersuchen, daß ähnliche Bestimmungen wie im preußischen Gesetz
vom 27. Februar 1878, für das ganze Reich erlassen werden
Abg. Schröder (Friedberg) beantragt, statt für das ganze Reich“
zu setzen,, in den einzelnen Bundesstaaten“ — An der Debalte
betheiligten sich Dr. Buhl, Ackermann, Schulze⸗Delitzsch, Thilenius
und v. Lerchenfeld. Die Commissions⸗ Anträge werden angenommen
nebst einem Amendement Schulze's, dahin gehend: „Im Wege der
Reichsgesetzgebung den Verkehr von Reben und Rebentheilen, aus⸗
schließlich der Trauben, in den Gegenden des deutschen Reiches,
wo Weinbau getrieben wird, zu verbieten und das Zuwiderhandeln
mit angemessener Geldstrafe zu belegen. Unter dem Weinbau wird
die Cultur von Reben behufs Weinbereitung verstanden. Die be⸗
irlsweise Abgrenzung der dem Verbote zu unterstellenden Weinbau⸗
districte wird durch die betreffenden Landesregierungen bestimmt.“
Die Wuchergesetze Commission des Reichstages nahm am
14. April die Wuchervorlage, wie sie vom Bundesrath gefaßt ist,
mit ganz unwesentlichen Modificationen an. Ein beantragter, auf
Beschränkung der allgemeinen Wechselfähigkeit abzielender Zusatz ·
Baragraph gelangt in der nächsten Sitzung zur Berathung.
Die Reichsregierung beabsichtigt eine Abänderung der Be—⸗
ttimmungen der Gewerbeordnung über die Einsehung der Fabrit.
nspektoren.
Donnerstag, 15. April, fand im Reichstage die dritte
Berathung der Militär⸗Novelle und darauf die zweite Be⸗
cathung des Sozialistengesetzes statt.
Der Bericht über die vorgeschlagene Abänderung des Soci⸗
alistengese zes vom 21. October 1878 ist jetzt dem Reichstag
jugegangen. Referent ist Abg. Marquardsen don Erlangen. Be⸗
tanntlich handelt es sich hier hauptsuchlich um eine Verlangerung
der Geltungsdauer des Socialistengesetzes und wird dessen Charat
rer als Ausnahmegesetz festgehalten.
Man sieht dem Schlusse dieser Reichstags-Session für den
J. oder 8. Mai entgegen und hofft, bis dahin alle dringlichen
Sachen abgewicdelt zu haben.
Die Zunahme der deutschen Auswanderung trotz der
Besserung des heimischen Geschäftes läßt sich nur daraus erllären,
daß sich jenseits des Ozeans die Verhältnisse des Arbeitsmarktes
noch günstiger gestaltet haben als bei uns, und Dies ist auch
nicht auffallend. wenn man bedenkt, ein wie piel größeres Felsd
für neue Unternehmungen die Vereiniglen Staaten bieten, wie das
alte Europa. Es ist daher wahrscheinlich, daß die Auswanderung
nn den nächsten Jahren noch mehr zunehmen wird; indessen warni
die „Deutsche Gesellschaft der Stadt New⸗York“ ausdruͤcklich und
wiederholt vor der Einwanderung nicht gelernter Arbeiter. Es
ann nicht oft genug betont werden, daß für Gelehrte, Schreiber,
Handlungsdiener, Siudenten und Offiziere auch in den nächsten
Jahren in Amerika keine Aussicht ist.
Ausland.
Paris. Der „Temps“ versichert, Ministerpräsident Frey⸗
inet habe bis jetzt keinen Protest des h. Stuhles gegen die März⸗
»ekrete erhalten. — Da die Streichung des Kultusbudgets in der
Deputirtenkammer beantragt war, so beschloß die Subkommission
ür Vorberathung des Budgets, die verlangten Kredite im Prinzipe
zu genehmigen, um den im Konkordate eingegangenen Verpflich⸗
tungen nachzukommen, daran aber die Bedingung zu knüpfen, daß
der Klerus keine Feindseligkeiten gegen die Staatseinrichtungen an
den Tag lege. Einige wenig erhebliche Kreditforderungen wurden
ndessen von der Subkommission abgelehnt.
„Standard“ und „Daily Telegraph“ erfahren, das jetzige
englische (conservative) Cabinet werde in Folge des Wahlsieges der
eiberalen bald nach der Rückkehr der Konigin aus Deutschland, die
zu Ende dieser Woche erwartet wird, seine Entlassung nehmen. —
Die „Times“ meldei aus Kabul: General Roberis? ertlaͤrte den
versammelten Afghanen-Häuptlingen, die britischen Truppen würden
urückgezogen, sobald die Häuptlunge über die Ernennung eines
olchen Emirs einig seien, dessen Regierung voraussichtlich von
Dauer und England freundlich gesinnt sei.
In Madrid wurde am 14. April, früh 9 Uhr, der Atten⸗
arn Otero hingerichtet, ohne zubor ein Gestaͤndniß gemacht
zu haben.
Das türkisch montenegrinische Uebereinkommen be—
timmt eine zehntägige Frist für die Raäumung der an Montenegro
abzutretenden Gebietstheile Seitens der türlischen Truppen. die
nontenegrinischen Kommandanten sind von türkischer Seite 24
Stunden vorher von der Räumung eines jeden Punktes zu ver⸗
tändigen. Die türkischen Behörden stehen für die Ordnung in
den zu räumenden Oertlichkeiten nur bis zum Augenblick der
Räumung ein.
Die Reformen des russischen Diktators Grafen Loris⸗Meli⸗
low erstrecken sich nach Revision der Gefängnißzustände namentlich
auf die Hebung der Zivilverwaltung. Die Zivilgouverneure sollen
in Zukunft direkt mit den Ministern verkehten dürfen und nicht
nehr an die Militärgouverneure gewiesen sein. Gleichzeitig ist den
etzteren das Recht diskretionärer Ausweisung aus ihten Distrikten
entzogen worden. Man war dabei bisher in der Weise vorgegangen,
daß seit Dezennien mit der Motivirung durch administratide Er—
vägungen die irgendwie Mißliebigen einfach bei Nacht und Nebel
nifgehoben und nach Sibirien gefuüͤhrt wurden, wo ihnen der Staat
als Unterhaltsbeitrag monatlich sieben Rubel gewährte und sich
onst nichts um sie kümmerte. Allein aus Odessa waren in den
etzten Zeiten hunderte von Bürgern, Beamten und Lehrern auf
diese Weise entfernt worden. Daneben ist die Verfügung zu ver⸗
zeichnen, daß binnen 24 Stunden jeder Verhaftete verhört werden
nuß; außerdem hat General Loris die thörichten und sozial⸗nihilistisch
jefahrlichen Studentenheirathen verboten. Der Diktalor scheint der
Ubgrabung der nihilistischen Feuersbrunst wirklich auf der Spur
zu sein. Ob das Feuer nicht schon zu weit um sich gegriffen hat.
st eine andere Frage.
Laut Informationen des „Petersburger Herold' würde in
Turkestan, an der chinesischen Grenze ein russisches Obser⸗
ationskorps aufgestellt. Nach den chinesischen Gewässern sollen
mstatt fünf, zehn bis fünfzehn Kriegsschiffe abgehen.
Der Ausschuß des nordamerikanischen Repräsentanten⸗
auses für auswärtige Angelegenheiten nahm eine Resolution an,
vonach Präsident Hayes ermächtigt wird, Verhandlungen mit
Frankreich, Spanien, Oesterreich und Italien anzuknüpfen behufs
Jufhebuna da Beschränkungen für die Einfubt meilit