St. Ingberler Anzeiger.
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AM 68.
Donnerstaa den 29. April
Isq.
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Deutsches Reich.
Muünchen. Se. Maj. der König hat unterm 11. l. M.
genehmigt, daß für die 25 dienstältesten Auf schlagsbediensteten
dom 1. Januar 1880 an eine sechste Gehaltsklasse mit einem
hrlichen Hauptbezuge von 1200 Mt. gebildet werde.
Berlin, 27. April. Die Rationalliberalen und das Cen⸗
rum beriethen heute Abend über die Behandlung des Richter'schen
Antrags in Betreff des Tabakmonopols. Dr. Buhl beantragte:
„Uebergang zur Tagesordnung in Erwägung, daß in der letzten
Session bei dem Tabaksteuer-Gesetz ein Einvernehmen zwischen dem
Reichstag und dem Bundesrath über die Besteuerung des Tabaks
herbeigeführt worden sei und daß man erwarten müsse, das Ein—
zerständniß werde nicht wieder durch die Vorlage wegen Einführung
zes Monopols in Frage gestellt werden.“ (Centrum und National⸗
iberale sind nach der „Frkf. Z.“ diesem Antrag beigetreten.).
Berlin, 27. April. An Stelle des zur Disposition ge—
tellten Bezirkspräsidenten Lothringens, v. Reitzenstein, wurde Re—
gierungspräsident Flottwell in Marienwerder ernannt. (Fr. 3.)
Berlin, 27. April. Die Samoa vorlage wurde in zweiter
Lesung trotz wärmster Befürwortung des Staatssecretärs Fürst
Hohenlohe und des Geheimraths Reuleaur mit 128 gegen 112
Stimmen abgelehnt, womit das Gesez definitiv beseitigt ist. Cen—
trum und Fortschritt stimmten geschlossen dagegen.
Kaiser Wilhelm ist am Sonntag Abend von Berlin nach
Wiesbaden abgereist. Bei seiner Ankunft daselbst wurde er von
der Volksmenge enthusiastisch begrüßt.
Dem Reichstage liegt eine Regierungsvorlage vor, welche
die Besteuerung von, im Geschäftsleben umlaufenden Kapitalien,
jauptsächlich der im Bank- und Börsenverkehr umgesetzten Summen,
nn der Form von Stempelabgaben zum Gegenstande hat. Die
Koöln. Ztg.“ hebt sehr richtig hervor, daß, während beim Besitz⸗
vechsel von unbeweglichen Werthen (Grundstücken, Häusern u. s. w.)
Steuern in der Form von Stempelabgaben entrichtet werden müs—
en, das bewegliche Kapital keinerlei Abgaben unterworfen ist.
Diesem Uebelstande soll die Vorlage abhelfen. Wie bekannt, ist,
'obald es die Reichsfinanzen zulassen, eine Ermäßigung der direkten
Zteuern beabsichtigt und soll der Ausfall durch die bereits zur
Frhebung kommenden und die neuen indirekten Steuern gedeckt
verden.
Zum Antrag Richter gegen die höhere Besteuerung des Tabaks
und gegen Einführung des Tabakmonopols werden im Reichstag
wei motivirte Tagesordnungen von Dr. Buhl (national⸗lib.) und
Windthorst (Centrum) eingebracht werden, welche besagen, daß die
Majorität des Reichstags sich wiederholt gegen das Tabakmonopol
zusgesprochen habe und daß die vorjährigen Beschlüsse des Reichs—
ags über die Erhöhung der Tabaksteuer bezweckten, die Tabakin—
zustrie zur Ruhe kommen zu lassen.
Der Reichstag nahm am Montag mit 125 gegen 90
Stimmen den von der Gewerbeordnungs-Commission vorgeschlagenen
Hesetzenswurf über den Gewerbebetrieb der Schauspiel-Unternehmer
un. Darnach soll Schauspiel-Unternehmern die Erlaubniß zum Be—
riebe ihres Gewerbes versagt werden, wenn die Behörde auf Grund
»on Thatsachen die Ueberzeugung gewinnt, daß die Nachsuchenden
die erforderliche Zuverlässigkeit, insbesondere in sittlicher. artistischer
oder finanzieller Hinsicht nicht besitzen.
Es verlautet, im Reichstag werde wahrscheinlich (durch
den Abg. Völk) ein Antrag auf Herabminderung der zur Beschluß—
ähigkeit erforderlichen Abgeordnetenzahl für Abstimmungen ohne
‚efinitiven Charakter eingebracht werden.
Die Wehrsteuer-Vorlage wird der Auswanderung, die
»hnedies schon im laufenden Jahre weit stärker ist, als in den
Vorjahren, neuen Vorschub leisten. Jetzt werden nicht allein
zie jungen Leute auswandern, die sich der Wehrpflicht entziehen
voslen, sondern auch sehr viele Nicht-Pflichtige, welche die neue
Steuer als unbillig ansehen. Und wenn sich die Angehorigen nicht
ofort entschließen, mit in die Fremde zu gehen, so werden sie doch
päter, wie das in unzähligen Fällen erlebt ist, nachgezogen. Auf
die Auswanderungsstatistit der nächsten Monate darf man unter
diesen Umständen sehr gespannt sein Ob der Wehrsteuerenswurf
noch in dieser Session angenommen wird, ist dabei ziemlich gleich⸗
ziltig; schon die Drohung wirkt treibend zur Auswanderung.
General v. Treskow geht mit einem Gratulationsschreiben des
deutschen Kaisers nach Peters burg, ebenso begeben sich die Com⸗
mandeure der drei preußischen Regimenter, deren Chef Kaiser Ale—
cander ist, zur Geburtstagsfeier des Kaisers nach Petersburg.
Ausland.
Die Vertreter der Mächte haben heute der Pforte eine Collectiv—
iote überreicht, in welcher sie derselben nahelegen, daß es wünschens—
verth wäre, dafür zu sorgen, die gegenwärtig von den Albanesen
esetzten, an Montenegro abzutretenden Gebiete neuerlich mit tür—
ischen Truppen zu besetzen und dann die Uebergabe in der Weise
‚orzunehmen, wie sie in dem zwischen der Pforte und Montenegro
getroffenen Uebereinksmmen vorgesehen worden ist. (A. 3.—
Dublin, 28. April. In einem Hüttenwerk bei Sligo ent⸗
)eckte die Polizei eine große Menge Gewehre, Bayonette und Mu—
nition und nahm mehrere Verhaftungen vor. F
In der italienischen Kammer hat am Sonnabend bei
Helegenheit der Debatte über den Nachtragskredit von 89 Millionen
sum Kriegsbudget Herr Crispi einen „europäischen Krieg“ prophe—
zeit und er beantragte deshalb gemeinschaftlich mit Nicotera die
Vollendung der Heeresorganisation und die Durchführung aller Be—
estigungen bis zum Jahre 1883. Dieser Antrag wurde von der
talienischen Kammer einstimmig angenommen. In Wien wird
ieser italienischerseits in Aussicht gestellte „europäische Krieg“ wohl
venig Behagen erregen.
Vermischtes.
*St. Ingbert, 28. April. In heutiger Schöffen—
sitzung kamen folgende Füälle zur Aburtheilung. 1. Ein Bergmann
von hier erhielt wegen Körperverletzung 1 Monat Gefängniß. 2.
Fin Schmelzarbeiter von hier erhielt wegen desselben Vergebens 21
Tage Gefängniß.
Das Leinenzwirnerei⸗ Anwesen in Zweibrücken wurde
Ingenieuren Wirth und Koch in Neunkirchen um 65,000 M.
ugeschlagen.
F Der Vertrieb der Loose der für den Ausbau der Lud⸗
wigshafener katholischen Kirche bewilligten Geldlotterie warde den
den Gebr. Schuler in Zweibrücken übertragen.
F Die Mittheilung von der Einstellung des Vetriebes der
Zchmittgen'schen Cigarreufabrik in Oggersheim wird dahin
erichtigt, daß vom 1. Mai an eine Einschränkung der Arbeitszeit
eintritt.
F Ein Ballfest, welches der Geheime Commerzienrath und
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inem Abend der vergegangenen Woche in den Parterre⸗Räumlich—
eiten des Hotel „Kaiserhof“ zu Berlin veranstaltet hatte, be—⸗
chreibt der „Berliner Börsen-⸗Courier“ also: „Das Ballfest rivali—
irte mit den größten Bällen dieser Saison. Der große Saal des
aiserhofes, der Oberlichthof und die angrenzenden Nebenräumlich—
eiten waren zu dem Feste gemiethet und boten einen überaus rei—
jenden Anblick dar. Durch den Kunstgärtner waren die hohen und
uftigen Räume in Blumenhaine umgewandelt. Auf der Längs—
eite des Tanzsaales waren die mit Lorbeer bekränzten Marmor—
vüsten des Kaiserpaares auf einem Piedestal aufgestellt. Ganz von
sochstämmigen Orangenbäumen und Blattpflanzen verdecktt, war vor
der Spiegelwand die Musik-Estcade errichtet, auf der die Liebig'sche
dapelle die Tanzmusik erecutirte, während vis-à-vis ein behaglicher
zlatz, durch zierliche Blumenbougets hergestellt, die nicht tanzenden
zäste auf kleine Divans und Polstersitze zur gemüthlichen Plau—
erei einlud. Gegen 92 Uhr begann die Anfahrt der Eingeladenen,
ind bald waren die Räumlichkeiten von einer glänzenden Gesell—
chaft gefüllt, die sich aus den Kreisen der diplomatischen Welt, der
ristotratie und der Officiere zusammensetzte. Es waren üder 200
rintladungen ergangen, und beinahe so viel Gäste erschienen. Be—
ondere Aufmerksamkeit erregte die Tochter des Festgebers, eine
chlanke Gestalt mit interessanten Zügen, die Demjenigen, welchem
ie einnial Hand und Herz schenken wird, neben diesen, auch noch
indere unschäkßbare Güter“ in die Ehe hringen dürfte 2ählreid