Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberler Anzeiger. 
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AM 71. 
Dienstag den 4. Mai 
1880. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 1. Mai. Es heißt, Fürst Bismarck gedenke 
die Session des Reichsstags über Pfingsten hinaus auszudehnen, 
um die schwebenden Vorlagen, namentlich den Stempelsteuer- Ge⸗ 
setzentwurf erledigen zu lassen. Die Reichstagskommission für das 
Stempelsteuergesetz begann heute ihre Arbeit und hofft dieselbe im 
Laufe der nächsten Woche zu schließen. 
Berlin, 1. Mai. Der Ministerialrath Schneegans (Elsässer) 
ist zum Generalconsul in Messina ernannt worden und wird dem— 
nächst an seinen Bestimmungsort abgehen. 
Wie man hört, wird in Regierungskreisen bereits die Frage 
über den Zeitpunkt erörtert, wann im elsaß-lothringischen Landes— 
ausschuß der Gebrauch der französischen Sprache aufhören soll 
Ausland. 
Die französische Deputirtenkammer lehnte einen Antrag 
auf Zollfreiheit der Weine ab. 
In der am 1. Mai stattgehabten Sitzung des Armeeausschus—- 
ses der französischen Deputirtenkammer erklärte Kriegsminister 
Farre, daß die Regierung der Aufhebung des Einjährig-Freiwilli⸗— 
gen⸗-Instituts nicht zustimmen können, aber den Bestand der Ein— 
jährig⸗Freiwilligen auf die durchaus nothwendige Zahl beschränken 
werde. Der Ausschuß hält indessen an der Aufhebung des Frei— 
willigen⸗Instituts und an der Abkürzung der Dienstzeit auf 8 Jahre fest. 
Das italienische Abgeordnetenhaus hatte vor einigen Tagen 
dem Ministerium ein Mißtrauensvotum ausgestellt. In Folge 
dessen reichte dieses bei dem König seine Entlassung ein, die aber 
nicht angenommen wurde. Durch Dekret wurde vielmehr die Kam— 
mer aufgelösst und eine Neuwahl angeordnet. 
Der offizielle russische, Regierungsbote“ brachte noch keine 
Nachricht über die Arretirung des vermeintlichen Attentäters Sche— 
witsch. Den „Nowosti“ zufolge soll der englische Botschafter 
auf die bezügliche Anfrage seiner Regierung geantwortet haben, daß 
der Verhaftete sein Verbrechen bereits eingestanden habe. 
zermischtes. 
FSt. Ingbert. (Dr. Waltemath's Vortrag: Leben und 
Wirken der Deutschen in Rordamerika. Fortjsetzung.) Heutzuͤtage noch, m 
d., zeigen uns Nachkommen dieser Pfälzer in ehrenwerther Weise die deut— 
lichen Spuren ihres Ursprungs. Man muß in diesen Landen gereist sein, 
um sfich einer gewissen Rührung nicht erwehren zu können bei der Erinnerung 
der nach pfälzischer Art erhaltenen und im Laufe der Zeit mit dem eng 
lischen Element vermischten Aussprache. Sogar Zeitungen werden herausge⸗ 
geben in dieser höchst sonderbaren Sprache, welche ein Gemisch ist von Deut— 
schen mit englisch⸗amerikanischen Elemenien. So erscheint in diesem Dialekt 
eine Zeitung in Lankaster, in welcher wir beispielsweise etwa folgende An⸗ 
nonce lesen können: „Gestern ist mir eine Kau über die Fenz gejumpt; dem 
Wiederkätscher eine gute Riword“; gewiß ein ganzes Deutsch mit den eitichen 
englischen Wörtern „cow (tau) Ruh, sence Zaun, jump springen, cateh 
(katsch; fanjen und reward Belohnung.“ So ist in dieser Sprache und die— 
sem Volke aus der alten Zeit die guͤle Eigenthümlichkeit erhallten, daß man 
sich untereinander noch mit dem brüderlichen , Du“ anredet. Die Manier, 
welche die Deutjchen in späterer Zeit sich angeeignet und welche auch jetzt die 
Oberherrschaft besitzt, die Manier, zu anwesenden Personen so zu sprechen, 
als ob sic hei Seite stünden, nicht ais ob man ihnen Aug in Aug gegenüder 
staände, nämlich die 8. Person der Mehrheit Sie“ als Höflichkeitsform an⸗ 
zuwenden, diese Manier, sag ich, kennen sie nicht, und sie wollen sie nich! 
kennen, und sie haben Rechi. 
Etwa 100 Jahre später war eine zweite große Auswanderung nach 
Amerika, herbeigeführt durch andere Grunde. Die Auswanderer waren, um 
mich so auszudrücken, gezwungen, gegen ein wildjfremdes, ihnen bisher 
unbelanntes Land ihren trauten heimathlichen Herd zu vertauschen. Sie er⸗ 
innern sich wohl, m. H., jenes deutschen Spaziergängers nach Serakus, der 
unbefangen seinem Weg nachgehend, plößlich von Haschern des hessischen Land— 
grafen ergriffen und gefesselt von denselben fortgesuhrt wurde. Und warum? 
Aus dem einzigen Grunde, um dem Landgrafen Geld zu verdienen. Die 
armen Unglüudlichen wurden verkauft an die englische Regierung und diese 
transportirte sie in Masse nach Amerika zum Kapipfe gegen die 13 Vereinig⸗ 
ten Staaten, die sich empört hatten gegen das schwer auf ihnen lastende Joch 
der Engländer. — Welch traurxiges Vild dieser schrecklichen Zeit entwirft uns 
nicht Schiller in Kabale und Liebes! — Zu Tausenden waͤnderten in jenen 
Willkürzeiten die Deutjchen aus und ließen sich nie der an dem Hudsonssirom, 
in Telaware und New⸗Jersey, arbeiteten mühsam die düstern Urwälder um 
und schufen aus den unwirthiamen Gegenden lachende Gefilde, wo die Obst⸗ 
frucht gedeiht; vornehmlich die Pfirsich und die demsche Weinrebe erlangaten 
dort das Bürgerrecht. 
Dies, meine Herren, waren immerhin nur kleine Anstöße zu Auswander⸗ 
ungen, die nachfolgen sollten. Im Ganzen hat die Geschichte drei große 
Wanderungen germanijcher Stämme zu verzeichnen. (Fortsetzung folgt.) 
. St. Ingbert. Am Samstag Nachmittag wurde der 
13jährige Lateinschüler Scherff von einem Meißel, mit dem ein 
inderer Knabe an einem Schraubstock hantirte, so unglücklich in 
das rechte Auge getroffen, daß dieses wahrscheinlich für immer seine 
Sehkraft verloren hat. 
—“* Die Herren Gebr. Krämer dahier haben den Feuer⸗— 
wehren zu Ensheim und Heckendalheim für die thätige und 
erfolgreiche Mitwirkung bei Löschung des Brandes auf dem Ens— 
Jeimer Hofe (Eigenthum des Hin. Gustav Krämer) ein Geschent 
von je 200 M. gemacht. Ein Feuerwehr von Ensheim, der sich 
— 
eine besondere Gabe von 40 Mark. 
F. Im Jahr 1879 sind in der Pfalz 24 active und 19 
densionirte Lehrer gestorben. Das Durichschniltsalter der activen 
Lehrer ist 47,8 Jahre, der pensionirten 79 Jahre, das Gesammt— 
zurchschnittsalter 55,8 Jahre. 
F. Aus dem Staatsunterstützungsfonds für protestantische Cul— 
tusbauten erhielt u. A. die Gemeinde Kirkel-Neuhäusel einen 
Beitrag von 200 Mark zur Deckung der Kirchenbauschuld. 
Auch in Zweibrücken haben in den letzten Tagen 
mehrere Wirthe den Preis des Bieres auf 18 Pfennig per Schoppen 
erhöht. 
x Aus dem Bliesgau wird berichtet, daß auch dort an 
denjenigen Bäumen, denen es an Zugluft fehlte, namentlich den 
später blühenden Apfelsorten, der Frost seine Wirkung in verderb— 
sicher Weise geäußert hat, so daß viele derselben gar nicht treiben, 
schließlich absterben und durch den Ausfall des bstes der Land— 
mann in empfindlicher Weise geschädigt wird. 
FIn Oberauerbach wurde der Atkerer Phillipp Ho f— 
mann, von einem seiner Pferde derart geschlagen, daß er bald 
darauf seinen Geist aufgab. Hofmann, ein allseits geachteter und 
fleißiger Familienvater, hinterlaͤßt eine Witiwe mit 7 unmündigen 
Kindern. 
FOtterberg wird noch im Laufe dieses Monats einen 
Fröbel'schen Kindergarten erhalten. 
m Kaiserslautern, 1. Mai. Die Direction der pfälzischen 
Vahnen hat den Besuchern der 1. pfälzischen Ausstellung von Lehrlingsar⸗ 
beiten folgende Vergünstigungen bewilligi. Meister, Gesellen, Arbeiler und 
Lehrlinge, welche die Ausstellung besuchen, erhalten während der ganzen 
Dauer vom 9. -23. Mai 500/0 Fahrtaxermäßigung o. h ein einfaches Billet, 
welches zur freien Rüchfahrt am nämlichen Tage berechtigt, müssen aber an 
her Stationskasse zu ihrer Beglaubigung einen Schein des Ausftellungsaus⸗ 
chusses vorzeigen. Solche Scheine sind bei den Vorständen der in den stan⸗ 
onshauptorten gebildeten Nebenausschüsse kostenfrei zu erhalten. Das übrige 
Publikum genießt dieje Fohrtaxermäßigung nur an 8 Tegen, bri der Er 
zffnung am 9., bei der Nreisvertheilung am 23. und am 18. dem Tage, 
vo die Preisrichter zusammenkommen, unter der Bedingung, daß fie an der 
Bahnkasse auch ein Eintrittsbillet zur Ausstellung lösen. Alle größeren Sta⸗ 
tionen werden solche Eintrittsk rten verkaufen; wer aber von einer kleinern 
Station abfährt, hat sein Billet im Bahnhof Kaiserslautern abstempeln zu 
sassen, damit es zuce freien Rückfahrt berechtigt. Ferner ist für alle Aus— 
stellungsgegenstände frachtfreier Rücktransport bewillizt, wenn sie wieder mi 
einer Bescheinigung vom Hauptausschusse versehen sind. 
F. Die Kammgarnspinnerei in Kaiserslautern hatte 
im verflossenen Betriebsjahr einen Bruttoverdienst von 1,210,943 
M. und nach Abzug aller Kosten einen Reingewinn von 932699 
M. erzielt. Für jede Aktie (1000 fl.) entfällt eine Dividende von 
300 M. — 1712 80. 
f In Kaiserslautern wurden auf freiwilliges Anstehen 
5Aktien (à 1000fl.) der dortigen Kammergarnspinnerei zur Ver—⸗ 
teigerung gebracht, für welche der Betrag von 17,350 Mgeboten 
wurde; resp. 2Aktien brachten je 3463 Mt., zwei andere je 3470 
Mk. und die letzte 3480 Mt. Hiezu kommen noch die Verstei⸗ 
gerungskosten, welche ca. 64Mk. pro Attie betragen. Weitere 8 
Aktien gingen bei dieser Gelegenheit ebenfalls zu je 3470 Mk. in 
anderen Besitz über. 
-— Ein Bierstreit ist in Kaiserslautern nicht nothwen— 
dig geworden, indem das Bier in den meisten Schanklolalen nach 
wie vor um 12 Pfennig per Schoppen verzapft wird. 
(Hühner⸗Zwillinge.) Als Seltenheit wird der „Pf. V.“ 
mitgetheitt, daß in Kaiserslautern ein Huhn aus einem 
Fi zwei Küchlein ausgebrütet hat.