Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberker Anzeiger.“ 
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Dienstag den 18. Mai —1880. 
Deutiches Reich. 
Munchen, 14. Mai. Man spricht von einem neuerlichen 
Wechsel in der Person des Chefs des königlichen Kabinets und 
zringt Tieß mit dem Rudhart-Vorfall in Verlin in Zusammen— 
saug. Thatsache ist, daß seit Verlegung des kgl. Hoflagers nach 
Schloß Berg, also seit 3 Tagen, Ministerialrath v. Ziegler wieder 
dort weilt und im Kabinet arbeitet. 
Während es bisher hieß, daß das Entlassungsgesuch des bay— 
ischen Bevollmächtigten zum Bundesrath Herrn v. Rudhart be— 
reits bewilligt sei, verlautet jetzt, daß die Entscheidung, um den 
Vorgang weniger auffällig zu machen, bis zum Herbst vertagt 
verden soll. Herr v. Rudhart wird daher in diesen Tagen, wie 
zfljährlich, seinen Sommerurlaub antreten und erst beim Wieder— 
usammentritt des Bundesraths im Herbst sein Entlassungszesuch 
rneuern. Daß man sich alle Mühe gebe, ihn von seinem Ent— 
chlusse abzubringen wird zwar erzählt, indessen auch mit voller 
Bestimmtheit hinzugefügt, daß Herr v. Rudhart nicht daran enke, 
sein Amt wieder anzutreten. 
Der Bundesrath lehnte am 13. Mai den Beschluß des 
Reichsstags, betr. die Abänderung der Bestimmung des Zoll— 
arifgesetzes über die Ausfuhr von Mehl aus fremdländischem Ge— 
reide, ab und beschloß das Regulativ für Privat-Transitlager don 
Betreide, behielt sich aber die Beschlußfassung über die Orte, an 
denen Transitlager überhaupt zulässig sein sollen, vor. 
Der Bundesrath wird vor seiner Vertagung nur noch über 
die vom Reichstag beschlossenen Vorlagen, über den Anschluß von 
Altona an das Zollgebiet und über die Ausführungsbestimmungen 
zum Tabaksteuergesetz Beschluß fassen. Die Berathung der Wehr- 
teuervorlage wird erst im Herbst stattfinden, da nach der neuen 
veschäftsordnung zur Beschlußfassung über Gesetzentwürfe die An— 
vesenheit der Minister der Vundesstaaten erforderlich ist. 
Der Reichskanzler Fürst Bismarck wird, wie das „Teutsche 
Mont.⸗Bl.“ aus zuverlässiger Quelle erzählt, Berlin nicht vor 
Mitte Juni verlassen und sich dann direkt nach Kissingen zur Kur 
degeben. König Ludwig von Baiern hat dem Fürsten bereits 
mittheilen lassen, daß er ihm ebenso, wie in den früheren Jahren, 
vährend seines Aufenthaltes in Kissingen daselbst königliche Equi— 
dagen zur Verfügung stelle. 
Anderweitigen Mittheilungen gegenüber wird berichtet, daß 
ine Verstärkung des 15. (elsässischen) Armeekorps nicht beabsichtigt 
st, wie denn dieses Armeekorps, von der Neuorganisation nur 
ehr wenig berührt werden dürfte: nur eine verstärkte Rekrutirung 
oll eintreten 
zierzahl auf Schiffen feststellende Gesetz wurden gegen die Kapitäne 
olgender Dampfer Haftbefehle erlassen: „Suevia,, „Amsterdam,“ 
Mosel,“ „Viking,“ „Rhein,“ „Baltimore,“ „Hohenstaufen,“ 
„Ohio,“ „Velgenland,“ „Helvetius,“ „Herder,“ „Celtic,“ „Der— 
»nia,“ „City of Richmond.“ Der Kapitän des „Rhein“ ist be— 
reils verhaftet, die übrigen werden sofort nach ihrer Ankunft ver— 
yaftlet werden. Die amerikanischen Behörden sind entschlossen, dem 
Unwesen, eine die gesetzliche Zahl weit übersteigende Meuge Aus— 
wvanderer an Bord zu nehmen, mit allen Mitleln entgegenzutreten. 
Vermischtes. 
*St. Ingbert, 12. Mai. In heutiger Schöffensitzung 
wurden folgende Fälle abgeurtheilt: 1. Eine Frau von St. Ingbert 
erhielt wegen Diebstahls eine Gefängnißstrafe von 2 Tagen. 2. 
Lin Vursche von Hüttersdorf wegen desselben Vergehens eine solche von 
1 Tag. Zwei Fälle mußten behufs Vorführung der Angeklagten 
ausgesetzt werden. 
f Ueber die Ausstellung von Lehrlingsarbeiten in Kaisers— 
lautern schreibt die „Sp. Z.“: Die meisten Lehrlingsarbeiten 
in unserer Ausstellung stehen in Bezug auf Qualität über dem 
nittleren Durchschnitte, ja es sind solche vorhanden, die man fast 
Meisterwerke“ nennen möchte. Das Preisgericht hat denn auch 
einige derselben beanstandet und wird sich noch weiter von der 
virklichen Leistungsfähigkeit der betreffenden Lehrlinge zu überzeugen 
uchen. Der Speyerer Gewerbeverein hat den lobenswerthen Be— 
hluß gefaßt, allen ausstellenden Speyerer Lehrlingen auf Ver— 
angen die Reise nach Kaiserslautern zum Zwecke der Besichtigung 
zer Ausstellung zu vergüten. Wir glauben, eine solche Besichtigung 
önnte auch manchem Meister nichts schaden! 
F In Kaiserslautern ist der protestantische Decan 
Vogt gestorben. 
F Speyer. Hr. Reg.-Präsident v. Braun hat den na— 
urgesch. Sammlungen im Realgymnasium einen von ihm selbst 
m Revier Schaidt erlegten weißen Rehbock zum Geschenk gemacht. 
Der durch den Brand in Baumholder verursachte 
cchaden wird auf 1*92 Millionen Mark veranschlagt. 
F Der dentsche Kaiser hat für die durch das Brandunglück 
in der Stadt Baumholder Beschädigten und Verunglückten 
eine Beihilfe von 1900 M. aus seiner Chatoulle bewilligt. 
fF In Karlsruhe fand unlängst ein Knabe Banknoten 
'm Werth von 1000 Mark und brachte sie seinen Eltern. Diese, 
in ärmlichen Verhältnissen lebend, unterscheigen die Summe. In 
Folge dessen wurde der Vater zu sechs Monaten Gefängniß ver— 
urtheilt. 
PAugsburg. Am 30. d. M. feiert, laut Mittheilung 
des „Schwäb. Merk.,“ der Reichs⸗ und Landtagsabgeordneter Dr. 
Völk sein 25jähriges Abgeordnetenjubiläum. Am genannten Tage 
im Jahre 1855 wurde derselbe nämlich vom Wahlkreis Günzburg 
n. D. zum ersten Mal in die bayrische Abgeordnetenkammer gewählt. 
F.Konig Ludwig und die neue Orthographie. Der diesmalige 
Aufenthalt des Königs Ludwig in Münschen hat zur neuesten 
heschichte der deutschen Orthographie eine kleine pikante Anekdote 
zeliefert. In einem dem König zur Unterschrift vorgelegten Ver— 
retungsakt war das Wort „Rat“ ohne den jetzt offiziell verpönten 
Buchstaben „h“ geschrieben; die aus dem Kabinet zurückgekehrle 
ürkunde trug bei jenem Wort den weggelassenen Schlußbuchstaben 
in sehr kräftiger Handschrift hinzugesugt. Danach zu schließen, 
heilt Koͤnig Ludwig enkgegen der Rechischreibungsordnung der 
Herren v. Lutz und v. Puttkamer mit dem Reichskanzler wie einige 
indere, so auch die Ansichten über deutsche Orthog aphie. 
Das Fest der Vollendung des Kölner Tomes soll An— 
anqgs September 1880 stattfinden. 
F Der Stabstrompeter von Mars-la⸗Tour. Der ehemalige 
AV 
»eging vor einigen Tagen sein 25jähriges Dienstjubiläum, bei welcher 
velegenheit ihm von vielen Seiten Ovationen dargebracht wurden. 
Bei einer am Abend veranstalteten Familienfeier fiel den zahlreichen 
hästen eine total zerschlagene, mit Beulen bedeckte Signalkrompete 
nuf, die inmitten eines Lorbeerkranzes an der Wand hing. Der 
Ausland. 
Aus Frankreich wird gemeldet: Die Arbeitseinstellungen 
m Departement du Nord nehmen einen bedrohlichen Charakter an. 
zin Roubaix hatten sich am Abend des 13. Mai mehrere Tausend 
Manner, Weiber und Kinder auf dem Boulevard de Paris ver— 
ammelt. Von dort zog eine Schaar Arbeiter unter Absingung der 
Marseilleuse und unter Geschrei und Drohungen zum großen Platze, 
vo gelärmt und getobt wurde. Die Mairie wurde durch Gendar— 
nen und Chasseurs zu Pferde geschützt. Nach Ankunft eines von 
'ille herbeigerufenen Bataillons wurde ein Cavalerie-Angriff auf 
ie tobende Menge ausgeführt; die Arbeiter zogen sich zurück, 
ehrten aber unter wüthendem Geschrei wieder, und erst um Mit— 
ernacht wurden die Massen zerstreut. Eine Anzahl von Fenstern 
ourde eingeschlagen. Die Aufregung ist groß. Nach Roubair 
vurde ein Bataillon Chasseurs zur Verstärküng geschickt. (K. 3.) 
In dem englischen Industriebezirke Blackburn haben nicht 
veniger als 25,000 Weber die Arbeit eingestellt, um eine 53 pCt. 
rohnerhöhung zu erzwingen. Man glaubt, daß sich die Zahl der 
Strikenden noch vermehren wird. 
Nach der Deutsch-Russischen Correspondenz hat die russische 
stegierung die auf 12 Millionen Rubel veranschlagten Arbeiten 
zur Verstärkung der Festungen an der österreichisch-preußischen 
zrenze in Folge friedlicher Gestaltung der politischen Verhälinisse 
wischen Rußland und Deutschland — Oesterreich eingestelli. 
New-VYortk, 14. Mai. (Maßregeln zum Schutze der 
Zchi fspassagiere, Wegen Zuwiderhandelnz gegen das die Passa⸗—