Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberker Anzeiger. 
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M 9. Donnerstag den 15. Januar 
18sq. 
Deutsches Reich. 
Mäunchen, 13. Jan. Am kgl. Verwaltungsgerichtshof, 
und zwar im ersten Senat desselben unter Vorsitz des Präsidenten 
p. Feder, kam heute zum ersten Mal eine Beschwerde aus der 
Pfalz zur Verhandlung, nämlich die Beschwerde, welche der 
GGastwirih F. Braun in Wolfftein, Bezirksamt Kusel, gegen die 
Enischließkung der Kreisregierung der Pfalz vom 5. September 
1879, betreffend die bei dem Anwesen des Braun in Wolfstein 
abzweigende, gegen die Obergasse führende Passage. Braun be⸗ 
chwerte sich deshalb, weil die Kreisregierung, ebenso wie die erste 
Juͤstanz (des Bezirksamts) ausgesprochen hatte, daß die fragliche 
Passage ein öffentlicher Weg, nicht aber, wie Braun behauptet, ein 
„rivater sei. Der Beschwerdeführer war in heutiger Sitzung durch 
hen Anwalt Rüdiger von Kaiserslautern, der Gemeinderath von 
Wolfstein durch den Anwalt Louis von hier vertreten; beide plä— 
zirten in sehr eingehender und gründlicher Weise. Oberstaatsan⸗ 
walt Haud beantragte, die Beschwerde als unbegründet zu ver— 
verfen. Die Verkündung des Urtheils des Gerichtshofes wurde 
auf nächsten Dienstag vertagt. 
Die Abgeordnetenkammer lehnte mit allen Stimmen der rechten 
Seite des Hauses gegen die Stimmen der lieberalen Partei den 
Zuschuß zur Jubelfeier der Universität Würzburg (die Regierung 
derlangte zu diesem Zwecke 20,000 M.) nach dreistündiger leb⸗ 
hafter Debatte ab. In der Sitzung vom Dienstag verlas Abg. 
Schels eine Interpellation, durch welche er Auskunft darüber be— 
zehrt, warum das Gesetz über die provisorische Steuererhebung noch 
iicht publizirt sei, und welche Hindernisse der Publikation noch im 
Wege stehen. Bei der Fortsetzung der Kultusetatsberathung wurde 
zer Ausschußantrag, betr. die Aufhebung des Lyzeums in Speyer 
don Ostern ab, angenommen. 
Der 13. Januar bildete in dem 700sten Gedenkjahr der 
wittelsbachischen Herrschaft über Bayern bereits ein be⸗ 
sonderes Dalum. Am 13. Januar 1180 wurde und zwar auf 
etzt bayerischem Gebiet zu Würzburg Heinrich der Löwe von Kaiser 
Friedrich J. seiner beiden Herzogthümer Bayern und Sachsen ent⸗ 
etzt. Die in demselben Jahre erfolgte Einsetzung des Hauses 
Wittelsbach auf den bayerischen Herzogstuhl bildet dann das eigent⸗ 
ich historisch wichtige Datum, von dem ab die Geschicke Bayerns 
mit denjenigen des genannten erlauchten Hauses 7 Jahrhunderte 
unzertrennlich verbunden geblieben sind. 
Nach der „Kreuzztg.“ beabsichtigt der Reichskanzler, beim 
Bundesrathe und Reichstage eine Erhöhung der Besoldung des 
Staatssecretärs des auswärtigen Amtes zu beantragen. Bisher 
dezog der Staatssecretär ein Gehalt von 388.000 Mark; dasselbe 
oll auf 60,000 Mark gebracht werden. Dabei herrscht Not hstand 
in den verschiedenen Gegenden des deutschen Reiches! 
Ausland. 
Gambetta wurde wieder zum Präsidenten der französischen 
dammer gewählt. 
Der neue französische Kriegsminister General Farre hat das 
Beispiel seines Collegen Finanzministers befolgt und einstweilen mit 
einem Schlag die sämmtlichen Directoren im Kriegsministerium 
hrer Stellen enthoben, um sie durch andere Männer zu ersetzen, 
deren Republikanismus ihm verlässiger dünkt. Auch in der Prä⸗ 
fectutverwaltung treten bedeutende Veränderungen ein; dieselben 
detreffen 17 Präfecten, 50 Unterpräfecten und 64 Präfecturräthe. 
Der Kampf zwischen Montenegro und der albanesischen 
Liga scheint sich allen Anzeichen nach zu einem sehr blutigen zu 
gestalten. Der Fürst von Montenegro hat die Vertreter der Groß⸗ 
mächte von seinem Entschlusse in Kenntniß gesetzt, mit Aufbietung 
aller seiner Kräfte sich Genugthuung für die Gebietsverletzung durch 
die Albanesen zu verschaffen. Und diese sind ihrerseits entschlossen, 
mit ihrer ganzen waffenfähigen Mannschaft den Kampf gegen ihre 
oerhaßten Nachbarn aufzunehmen. 
An der Goldküste von Afrika haben die Engländer von den 
»ortigen Negerhäuptlingen neue, nicht unbedeutende Gebiete erwor⸗ 
zen, die für ihren Handel von um so größerer Vedennn sind al3 
sie an der See liegen. So dehnt sich der schon gegenwärtig un⸗ 
geheure englische Besitz an Lolonien immer mehr aus. 
Vermiischtes. 
* St. Ingbert, 14. Jan. In heutiger Schöffen- 
zitz ung kamen folgende Fälle zur Verhandlung: 1) Drei Per⸗ 
onen von Dampflor erhielten wegen Hausirhandels mit Holz⸗ 
vaaren ohne Patent je 18 Mk. Geldstrafe. — 2) Sechs fremde 
dandwerksburschen erhielten wegen Bettelns Haftstrafen von 1-3 
Tagen. — 3) Zwei weitere Handwerksburschen erhielten wegen 
dandstreicherei und Bettelns 29 und bezw. 60 Tage Haft und 
vurden der Landespolizeibehörde überwiesen. — 4) Ein weiterer 
dandwerksbursche erhielt wegen Sachbeschädigung 8 Tage Gefäng- 
uiß (Er hatte einem in betrunkenem Zustande wegen Wiedersetzlich⸗ 
eüen geschlossenen Kameraden die Schließlette resp. das Schloß 
erbrochen) und wegen Bettelns 8 Tage Haft. — 5) Weiter wurde 
in Handwerksbursche ˖ wegen groben Unfugs zu 21 Tagen und 
vegen Bettelns zu 8 Tagen Haft verurtheilt. (Eine schöne 
Follection von Lumpen war, welche die Gendarmerie aufgegriffen und 
vorgeführt hatte und ist nur zu wünschen, daß sie so fortfährt, 
»amit endlich dem überhandnehmenden Häuserbettel gesteuert wird.) 
— 6) Gegen einen Bürger von hier wurde das Verfahren wegen 
Berkehrsstörung ausgesetzt, zur Führung des Entlastungsbeweises. — 
7) Behufs Vorführung des nicht erschienenen Angeklagten wurde 
ine Sache wegen Diebstahls ausgesetzt. 
Zur Schöffensitzung am 21, Januar haben als Schöffen 
u erscheinen die Herren: Oskar Kiefer, Hüttenbeamter zu St. 
Ingbert, Jacob Schmitt, Schreiner zu Ensheim. 
* St. Ingbert, 14. Januar. Die am 12 djss. durch Herr 
Rückert aus Mainz ersteigerte Bierbrauerei St. Ingbert, ging heute 
zurch Kauf an die Herren Gebr. Beder hier um denselben 
Zteigpreis von 27, 400 Mt. übert. 
* Die Kälte ist seit einigen Tagen wieder im Zunehmen 
egriffen. Nach Professor Klinkerfueß in Göttingen, der schon 
eit längerer Zeit vom wissenschaftlichen Standpunkte aus Wetter⸗ 
xrognosen stellt, haben wir eine neue Frostperiode zu erwarien. 
Wünschen wir, daß der Weiterprophet diesmal unrecht behält und 
vir vor einer Wiederkehr der sibirischen Temperatur des vorigen 
Monats bewahrt bleiben. 
Wegen des bekannten Einöder Neujahrsscandals waren 
wei Fabrikarbeiter verhaftet, von denen jetzt einer eingesteht, den 
»ödtlichen Stich geführt zu haben, so daß die Entlassung des Andern 
uus der Haft entweder schon erfolgt ist oder doch bevorstehen dürfte. 
In Ruppertsweiler brannte am Abend des 11. Januar 
ein Wohnhaus mit Stallung nieder, wobei fünf Stücke Rindvieh 
imkamen. Im Orte ist keine Feuerspritze. 
*In Katzweiler brannten in der Nacht von Samstag auf 
Sonntag vier Häuser nieder. 
* Gestorben: in Waldmohr am 13. Januar der dortige, 
auch in weiteren Kreisen bekannte Steuer- und Gemeinde⸗Einnehmer 
Johann Bergmann. 
Neustadt. F. Heckel und O. Ottimann dahier haben 
ein Patent auf einen Apparat zur Darstellung von Leuchtgas er⸗ 
halten. 
— Wie seiner Zeit mitgetheill, wurden mehrere Personen von 
Diedesfeld, Maikammer und Edesheim, wegen Spielens mit Kar⸗ 
en, die noch den bayerischen Stempel trugen, zu Geldstrafen ver⸗ 
artheilt. Aus bester Quelle wird der „Gegenwart“ mitgetheilt, 
daß jene Strafen auf dem Gnadenweg erlassen worden sind. (Man 
ündige aber nicht darauf. Die Nachsicht wurde geübt, weil da⸗ 
nals der neue Kartenstempel noch nicht lange eingeführt war. 
Frankenthal. J. Göhring dahier hat ein Patent 
auf Neuerungen in der Construction von Dampfkesseln mit ranch⸗ 
derzehrender Feucrung erhalten. 
4 Speyer. Die Schiffbrücke bei Maxau ist wieder aufge— 
ahren, der Verkehr dort wieder frei. Die Herstellung der hiesigen 
Zchiffbrücde verzögert sich noch. Auch die Fähre bei Rheinhausen 
st wieder im Gang, was fur die hiesigen Markt- und Geschäfts⸗ 
derhältnisse immerhin beachtenswerth ist. 
J ZDearl. J“ Idet, ist an Samstang Abend in