Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St Ingberler Anzeiger. 
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As2. 
α 
Sonntag, den 23. Mai 
18sq. 
Deutsches Reich. 
Der Kaiser von Oesterreich ist am Mittwoch von München 
wieder nach Wien abgereist. 
Am Donnerstag hat das preußische Abgeordnetenhaus seine 
vährend der Dauer des Reichstags unterbrochenen Sitzungen wieder 
aufgenommen. Dem Haus ist durch den Cultusminister sofort der 
angekündigte „Gesetzentwurf über die Abänderung von kirchenpoliti— 
schen Gesetzen“ zugegangen. Derselbe enthält 11 Artikel. Einst⸗ 
weilen heben wir als einen der wichtigsten den Art. 4 aus; der⸗ 
selbe lautet: „Einem Bischof, welcher auf Grund des 824 u. ff. 
des Gesetzes vom 12. Nai 1873 durch gerichtliches Urtheil aus 
seinem Amt entlassen worden ist, kann vom König die staatliche 
Anerkennung als Bischof seiner früheren Diöcese wieder ertheilt 
werden.“ Nicht minder wichtig ist Art. 5; derselbe lautet: „Die Ver— 
solgung von Zuwiderhandlungen gegen die Strafbestimmungen der Ge⸗ 
setze vom 11., 12. u. 13. Mai 1873, 20. und 21. Mai 1874 und 
22. April 1875 findet nur auf Antrag des Oberpräsidenten statt. 
Die Zurücknahme dieses Antrages ist zulässig.“ Und endlich auch 
Artikel 10 sei der Beachtung empfohlen: „Die Minister des Inneren 
und der geistlichen Angelegenheiten find ermächtigt, die Errichtung 
neuer Niederlassungen von Genossenschaften, welche im Gebiete der 
preußischen Monarchie gegenwärtig schon bestehen und sich aus— 
ichließlich der Krankenpflege widmen, zu genehmigen, auch wider⸗ 
ruflich zu gestatten, daß die gegenwärtig bestehenden weiblichen Ge⸗ 
nossenschaften, welche ausschließlich der Krankenpflege sich widmen, 
die Pflege und Unterweisung von Kindern, die sich noch nicht im 
schulpflichtigen Alter befinden, als Nebenthätigkeit übernehmen. 
Reu errichtete Niederlassungen unterliegen der Aufsicht des Staates 
in Gemäßheit des 5 8 des Gesetzes vom 31. Mai 1875 und können 
durch königliche Verordnung aufgehoben werden. Der Krankenpflege 
mm Sinne des Gesetzes vom 31. Mai 1873 ist die Pflege und 
Unterweisung von Bunden, Tauben, Stummen und Ididten sowie 
zefallene Frauenzimmern gleichgestellt.“ 
Am 19. Mai präsidirte der Reichskanzler der Sitzung 
der Bundesrathsausschüsse für Handel und Verkehr und Zoll-und 
Steuerwesen, — in welcher die Referenten über die Frage der 
Finverleibung Altona — St. Pauli in das Zollgebiet Bericht er— 
tatteten. Wie verlautet, wurde beschlossen, beim Bundesrath den 
Antrag zu stellen, von dem Anschluß St. Paulis an das Zoll⸗ 
gebiet Abstand zu nehmen, dagegen die nöthigen Vorkebrungen für 
den Anschluß Altonas zu treffen. 
Ausland. 
Die griechische Regierung hat wegen der Bewegung in 
Albanien Truppenzusammenziehungen an der türkisch⸗griechischen 
Grenze und in Korfu angeordnet. 
Der russische Botschaster Fürst Orloff, ist jetzt nach 2 Mo⸗ 
naten seit dem Hartmann'jschen Allentate, wieder nach Varis au⸗ 
rückgekehrt. 
Daß der drohende Konflikt zwischen Rußland und China 
eventuell auch deutsche Interessen in Mitleidenschaft ziehen könnte, 
ist leicht ersichtlich. Der Weser⸗Zeitung zufolge beabsichtigt nun 
unsere kaiserliche Marine die deutschen Kriegsschiffe der ostasiatischen 
Station, sobald die krieg drohenden Verhältnifse zwischen China und 
Rußland einen ihrem Anscheine nach ernsteren Eharatter annehmen, 
durch Zusammenziehung der übrigen deutschen überseeischen Sta— 
tionen zu verstärklen. Für alle Edentuglitaten sollen wahrscheinlich 
„Hertha“ und „Leipzig“ sich zugleich nach den chinesischen Ge— 
vassern begeben. Ein Krieg Rußlands mit China würde wahr⸗ 
cheinlich eine Blokade Seite ns des ersteren Staats aller an der 
hinesischen Küste belegenen großen Handelsstüdte zur Folge haben, 
vodurch der englische überseeische Handel in erster Linie, der 
neutsche in zweiter Linie, wie auch der dänische, franzoͤsische und 
amerikanische arg geschaädigt werden würde 
Bolkszühlung in Deutschland statt. Man will diesmal damit 
zleichzeitig eͤne Zählung der landwirthschaftlichen Besitzungen, des 
Ziehstandes und noch andere ähnliche Ermittelungen vornehmen, 
im so ein möglichst getreues Bild unserer nationmen und wirih— 
chaftlichen Zustände herstellen zu können. 
F Die „Kais. Z.“ schreibt: Herr Regierungspräsident v. Braun 
beehrte am Donnerstag die hiesige 1. pfälz. Ausstellung von Lehr— 
ingsarbeiten mit seinem Besuch; derselbe trit bereits in den nächsten 
Tagen eine Reise nach München an und ist daher verhindert der 
im Sonntag den 23. d. Mts. Statt findenden Preisvertheilung 
»ersönlich beizuwohnen. 
f Lambrecht. Reich mit Blumen geziert wurde am 
Vfingstmontage in den Wirthschaftslokalitäten dahier der alljährlich 
iach Deidesheim zu liefernde Geisbock gezeigt. Die bestehenden 
lßorschriften sind gewissenhaft erfüllt. Tie Begleitung durch den 
üngsten Bürger unterbleibt seit einigen Jahren. Deidesheim gibt 
ich zufrieden, wenn Hirt und Bock am Pfingstdienstag bei Sonnen⸗ 
nufgang dorten ihren Einzug halten. Der Hirt wird sodann mit 
inem Käsebrod und einer Flasche Wein wieder abgeschickt. Die 
gemeinde Lambrecht hat das Weiderecht im Deidesheimer Walde. 
Vor einigen Jahren strengte Deidesheim einen Prozeß an, wonach 
s dieses alte Recht als verfallen erklärt wissen woute. Lambrecht 
vurde aber dennoch das Weiderecht zugesprochen, und der Gegner 
nahm dadurch Revanche, daß die durch den Prozeß während 7 und 
bJahren gestörte Bocklieferung näachträglich ausgesührt werden 
nußte. Es wurden nun 7 und bezw. 4 Böcke nach Deidesheim 
jesandt, die auch wirklich von den Buͤrgern der verschiedenen Jahr- 
zänge das Geleit erhielten. (Pf. Pr.) 
Speier. (Sp. Ztg.) Der hiesige Mackler Johann Rei⸗ 
hert, welcher früher Afrika bereiste und päpftlicher Soldat war, 
ühlte mit dem begonnenen Frühjahr wieder eine unbezähmbare 
VBanderlust. Vergangene Woche hat er Speier verlafsen, ohne das 
ziel seiner Reise anzugeben, und es wird angenommen, daß er 
ich nach Amerika eingeschifft habe. Eine Frau, zwei Kinder und 
ine Anzahl Gläubiger weinen ihm nach. Aus einer größeren 
zumme Geldes, welches er für ein Geschaͤftshaus einkassirte be⸗ 
estand sein Reisegeld. 
Nach vjähriger Pause hat am Pfingstmontag in Ober⸗ 
ummergau Oberbayern) wieder eine Passions-Vorstellung Statt 
zefunden. In Bezug auf Dekorationen und namentlich Kostüme 
vurde diesmal großer finanzieller Aufwand gemacht. Der Zudrang 
)er Besucher war so stark, daß das Spiei gleich am Dienstag 
viederholt werden mußte. Das Hauptkontingent der Zuschauer 
ieferte England; ein Unternehmer hat sogar ein englisches Hotel 
n Oberammergau eingerichtet. Das Theater faßt ca. 6000 Per⸗ 
onen. Ueber die Darstellung gehen die Ansichten auseinander; 
»och scheint bis jetzt diejenige vorwiegend, welche behauptet, daß 
einzelne mit neuen Kraften besetzte Solopartieen außerordentlich 
diel zu wünschen ließen und daß die naibve Darstellung fast durch⸗ 
veg auch ein naives Auditorium voraussetze; einen künstlerischen 
Maßstab dürfe man nicht anlegen. Immerhin aber sei dies Spiel 
tellenweise von großer erbaulicher Wirkung. Von den 1260 Ein— 
vohnern des Ortes sind 700 bei der „Passion“ als Mitspielende 
bdetheiligt; die übrigen sorgen um gutes Geld für Quartier Speise 
und Trank. 
F.Gesunder Durst.) Ein Bauer in Schillings fürst (Bayhern) 
rank kürzlich um eine Wette von 50 M. zu gewinnen innerhalb 
3 Stunden 64 Schoppen Bier. 
F Reichsrath Freiherr v. Cramer⸗Klett hat zu der am 19. 
Nai in München eröffneten Sammlung für die Wittelsbacher 
Stiftung einen Beitrag von 10,000 M. gespendet. 
. In Barmen beziffert sich die Zahl der an Trichinose 
Erlrankten bereits auf 150. 
F Alle Strikenden in Rheims (Frankreich) haben ihre 
Arbeit wieder aufgenommen; die Patrone versprachen ihnen, daß, 
jalls die Arbeit 8 Tage lang fortgesetzi werde, sie die Reklamationen der 
Arbe iter bezüglich der Lohne ernstuͤch in Erwägung ziehen würden 
F Die neueste Tollheit Pariser Modenartrinnen 
ist. das Haar in Streifen weiß. roth, schwarz, gelb zu färben und 
Vermikchtes. 
St. Ingbert, 22. Mai. Gestern Nachmittag wurde 
der Fortbildungsschüler Ber zel so unglüdlich überfahren, daß 
ꝛx einen Beinbruch und schwere Verletzungen am Kopfe erliti. 
dWie belannt, findet am 1. Drcember d. J. eine allgemeine