St. Ingberler AAnzeiger.
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M 87. Dienstaa, den 1. Juni
1880.
Deutsches Reich.
Der bayerische Landtag soll nach den jetzigen Bestimmungen
am 1. Juli wieder zusammentreten.
Fürst Hohenlohe wird wahrscheinlich nach von Seiten
des Fürsten Bismark erklärter Ablehnung dem zu Berlin zusam⸗
mentretenden Botschaftercongreß präsidiren.
Im preußiischen Abgeordnetenhaus begann am Freitag die
erste Lesung der kirchenpolitischen Vorlage. Kultusminister von
Puttkamer empfahl in ausführlicher, sehr großer Rede den Ent—
wurf, der von dem früheren Kultusminister Falk energisch be—
kämpft wurde. Der Redner der Konservativen sprach für die Vor—⸗
lage, während Windthorst-Meppen (Zentrum) sich dagegen erklärte.
Am Samstag folgte Fortsetzung der Debatte. Nachdem Zedlitz—
Neukirch für die Vorlage unter zeitlicher Beschränkung gesprochen,
erklärte der Kultusminister, nichts gegen Amendirungen zu haben,
'ofern dieselben prinzipiell nichts ändern. Der Minister lehnte
zie weitere Veröffentlichung amtlicher Aktenstücke ab, da die vor—
gzelegten zur Klarstellung der Sachlage genügten. Gegenüber den
Ausführungen Falk's betont der Minister, daß das wohlwollende
der Handhabung des Gesetzes vom Entgegenkommen der Kirche
abhängig sei, und bestreitet entschieden, daß der Gesetzentwurf ein
bedenkliches Schwanken der Auffassung von der Souveränetät des
Staates bedeute, ebensowenig sei ein schwächliches Zurückweichen
oom bisherigen Standpunkte zu denken, vielmehr eine unveränder⸗
iche Aufrechthaltung der bestehenden Gesetze angezeigt. Das
Staatswohl erheische eine weitherzige Beurtheilung der im Land
herrschenden Schäden. Im entschiedenen Gegensatz zu Falk sage
er, auch im Falle einer Ablehnung der Vorlage könne der Vortheil
nicht aus der Welt geschafft werden, welcher durch deren Einbring⸗
ing verursacht; es wurde hierdurch die Ueberzeugung verbreitet,
die Regierung habe ihr Möglichstes gethan, um dem Lande den
Frieden wieder zu geben. Die Debatten endeten mit Verweisung
der Vorlage an eine Commission von 21 Mitgliedern. Dagegen
stimmten die Nationalliberalen fast geschlossen, sowie die Fort⸗
chrittspartei.
In Bundesrathskreisen erwartet man die Einbringung der
Vorlage über die Verlegung der Elbzollgrenze nach Curhafen
noch im Laufe dieser Woche; es scheint, daß der Reichskanzler für
diese seine Vorlage eine Majorität im Schooße des Bundesrathes
finden wird. — Vor seinem Auseinandergehen wird der Bundes—
rath sich noch nicht mit dem vom Reichstage angenommenen Gesetze
betreffs der Beschränkung der Theaterfreiheit zu beschäftigen
haben. Die Stimmung im Bundesrathe geht dahin, noch weitere
Hutachten über diese Angelegenheit einzuholen, ehe darüber end—
zültig entschieden werden kann.
Ausland.
Die Beziehungen zwischen Frankreich und Rußland,
die für Deutschland unter Umständen gefährlich werden könnten
und die in Folge der von Rußland geforderten, von der fran—⸗
zösischen Regierung aber verweigerten Auslieferung des Nihilisten
Hartmann einige Zeit gespannt waren, beginnen sich wieder zu
nessern. Der Kaiser von Rußland hat nämlich durch den russischen
Botschafter in Paris der französischen Regierung seinen Wunsch
ausdrücken lassen, daß die Beziehungen zwischen Frankreich und
Rußland so herzliche und innige werden mögen, wie sie vorher
varen.
Die spanischen Nachrichten lassen das Land als vor einer
aeuen Revolution stehend erscheinen.
Die Nachkonferenz, welche die europäischen Mächte auf
Frankreichs Anregung abhalten wollen, um in Sachen der Gebiets-
hereinigung zwischen der Türkei einerseits un Griechenland
and Montenegro anderseits endgiltige Regelung herbeizuführen,
oll schon am 15. Juni in Berlin zusammentreten.
Vor einigen Tagen waren in Petersburg in einem Nihi⸗
listen Prozeß 2 Todesurtheile und gegen mehrere Personen schwere
Freiheitsstrafen ausgesprochen worden. Nun wurden auf dem
Wege der Gnade die Todesurtheile aufgehoben und in Freiheits-
trafen umgewandelt, während auch die Strafen der übrigen Ver—⸗
artheilten bedeuͤtend gemindert wurden. Es ist diese Strafmnderung
ein neuer Beweis von der geschickten Versöhnungspolitik des Dik⸗
ators Grafen Loris-Melikeff.
Vermischtes.
*St. Ingbert. Gereinswesen.) Am Sonntag hat sich
dahier zur Pflege des kath. Kirchengesanges ein Cäcilienverein
ebildet. — Der hiesige Zweigverein des Pensionsvereins „Ba⸗—
aria“ wählte in seiner gestern Abend stattgehabten Generalper⸗
ammlung da der bisherige Vorstand und Rechner, Herr Ein—⸗
tehmer Hartmann resp. Herr Stadtschreiber Bayer, freiwillig zu—
ückgetreten waren, an deren Stelle als Vorstand Hrn. Lehrer Drumm
ind als Rechner Hrn. Lehrer Samter. — Der Arbeiterbildungs-
erein veranstaltet für seine Mitglieder nächsten Sonntag eine
nusikalisch⸗theatralische Abendunterhaltung.
F In Ommersheim bei Bäcker Adam Kihm gebar eine
kuh ein Kalb von netto 100 Pfund, welches durch die Kunsthilfe
»es Thierarztes Assel von Ensheim zur Welt gebracht wurde. (3. 3.)
F Auf der Streckke Langmeil-Münchweiler wurde
im Donnerstag ein 70jähriger Mann, der unter der Barriere
urchgeschlüpft war, von der Locomotive erfaßt. An seinem Auf—-
ommen wird der „Pf. Pr.“ zufolge gezweifelt.
F In Kaiserslantern beschloß das Localcomite für die
Wittelsbach-Stiftung, dem auch der Bezirkßamtmann Schmitt an-⸗
gehört, die Sammlung von Haus zu Haus mittelst geschlossener
züchsen ohne schriftliche Aufzeichnung der einzelnen Beiträge vor—
iehmen zu lassen, damit, entsprechend dem Willen Sr. M. des
dönigs, der Sammlung der Charakter der Freiwilligkeit gewahrt
verde, indem dann Niemand weiß, wie viel Jeder gibt.
F Die „Pf. Pr.“ berichtet über einen im Staatswalde und
war im Reviere Imsbach ausgebrochenen Waldbrand, der ca. 115
Tagwerk 25⸗jährigen Fichten- und 15-iährigen Buchen⸗ und Eichen⸗
destand zerstörte.
— Die Neustadter „Bürgerzeitung“ erhält folgendes originelle
Inserat: „Ankündigung. Ich Heinrich Weintz von Neustadt a. H.
jabe einen Schuh erfunden, welcher den Holzschuh niederdrückt;
er ist stark und kräftig und für der Volker Wohl. Hiervon setzte
ch Fabrikanten in Kenntniß; wer mir die Idee mit 1000 Mk.
ezahlt, kann sie haben. Für die volle Wahrheit stehe mit meinem
cẽhrenwort ein. Weintz, Schuhmacher.“
F In Eschbach fiel am 27. d. ein 7jähriges Mädchen
rücklings in einen unbedeckten Ziehbrunnen. Ein in der Nähe
vohnender Schmied sah es und rettete selbst mit eigener Gefahr
die Unglückliche vor dem Ertrinken.
FIn Freinsheim kommen die Kirschen bereits so
massenhaft zum Markt, daß schon am Donnerstag 30 Centner
dieser Frucht per Bahn verladen werden konnten.
Der ehemalige bayerische Reichscandidat Heinrich Hammel
ius Grünstadt, welcher jüngst zum Notar in Sundhausen im Elsaß
rnannt wurde, betheiligte sich im Jahr 1848 am pfälzischen Auf⸗
tand und wurde zum Tod verurtheilt. Er begab sich als Flücht⸗
ing nach Amerika und später nach Paris. Wie die „Pf Pr.“
nernimmt, soll Herrn Hammel durch Verwendung des Fürsten
dohenlohe der Eintritt in den Dienst des Reichslands erleichtert
vorden sein.
FIn Billigheim wird vom 1. Juli ab eine Postexpe⸗
ition in's Leben treten.
— Der durch seine Reisen in Afrika bekannt gewordene Dr.
Friedrich Mook aus Bergzabern ist, dem „S. W.“ zufolge,
um Besuch in seiner Vaterstadt eingetroffen.
F In Eisenberg wurde durch Bohrversuche eine sehr feine
Thonerde entdeckt, die eine bedeutende Mächtigkeit haben soll.
FMainz, 28. Mai. Ein junger Mann von hier, welcher
n England in Condition stand, hat dort sich eine Unterschlagung
on 390,000 Mk. zu schulden kommen lassen. In Begleitung
ines jungen Mädchens hat er das Weite gesucht und wird nun—
nehr polizeilich verfolgt.
FGWittelsbacher Jubiläumsfeier.) Der Se—
nat der Universität München hat beschlossen, das 700jährige Ju⸗
ziläum des Wittelsbacher Fürstenhauses wegen der Ferien, in welch⸗