Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberler Anzeiger. 
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M OA. Donnerstag, den 10. Juni 
1880. 
Deutsches Reich. 
Hr. v. Rudhart, welcher am 7. Juni in Müunchen ein⸗ 
traf, wurde sofort nach Schloß Berg beschieden und noch am 
Abend von Sr. Maj. dem König empfangen. 
Die in Würzburg tagende Wanderversammlung der bayerischen 
Landwirthe wählte Speyer zum nächstjährigen Versammluͤngsort. 
Freiherr v. Thüngen-Roßbach sprach sich gegen die Gesetzentwürfe 
des Finanzministers v. Riedel über die Reform der directen Steuern 
aus. Die Versammlung nahm den gegen diese Entwürfe gerich— 
teten Antrag v. Thüngens an und waͤhlte eine Commission zur 
Ausarbeitung von Detailvorschlägen, bestehend aus v. Thüngen, 
Baron Lerchenfeld und Dr. Buhl. Der Minister des Inneren boe 
Pfeuffer protestirte gegen v. Thüngens Aeußerung, „die Beamten 
trügen alle Schuld an der schlimmen modernen Gesetzgebung“, und 
gegen seine Angriffe auf den abwesenden Finanzminister, woraus 
er die Versammlung verließ. Unter den Anwesenden befand sich 
Prinz Ludwig. 
Der Bundesrath hat am Dienstag unter dem Vorsitz des 
Reichskanzlers in erster Berathung mit großer Stimmenmehrheit 
den Antrag Preußens, betr. die Einverleibung der Unter-Elbe in 
das Zollgebiet, angenommen. 
Der deutjche Kaiser begibt sich voraussichtlich am 18. Juni 
nach Ems. 
vollem Halse an um Hilfe zu schreien, worauf er aus der Zelle 
befreit und das schon weit vorgeschrittene Feuer gelöscht wurde. 
FGeachtenswerth für Denunzianten.) Zufolge An⸗ 
zeige des Daniel Braun, Tüncher in Godelhausen, wurde Ludwig 
Jakob, Wirth und Krämer dorisselbst, wegen Schießens in gefähr⸗ 
icher Nähe von Gebäuden vom kgl. Amisgericht Kusel zu 3 M. 
Heldstrafe verurtheilt. Hiergegen erhob Wirth Jakob rechtzeitig 
Einspruch, der sich in der Sitzung des kgl. Amtsgerichts Kusei 
vom 29. Mai als gerechtfertigt darsiellte, weßhalb die Freisprech⸗ 
ung erfolgte. Dagegen wurden die sämmtlichen Kosten, weil die 
Anzeige sich als eine wider besseres Wissen gemachte, zum Wenigsten 
Wer auf grober Fahrlässigkeit beruhende herausstellte, dem Anzeiger 
Daniel Braun zur Last gelegt auf Grund des F501 der St.« P.⸗O. 
F Am 29. Mai wurde eine Frau aus Heimkirchen auf 
dem Felde von einer giftigen Schnake am Arm gestochen und ist 
am 4. Juni unter den groͤßten Schmerzen gestorben. 
F Am 6. waren in Neust adt die pfalz. Notare versammelt, 
um über Fragen aus dem Gebührenwesen zu verhandeln. Fast 
alle Notare der Pfalz waren bei der Versammlung anwesend. 
F In Friesenheim wurde am Samstag ein des Rau— 
bes und Raubmordes verdächtiger Bursche aus Lampertheim ver— 
haftet. Derselbe lockte einen jungen Mann in ein nahes Wäld⸗ 
hen, versetzte ihm drei lebensgefährliche Stiche und wurde an der 
Ausübung des Raubes nur durch die Dazwischenkunft mehrerer 
Leute gehindert. 
FIn Landanu hat am 7. Juni die Prüfung für das Ge— 
richtschreiberamt begonnen; es sind 89 Candidalen hierzu eingetroffen. 
F Das Münchener Oberlandesgericht hat die Revisions⸗ 
beschwerde der Würzburger Staatsanwalischaft in dem bekannten 
Amselprozeß als unbegründet zurückgewiesen, also das erst richter— 
liche freisprechende Uriheil bestaͤtigt. 
J Oberammergauer Pafssionsspiel. Der Zudrang zu 
der Sonntagsvorstellung war ein so enormer, daß auf Montag 
eine zweite Vorstellung anberaumt werden mußte. Der am Samstag 
von München nach Murnau abgegangene Extrazug war 37 Wagen 
tark und ganz besetzt. 
F Auf Zeche Neu-Iserlohn bei Dortmund ereignete 
sich ein großes Grubenunglück; bereits sind Todte am Tage. 
F In der Gegend von Warburg (Westphalen) sind zwei 
Förster des Frhrn. d. Wrede auf einem Pürschgang durch ihr Revier 
von Wilddieben meuchlings erschossen worden. 
Bei Oelsnitz GSachsen) brennt im Steinkohlenwerk 
„Deutschland“' ein Flötz, welches bei einer Teufe von 800 Metern 
ꝛeine Mächtigkeit von 5,5 Meter hat und infolge dessen dem ge⸗ 
waltigen Elemente solche Nahrung gibt, daß es sehr fraglich erscheinen 
dürfte, ob man im Stande sein wird, überhaupt dem Brande Ein— 
halt zu thun. 
In Weimar hat am 3. Juni ein Vater im Streit mit 
seinem Sohne wegen eines Pferdehandels diesen durch einen Messer— 
stich getödtet. Der Mörder Karl Freitag aus Hardisleben, 55 
Jahre alt, hat die Flucht ergriffen. Der Getödtete war 27 Jahre alt. 
F In einem in Berlin zur Verhandlung gekommenen 
großen Meineidsprozeß wurden die zwei Haupthelden jeder zu 15 
Jahren Zuchthaus verurtheilt; ein anderer bekam 7 Jahre. 
— Eine vollständige Revolution im Mühlengewerbe steht bevor. 
Bisher wurden aus Feuersteinen zusammengesetzte Mühlsteine Frank— 
reichs als beste Mahlwerkzeuge benutzt.“ Nuͤn ist es aber einem 
hemaligen Zöglinge der Potsdamer Gewerbeschule, Fabrikant Buch— 
jolz in Charlottenburg, im Verein mit dem Zimmermeister Gieß⸗ 
nann in Demmin gelungen, aus einer Art porösem Porzellan einen 
Stein herzustellen, welcher Resultate erzielt, die von französischen 
Steinen nicht zu erreichen sind. 
FDie Eröffnung der Vesuvbahn hat, wie telegraphisch 
Jemeldet wird, am letzten Sonntag statigefunden. Bei dem zur 
Feier der Eröffnung veranstalteten Baukete, an welchem etwa 180 
Personen, darunter die Spitzen der Behorden, Theil nahmen, brachte 
der Konzessionär Oblight einen Toast auf die Kronprinzessin des 
deutschen Reiches, die erste Dame, welche die Bahn benutzt hat, 
aus. Der Toast wurde mit stürmischem Beifall aufgenommen. 
Ausland. 
Der belgische Vertreter beim Vatican ist abberufen. (Es 
ist das die Folge der die widersetzliche Haltung der belgischen Bischoöfe 
gegen das Schulgesetz billigenden Aeußerung Leos XIII) 
Die Englander haben die unangenehme Entdeckung gemacht 
daß die Kosten des afghanischen Krieges sich viel höhrr belaufen. 
als sie geschätzt hatten. Es wird nicht viel an 10 Milllonen Pfund 
Sterling — 209 Millionen Mark fehlen — allerdings ein an⸗ 
itändiges Sümmchen. 
Von der russisch⸗chinesischen Grenze sind der Deutsch⸗ 
Russ. Corr. zufolge beunruhigende Rachrichten eingetroffen. Truppen⸗ 
ansammlungen seitens der Chinesen finden statt und ein Angriff 
wird ohne vorherige Kriegserklärung erwartet. 
Ehicago. (Republitkanische Konvention.) Im 36. Wahl—⸗ 
gang wurde Garfield zum Präsidentschaftscandidaten der repu⸗ 
blikanischen Partei ernannt. (Die zähe Ausdauer der Gegner 
Grant's war also schließlich doch von Erfolg gekrönt. Garfield 
lam wohl durch ein in letzter Stunde zu Stande gebrachtes Com⸗ 
promiß zur Stimmenmehrheit; in der 209. Abstimmung am 7. Juni 
Abends hatte er nur 2 Stimmen.) 
Pfälzisches Schwurgericht. 
II. Quartal 1880. 
8. Juni. Verhandlung gegen Karl Klein, 20J. alt, lediger Tag— 
ner vom Wiesenthaleéerh'o fe bei Kaiserslautern, wegen Vornahme 
unzuchtiger Handlungen mit Gewal't. Versreler der kgl 
Staatsbehörde: Staatsanwalt KRiefsfer; Vertheidiger; Rechtskandidat 
Schuler. 
v auf diesen Fall kann der Natur der Sache nach bei öffentlicher 
Besprechung nicht näher eingegangen werden. Der Angeklagte ist vollständig 
geständig. Dem Antrage der Vertheidigung gemäß verneinten vie Geschwo⸗ 
renen die auf gewaltsame Vornahme uͤnzuͤchtiger Handlungen gerichtete 
Frage und bejahten nur die auf Vornahme unzüchtiger Handlungen an Kin— 
dern unter 14 Jahren, jedoch ohne Annatume mildernder Umslände. Tas 
Urtheil lautete aufz Fahre Zuchthaußs. 
Vermischtes. 
In Schnappbach ergab die Sammlung für die Wit— 
telsbacher Landesstiftung Mk. 46,10 und in Blieska stel ca. 
260 M. 
Ein von dem Distriktsausschuß Zweibrücken ange⸗ 
schaffter als zur Instandhaltung der Wege besonders warm empfoh⸗ 
lener sogenannter Weghobel hat den gehegten Erwartungen nicht 
entsprochen; derselbe versagte schon dei der erften Poobe den 
Dienst. 
f Ein, in der „Kohlenkammer“ des Stadthauses in Pir—⸗ 
masen internirter Handwerksbursche stedte am Abend des 7. 
ds. das in seinem unfreiwilligen Aufenthalte aufgehäufte Brenn⸗ 
material in Brand. Als die Flamme emporloderie, fing er aus