Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Sl. Ingberler Anzeiger. 
Der. St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöcheutlich mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
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M 94. 
Sonntag, den 13. Juni 
1880. 
Deutsches Reich. 
Die am Donnerstag von der Kirchengesetz-Kommission 
des preußß. Abg.⸗-Hauses vorgenommene 2. Lesung hatie das 
Endergebniß, daß das ganze Gesetz in der Schlußabstimmung mit 
13 gegen 8 Stimmen (Konservative und Freikonservative) abge— 
lehnt wurde. Die Nationalliberalen hatten in einer Besprechung 
mit den Konservativen und Freikonserbativen vor dem Beginn der 
Sitzung deren Kompromißänträge abgelehnt. 
Der deutche Kaiser und die Kaiserin treffen sich am 19. d. 
in Düsseldorf zu kurzem Besuch der Ausstellung. 
Ausland. 
Die indirecten Steuern Frankreichs ergaben für den 
Monat Mai 1880 einen Ueberschuß von 8,327,000 Fres. im 
Vergleich zu dem Voranschlag des Budgets. Der Totalüberschuß 
für die fünf ersten Monate des Jahres beträgt 52,983, 000 Fics. 
Meldung des Reuter'schen Bureau's aus Simla. General 
Stewart gab Befehl, daß die britischen Truppen sich so rasch 
als es möglich und mit Aufrechterhaltung eines guten Gesundheits- 
zustandes verträglich sei, aus Afghanistan zurückziehen sollten. Ka— 
bul soll spätestens am 31. October geräumt sein. Es heißt, 
Gundamuk und Shutargardan bleiben die äußersien Posten, welche 
die Engländer beseßt halten. 
zringende Unternehmen nicht nach? Sind unsere herrlich gelegenen 
Punkte des Haardtgebirges, Annweiler, Edenkoben, Neustadt, Dürk⸗- 
heim, das Alsenzthal, der Donnersberg u. s. w. nicht so viel werth, 
daß sie den Bewohnern der Vorderpfalz durch eine billige Fahrge— 
legenheit zugänglich gemacht werden? Ich und mit mir wohl sehr 
viele sind gegentheiliger Ansicht und glauben, daß die Direktion 
der pfälzischen Bahnen sich den Dank der Bewohner der vorderen 
Pfalz erwerben würde, wenn sie sich durch dieses bestimmen ließe, 
einmal einen Versuch mit einem Extrazug mit billiger Beförderung 
u machen. Wohl weiß ich, daß man mir entgegnen wird, dieser 
Versuch sei schon gelegentlich der in Kaiserslautern stattgehabten 
andwirthschaftlichen Ausstellung gemacht worden und habe zur 
Genüge die Erfolglosigkeit dieses Unternehmens nachgewiesen, allein 
dem gegenüber muß ich bemerken, daß damals ersiens ungünstiges 
Wetter herrschte, zweitens die Ausstellung für die Mehtrheit der 
Bewohner der Pfalz kein besonderes Interesse erregte und daß drittens 
Kaiserslautern an und für sich wenig aufzuweisen hat, das eine 
besondere Anziehungskraft besäße. Lasse man einmal einen Zug 
nach einem der obenbezeichneten Punkte gehen, und man wird eine 
ganz andere Erfahrung machen. 
FIn Zweibrüdcen und den dazu gehdsrigen isolirt ste⸗ 
jenden Anwesen ergab die Sammlung zu der Wittelsbacher Landes⸗ 
tiftung die Gesammtsumme von 2054 Mt. 77 Ppf. (Pf. 3.) 
F Die „Zw. Zig.“ berichtet untern 11. Juni aus Zwei— 
brücken: Gestern Abend hier eingetroffener Nachricht zufolge 
vird das 2. Jäger-Bataillon am 1. April 1881 bon hier nach 
Afchaffenburg verlegt werden und dafür ein Bataillon des (späteren) 
18. Infanterie-Regiments von Germersheim hierher kommen. 
F Am vergangenen Sonntag Abend fand in Großstein— 
)ausen ein Attentat aus Eiferjfucht statt. Ein junger Bursche 
»on dort war bei einer an diesem Tage gehaltenen Tanzmusik auf 
eine Tänzerin eifersüchtig geworden, weil sie sich beim Nachhause— 
gehen seine Begleitung verbeten hatte. Zur Rache hiefür schoß nun 
der Beleidigte mit einer Pistole, in die er eine Kugel geladen, 
durch ein Kammerfenster auf das ruhig in seinem Betie schlafende 
Mädchen. Glücklicher Weise fuhr die Kugel, ohne dasselbe zu be— 
chädigen, in die Wand der Kammer. 
F. In Sitters bei Obermoschel fiel eine 70jährige Wittwe 
so unglücklich von ihrer Scheuer herab, wohin sie sich begeben hatte 
um Hühnereier zu suchen, daß sie einen Arm und ein Vein brach. 
f In Bliesmengen verlor ein 20jähriges Mädchen ein 
Auge, indem ihr beim Kartoffelhacken ein Sieinchen gegen das 
Auge fuhr und die Hornhaut zerslörte. 
Wie dem „Dürkh. Anz.“ mitgetheilt wird, wurde dem 
Wirthe Konrad Schick in Weisenheim a. S., welcher im Januar 
d. J. durch das Dürkheimer Schöffengericht wegen Spielkarlencon— 
travention zu einer Geldstrafe von 500 Mark verurtheilt wurde, 
diese Strafe durch die Gnade Sr. Maj. des Königs auf 10 Mark 
ermäßigt. 
In München ist ein aus Kirchheimbolanden ge— 
bürtiger Student im Duell schwer verwundet worden. 
F Die Errichtung eines humanistischen Gymnasiums in Nesu⸗ 
ttadt a. H. wurde allerhöchst genehmigt. 
Aus Baumholder wird geschrieben: Vor dem Brande 
im 8. Mai hatte Baumholder auf 273 Besitzungen 253 Wohn⸗ 
Jäuser, 23 gewerbliche und 365 landwirthschaftliche Gebaude. Da— 
von liegen in Schutt und Asche: 139 Besitzungen, und zwar 134 
Wohnhäuser, 7 gewerbliche und 211 landwirthschaftliche Gebäude. 
Es stehen also noch 119 Wohnhäuser, 16 gewerbliche und 154 
iandwirthschaftliche Bauten, in welchen die 1700 Einwohner mit 
hrem Viehbestand zusammengedrängt leben! Die Versicherungsge⸗ 
ellschaften haben ihre Abschaßungsarbeiten nahezu beendigt. Das 
Ergebniß ist noch nicht ganz bekannt. 
F In Hof ist ein Braäugehilfe an Gehirnlähmung gestorben; 
derselbe hatte in Folge einer Wette um 50 Pfg. einen Liler Schnaps 
in kurzer Zeit ausgetrunken. 
F Vom 17.—19. Juli findet in Dres den der XI. deutsche 
Feuerwehrtag statt. 
* In Steiermark iß ein Gendarm von Zigeunern. 
Pfälzisches Schwurgericht. 
II. Quartal 1880. 
(Fall Till mann Fortsetzung.. Die Anklage richtet sich also gegen 
Michael und Karl Tillmann auf das Verbrechen vdes betrügerischen Banque— 
rotts und gegen die beiden anderen Angeklagten auf Beihilfe dazu. 
Ferner liegen dem Angeklagten Michaei Tillmann drei Verbrechen der 
Privaturkundenfälschnung zur Last, die jedoch nicht in eigentlichem Zusammen— 
hang mit dem vorerwähnten Verbrechen stehen. Im October 1876 kam er 
nämlich zu dem jetzt verstorbenen Ackerer Georg Philipp Berkel in Schiffer— 
stadt und bat ihn um ein Gefälligkeitsaccept, welches ihm dieser auch auf 
2000 M. gewährte, nachdem er sich anfänglich geweigert hatte. Nach Auf⸗ 
stellung der Anklage war der Wechsel, auf den genanater Verkel sein Accept 
setzte, noch unausgefüllt und trug nur oben rechts die Wechselsumme 2001 
M. Diese soll Michael Tillmann nachträglich in 8000 M. umgeändert und 
den Wechsel auch dem entjsprechend ausgefülit haben, ohne daß genannter 
Berkel etwas davon gewußt hätie. — Kußerdem soll er im März 1876 zwei 
Wechsel über 4090 resp. 4357 M., beide datirt vom 26. Mai 1876 und 
J. Fischer“ unterschrieben, fälschlich angefertigt und selbst mit genannter 
Unterschrift versehen haben. Der Träger des Namens —der unterdessen 
ebenfalls verstorbene Lehrer Johann Fischer von Schifferstadt — bestritt in 
der Sitzung des kgl. Handelsgerichts Frankenthal vom 30. September 1876 
auf's eneraischste die Echtheit dieser Unterschrift. (Fortj. folgt.) 
Vermischtes. 
F Vorsicht bei Empfehlungen von Arbei— 
ternund Dienstboten. Es geschiehtnicht selten, daß bei 
Austritten von Arbeitern, Dienstboten u. dal., trotzdem Grund zur 
Unzufriedenheit vorliegt, denselben ein gutes, empfehlendes Zeug— 
niß ausgestellt wird, wobei oft ein Zug von Gutmüthigkeit eine 
Rolle spielen mag. Nun ist neulich die Meldung zu lesen gewesen, 
daß ein Arbeitgeber, der von einem ihm empfohlenen Untergebenen 
betrogen oder bestohlen wurde, gegen den früheren Broͤdherrn 
desselben, der ihm ein günstiges Jeugniß ausgestellt, obwohl er 
sich erwiesenermaßen Veruntreuungen haule zu Schulden kommen 
lassen, auf Schadenersatz klagbar geworden.“ Das Gleiche wird 
jetzt von Frankfurt berichtet, wo ein Bäckergeselle seinem Meister, 
dem der frühere Arbeitgeber den untreuen Gesellen als treu empfoh⸗ 
len hatte, Kundengelder unterschlug. Der Bestohlene ruft nämlich 
gegen Jenen, der dem Gesellen ein gutes Zeugniß ausstellte, die 
Gerichte an. Man wird daher gut thun, bei Ausstellung von 
Führungs-Attesten dem Zuge des Herzens oder anderen Motiven 
Schweigen zu gebieten und streng der Wahrheit die Ehre zu geben, 
um Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen. 
Ausder Pfal z. Die Direktion der badischen Eisen⸗ 
bahnen veranstaltet in neuerer Zeit wiederholt Extrazüge nach ver⸗ 
schiedenen Theilen des Landes zu außerordentlich niedrigen Preisen. 
So gingen in den letzten Wochen Ertrazüge von Mannheim nach 
Karlsruhe, von Karlsruhe nach Freiburg u. s. w., für welche der 
Fahrpreis nur 1 Mark betrug. Warum, so fragt ein Einsender 
in der, Frankenth. Ztg.“, ahmt die verehrliche Direktion der pfalzischen 
Bahnen dies für die Kasse der Gesellschafi resp. Steuerzahler unß