Hl. Ingberler Anzeiger.
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AM 103. Dienstag, den 29. Auni
Deutisches Reich.
Die Wittelsbacher Jubiläumsfeier wurde bereits am
Samstag von der Münchener Universität begangen.
Die bayerischen Kreisregierungen, Kammern des Innern,
sind beauftragt worden, den Voranschlag der Kreisausgaben und
Kreiseinnahmen für das Jahr 1881 mit Begutachtung der etwa
weiter an den Landrath zu bringenden Berathungsgegenstände bis
31. August l. Is. an das Staatsministerium des Innern in Vor—⸗
lage zu bringen.
Auf Antrag der Generalkommandos wurde vom bayerischen
Kriegsministerium genehmigt, daß von jeder Infanterie- und Jäger—
Kompagnie 40 Mann auf 30 Tage in sogenannten Ernte-Urlaub
entlassen werden dürfen. Da früher Klagen theils über die Kürze
(25 30 Tage), theils über den zu frühen Eintritt, bezw. Ablauf
des Urlaubes laut geworden, ist die Urlaubszeit zwischen den 10.
Juli und 15. August verlegt.
Aus Berlin 26. Juni wird gemeldet: Die Konferenz wird
mindestens noch drei Sitzungen halten. Die von der Konferenz
zu regulirenden Detailfragen beziehen sich nicht auf die Tracirung
der Grenze, welche bereits erfolgte, sondern betreffen reine Detail—
fragen, wie sie bei jeder Gebietsabtretung zu regeln sind, unter
Anderem die Bestimmung des Antheils der türkischen Schuld, welchen
Griechenland auf die abgetretenen Gebietstheile zu übernehmen hat,
ferner die Regelung der Wakufs-Evakafs-Güter,*) sowie die Regel—⸗
ung der Eigenthumsverhältnisse der auswandernden Türken und
Aehnliches.
Die Stellung des Fürsten Hohenlohe als Leiter des auswär—
tigen Amtes des deutschen Reiches wird sich schwerlich zu einer
dauernden gestalten, wie sie ja auch von Anfang an nur als ein
Provisorium angesehen wurde. Der Fürst selbst soll dringend
wünschen, auf seinen Pariser Botschafterposten zurückzukehren, und
es wird wohl im Spätherbst die definitive Besetzung der durch den
Tod des Herrn v. Bülow erledigten Stelle erfolgen.
Ausland.
Der einzige Staat in Europa, welcher trotz jährlich gesteigerter
Ausgaben für die Landesvertheidigung, des Unterrichtswesen, öffent⸗
liche Bauten und Gehaltsaufbesserungen dennoch in der beneidens—
werthen Lage ist, konstant seine Steuerlast herabzumindern, ist
Frankreich. Nur fünf Jahre hat die Republik gebraucht, um
das durch den Krieg von 1870,71 gestörte Gleichgewicht ihrer
Finanzen wiederherzustellen. Trotz einer verzinsbaren Mehrbelastung
des Staatsschulden-Kontos mit 14 Milliarden Francs, konnte be—
reits in dem Budgetvoranschlag für 1877 mit der Streichung
zweier indirekten Stouern begonnen werden, deren Jahresertrag auf
724 Millionen berechnet war. Das Budget für 1878 erfuhr durch
Beseitigung oder Ermäßigung von weiteren fünf Abgaben eine
Erleichterung von insgesammt 49 Millionen; im Jahr 1879 traten
abermals drei Steuernachlässe in Höhe von 2512 Millionen in
Kraft, während vier andere im Betrage von 28 Millionen für das
diesjährige Budget beschlossen wurden. Seit Anfang dieses Jahres
sind nun wiederum zwei Abgaben aufgehoben worden, welche mit
mehr als 4 Millionen in Rechnung treten. Die Gesammtfumme
der seit dem 26. Dezember 1876 durchgeführten Ermäßigungen
beläuft sich auf 113900,814 Francs, welche den franzöosischen
Steuerzahlern alljährlich zu gute kommen.
Französische Journale melden neue Entlassungen von
richterlichen Beamten, welche die Dekrete vom 29. März nicht aus—
führen wollen. — Roland, Deputirter von Angers, beabsichtigt,
den Justizminister über diese Demissionsgesuche der Justizbeamten
zu interpelliren.
) Wakäaf bedeutet im Osman. Reiche drei Arten frommer
Stiftungen oder Schenkungen oder nominelle Cessionen von Privat—
besitz gegen einen gewissen Zins an die Moscheen zum Unterhalte
der mit ihnen verbundenen Wohlthätigkeitsanstalten. Die Waküfs
umfassen fast drei Viertel des gesammten Grund und Bodens der
Türkei und sind, weil ihnen der Staat keine Steuern auferlegen
darf ein Haupthinderniß der Finanzverbesserung, weßhalb die Re—
'ormpartei seit lange schon ihre Beseitiqung anstrebt.
Graf Loris-Melikow der russische Diktador, hat angeordnet,
daß eine große Anzahl — nahe an zweihundert — politische Ge⸗
fangene, welche seit mehreren Jahren in Untersuchungshaft gehalten
wurden und vergeblich auf ihre Prozesse warteten, vor die Richter
gestellt werden. Diese Maßregel, welche den Opfern einer nach—
lässigen und pflichtvergessenen Justiz zur Gerechtigkeit verhilft, machte
den besten Eindruck.
Vermischtes.
F Die von uns in der „Zw. Ztg.“ entnommene Notiz in
Nr. 102 des „Anz.“, daß im Landgerichtsgefängniß in Zwee i—
brücken der 19 Jahre alte Holzschuhmacher Markus Feldner aus
Dahn durch einen Schnitt in den Hals seinem Leben ein Ende
zemacht habe und so das Landgerichtsgefängniß am Mittwoch der
Schauplatz zweier Selbstmorde gewesen sei, wird von der tgl.
Staatsanwaltschaft in Zweibrücken ihrem ganzen Inhalte nach als
erfunden erklärt.
F Die Herren Rodrian und Dobbelmann Apotheker
in Zweibrücken haben ihre Apotheken veräußert, der erstere um
125,000, der andere um 105,000 Mark.
F Aus Pirmasens wird dem „Pf. K.“ geschrieben: Es
ist unglaublich, in welcher Weise gegenwärtig mitunter Beschäfte
zemacht werden. So besuchte hier ein sehr elegant gekleideter Herr
mit einem Päckchen unter dem Arm verschiedene Häuser und bot
die in demselben enthaltenen Waaren, „zwei hochfeine Damasttafel⸗
decken nebst Servietten, eine leinene Tischdecke, ditto Kaffeedecke,
drei Handtücher und etwa 20 Meter Futterstoff“, lauter „Prima—
Waare“, zum Preis von 80 M. zum Kauf an, in Anbetracht der
Feinheit der Waare ein Spottgeld. Als Grund des niederen Preises
zab er an, er habe die Waaren an Zahlungsstatt nehmen müssen
und könne sie seinem Hause (er nannte ein Ausstattungsgeschäft in
Frankfurt) nicht zurüdsenden, angeblich weil es Coupons seien.
Als er aber sah, daß der Hausfrau der Betrag zu hoch war, wollte
ex Alles zusammen für 50 M. geben und wuͤrde sich auch mit Ab⸗—
ichlagszahlung begnügt haben. Durch dieses Heruntergehen stutzig
zjemacht, ging die Frau doch nicht auf den Handel ein, weil ihr
eiwas faul in der Sache vorkam. (Und das mit Recht! Die „Prima⸗
Waare wird danach gewesen sein. Ganz derselbe Schwindler wurde
in letzter Zeit an anderen Orten auch versucht, und die, welche auf
den Leim gingen, merkten nachher, daß sie nichts als Schund
hatten, noch viel zu theuer für den „wohlfeilen“ Preis. In Stutt-
gart wurden jüngst drei solche Schwindler zu 6, 5 und 4 Monaten
Gefängniß verurtheilt. Aehnliche Schwindeleien werden eben über⸗
all versucht, und das Publikum thut darum gut, bei allen diesen
„billigen? Anerbietungen die Hand recht fest auf dem Beutel zu
halten.)
F In Neustadt ist die Genehmigung des kgl. Staats⸗
ninisteriums zur Errichtung eines humanistischen Gymnasium da⸗
elbst eingetroffen.
4 In Kallstadt bei Dürkheim hat sich der 534 J. alter
Winzer und Metzger am 22. ds., wahrscheinlich in einem Anfalle
von Geistesstörung (er litt schon längere Zeit an Schwermuth) mit
einem Metzgermesser die Pulsader geöffnet, worauf er Abends starb;
er hinterlaäßt eine Wittwe mit 8 Kindern.
F In München ist der k. bayer. Staatsrath im außer⸗
ordentlichen Dienste und frühere Kultusminister Franz v. Gresser
nach langer Krankheit im 74. Lebensjahre gestorben. Der Verlebte
wurde am 1. August 1866 als Direktor der k. Regierung von
Unterfranken und Aschaffenburg zum Minister ernannt und bekleidete
diese Stelle fast vier Jahre.
F Die bayerische Staatsbahnverwaltung hat bis Ende
Mai d. Is. eine Einnahme von 27 148 397 Mk. erzielt; gegen
die gleiche Zeit des Vorjahres ergibt sich eine Mindereinnahme von
587 968 Mtk., obgleich die Bahnlänge von 4058 Kilom. auf 4190
dilom. gestiegen ist.
In Mannheim ereignete sich vor einigen Tagen ein
entsetzlicher Unglücksfall. Eine ältere Frau lehnte mit ihrem Enkel⸗
hen an einem Fenster des dritten Stockes, als ihr das Kind plötz-
ich entfiel und auf die Straße stürzte. In ihrer Verzweiflung