Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

diese Wiese, nachdem sämmtliche Apfelbäume zu Grunde gegangen 
sind? — In den jüngeren Baumpflanzungen haben im Gegensatze 
zu dem oben Gesagten hauptsächlich die Birnstämmchen gelitten. 
Den ältesten Leuten gedenkt es nicht, daß die Kälte des Winters 
in den Obstbäumen solche verderbliche Folgen hatte. 
F Die von uns nach der „Zw. Ztg.“ gebrachte Nachricht 
von der Aufbesserung der Lehrergehalte in Pirmasens ist dahin 
zu berichtigen, daß der dortige Stadtrath die Aufbesserung noch 
nicht beschlossen, sondern vorerst nur angeregt hat. 
hüischenhausen, 18. Juli. Dieser Tage fand Wirth 
J. Braun von Hütschenhausen auf einem seiner Kornäcker eine 
seltene Kornähre. Auf einem Halme von 6 Fuß Länge befinden 
sich nicht weniger als 9 Aehren. Vom Halme steh gerade auf— 
wärts eine lange und aus dieser sind zu beiden Seiten je4 kleinere 
eitwärks stehende Aehren hervorgewachsen. Sämmtliche Aehren 
ind schön ausgebildet und mit Körnern angefüllt. Braun hat diese 
Seltenheit aufbewahrt und ist gerne bereit sie Jedermann zu zeigen 
Was Konig Pharao im Traume sah, hat Braun in Wirklichkeit. 
Hewiß eine Seltenheit. 
4 Am Dienstag ertrank in dem v. Gienanth'schen Weiher zu 
Fisenberg das 5 J. alte Töchterchen eines auf dem Eisen— 
werke beschäftigten Schlossers. 
Am Dienstag Nachmittag wurde im Dome zu Speyer 
ein Diebstahl der frechsten Art verübt. Der Dieb begab sich an— 
dächtig in die St. Afrakapelle, woselbst er niederkniete und dem 
Anfchein nach betete, um alsdann im günstigen Moment das unter 
einem Marienbilde eingemauerte Opferkästchen sich anzueignen. Von 
da aus ging der fromme Dieb an den an der linken Seite des 
Haupteingangs aufgestellten Opferstock, woselbst er das daran be⸗ 
ndliche Schloß gewaltsam entfernte und den Inhalt sammt Käst— 
hen und Schloß mitnahm und das Weite suchte. Der Thäter, 
zin durchreisender älterer Handwerksbursche konnte noch nicht er—⸗ 
mitttelt werden. (Pf. Ztg.) 
4 Es sei hiemit daran erinnert, daß die zum Besuch der 
Pfalzgau-Ausstellung in Mannheim seitens der 
pfälz. Bahnen bewilligte 50“ ige Fahrtarermäßigung vorerst nur 
bis nächsten Sonntag (18. Juld) einschließlich gilt. Die gleiche 
Begünstigung tritt auch für eine später noch bekannt zu machende 
Woche und dann zum Schluß noch vom 26. September bis inkl. 
3. Oktober ein. 
Mainz, 13. Juli. Auf dem Schleppdampfer „Haniel“ 
fand heute Vormittag, wie man sagt durch das Zerspringen eines 
Siederohres, eine Erplosion statt, wobei zwei Maschinenarbeiter auf 
eine fürchterliche Weise verbrannt wurden. Es ist sehr zweifelhaft, 
ob die Verunglückten am Leben erhalten werden können. 
Maurnz, 14. Juli. In der heutigen Sitzung des hie⸗ 
figen Landgerichts kam der Proceß des bei Bischofsheim verun— 
glückten Buchhalters Schmitt von hier, welcher in einem Frank— 
surter Engros-Geschäft bedienstet gewesen war, gegen den Verwalt⸗ 
ungsrath der Hessischen Ludwigsbahn zum Abschlusse. Das Urtheil 
jauiete gegen die Bahn auf Zahlung einer Summe von 3000 M. 
für ärztliches Honorar, Curkosten ꝛc., ferner auf Zahlung einer 
jährlichen Rense von 4000 M., zahlbar in vierteljährlichen Raten 
(Kläger verlangte eine Aversionalsumme von 80,000 M., eventuell 
die Zinsen dieses Capitals), ferner wurde die Bahn in die bis 
jetzt entstandenen Proceßkosten verurtheilt, welche eine Höhe von 
3000 M. erreicht haben. 
PReichenhall, 183. Juli. Die heute ausgegebene Kur— 
liste zühlt 2317 Kurgäste in 1145 Parteien auf. 
P'In München wurde wegen fahrlässiger Tödtung ihres 
außerehelichen Kindes die Baronesse Anna v. d. Tann unter Ab⸗ 
rechnung der Untersuchungshaft zu 9 Monaten Gefängniß und ihre 
Mutter zu zwei Jahren Gefängniß verurtheilt. 
In München starb am 8. Juli der als tüchtiger Arzt 
und in früheren Jahren auch als freisinniger Volksvertreter hoch— 
geschätzte Dr. med. Gustav Rubner im 70. Lebensjahre. Aus 
Oberfranken gebürtig und längere Zeit in Wunsiedel als Arzt thätig, 
wurde er vom Wahlkreis Hof 1849 zum Abgeordneten gewählt 
und war bis 1855 Mitglied des Landtags. Lange Zeit stand er 
in München mit an der Spitze der Liberalen und trat für die 
deutsche und liberale Sache in öffentlicher Rede und in der Presse 
ein. Seit 1871 hatte er sich vom politischen Leben zurückgezogen. 
Fin Bruder Rubners war bei dem Frankfurter 1833er Studenten⸗ 
aufstande betheiligt und verlor bei dem großen Ausbruchversuche 
der Gefangenen durch den Bayonnetstich eines Soldaten das Leben; 
ein anderer Bruder fiel im Duell. 
— Zur Berathung und definitiven Festsetzung des Entwurfs 
des Statuts für die Wittelsbacher Landesstiftung sind die Mitglieder 
des definitiven Landes-Komites zu einer Sitzung auf Montag den 
19. dss. Mis. in München eingeladen. 
F (Wie viel Millionen Mark werden in München für 
Bier ausgegeben ?) Nach der Fachschrift, welche das Lokalkomite 
des 4. deutschen Braueriages soeben vertheilt hat, treffen auf den 
Konsum der Stadt selbst: 1.031.926 Hektoliter, was bei einer 
nittleren Bevölkerungszahl von 232,500 Einwohnern per Kopf im 
Jahre 1879 445 Liter, per Kopf täglich ca. 194 Liter ausmacht. 
Für den Kopf macht Dies aber pro Jahr eine Ausgabe (à 26Pf.) 
on 115 M. 70 Pf., während im ganzen Jahr in München die 
Summe von 26 Millionen 830,076 M. für Bier umgesetzt wird. 
F. ,Sie sind wohl verrückt?“ Eine Redensart, die 
ich in aller Munde befindet und mit der man durchaus nicht die 
Absicht schwerer Beleidigung verbindet, kann dennoch, an unrechter 
Stelle angewendet, Dem, der sie gebraucht, Aergernisse und Kosten 
zur Genüge bereiten. Ein Ehepaar in Berlin wird in frühester 
Morgenstunde durch das Geräusch des Teppichklopfens vom Hofe 
jer im Schlafe gestört und der aufgestörte Ehemann, der kontrakt⸗ 
lich solche Störung im Hause zu so früher Morgenstunde nicht zu 
zulden braucht, tritt, noch halb im Schlaf, an das Fenster, öffnet 
es und ruft in den Hof hinab: „Sie sind wohl verrückt da un— 
ten?“ Er hatte gar nicht gesehen, wer sich im Hofe befand und 
auch nicht die Absicht gehabt, Jemanden direct zu beleidigen, er 
vollte eben nur seinem Ingrimm über die Störung Ausdruck 
zeben. Nach drei Tagen erhielt er eine Vorladung vor den 
Schiedsrichter.. Ein Dienstmädchen aus dem Hause, das damals 
zur Unzeit die Teppiche klopfte, hatte ihn wegen Beleidigung ver— 
klagt. Zu dem für den Sühneversuch angesetzten Termin erschien 
der Verklagte nicht, richtete vielmehr vorher einen Brief an den 
Zchiedsrichter, in dem er erklärte, die Klägerin gar nicht zu ken— 
aen und daß es ihm überhaupt fern gelegen habe, Jemanden zu 
beleidigen. Die Folge des Ausbleibens vom Termin war, daß 
jsener Herr vor das Schöffengericht geladen wurde. Hier erbot er 
iich, um Weiterungen zu vermeiden, auf einen Vergleich mit der 
zlägerin einzugehen. Ein solcher kam auch dahin zu Stande, daß 
der Verklagte dem Mädchen eine öffentliche Ehrenerklärung durch 
die Zeitung und an die Armen zehn Mart gab. Die Hauptfata— 
ität bildeten aber die Kosten, die der Prozeß verursacht hatte. 
die Kostenrechnung führte auf: 
1) Pauschquantum S. 70 ad Ges. vom 18./6 Mark 15. — 
2) Zeugengebühren.. „4. 80 
3) Zustellungsgebühren. — 4. 50 
1) Schreibgebührren... . „2. 50 
Summa Mark 25. 80 
Dazu kommen die zehn Mark für die Armen und die Inser— 
ionskosten für die Ehrenerklärung, macht gegen 40 Mark baare 
Auslagen, neben Aerger, Zeitverlust und anderen Unannehmlich— 
eiten, und das Alles wegen einer einzigen „beliebten“ dedensart, 
»ei der man sich weiter nichts Böses gedacht hat. 
fUnwetter in Schlesien. Nach Meldungen Bres— 
auer Blätter hat in der Nacht vom 12. zum 13. d. Mtis. ein 
ieuer Wolkenbruch in der Umgegend von Lauban, Greiffenberg, 
Flinsberg und Friedeberg furchtbaren Schaden angerichtet; der 
Fisenbahndamm bei Greiffenberg ist auf einer Strecke von 100 
Meter zerstört und der Post- und Güterverkehr unterbrochen. 
Der Antrag auf Abschaffung des Gesetzes, daß Niemand 
eine Schwägerin heirathen darf, ist im englischen Parlha— 
nent schon wiederholt verhandelt und s. 3. von Lord Paimerston 
unterstützt worden, welcher insbesondere geltend machte, daß wenn 
iin Mann, dem seine Frau gestorben, so „verrückt“ sei, eine zweite 
Frau zu heirathen, es für denselben immer noch besser sei, nur eine 
Schwiegermutter zu haben, als daß er mit zweien „behaftet“ sei. 
Deutssche Wölfe und Französisches Blech. 
der Pariser „Globe“ vom 26. v. Mis. bringt einen Artikel über 
die Zunahme der Wöolfe in Frankreich, dessen Pointe, um ihrer 
Ergötzlichteit halber, Mittheilung verdient. Die Spezies (der Wolfe 
aämlich), war dem Verschwinden nahe, schreibt der „Globe“ — 
als die Unglücksfälle von 1870 eintraten. Geschützt durch die 
deutschen Behörden, welche die Treibjagden untersagt hatten, ver— 
nehrten sich die Wölfe in den östlichen Departements. Gleichzeitig 
»ollzog sich eine Thatsache, die unglaublich scheinen würde, wenn 
ie nicht durch Zeugnisse bestätigt wäre, die über allen Argwohn 
erhaben sind. Als die Wölfe Deutschlands davon Kunde erhalten 
jatten (ayant appris,) daß Frankreich der Krieg erklärt worden 
ei (wie historisch), wollten sie auch mit von der Partei sein. 
Sie kamen in gedrängten Reihen, (en lignes serrées) aus den 
Wäldern des Hunsrück und des Hardtgebirges () herab und bildeten 
ein Hilfskorps der Invasionsarmee. Sie haben sich aber nicht 
nit den deutschen Truppen nach Zahlung des vom Sieger aufer⸗ 
egten Lösegeldes zurückgezogen. Sie haben unsere östlichen Departe— 
nents der Pfalz und Rheinpreußen vorgezogen und sich definitiv 
m Lande festgesetzt. Trotz aller Maßregeln, welche die Verwaltung 
eit zehn Jahren ergriffen hat, ist es ihr nicht gelungen, Frankreich 
iine Bevölkerung (population) von mindestens 5000 Stück. Die 
yffizielle Statistik schätzt den Schaden, den sie der Landwirthschaft 
ufügen auf jährlich 40 bis 50 Millionen. Keines europäischen 
Derrschers Civilliste kommt derjenigen Sr. Maj. des Wolfes gleich. 
— Und das alles haben wir Deutschen auf dem Gewissen! 
Finan zminister: „Nun, mein lieber Rath, haben Sie 
jachgedacht, aibt es nichts mehr zu besteuern?“ — Rath: „Ge—⸗