Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Hl. Inaberker Aneiger. 
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A 115. 
Deutsches Neich. 
Für Militär⸗Invaliden-Pensionen sind in dem Entwurf des 
bayerischen Militärbudgets für das Rechnungsiahr 188081 
im Ganzen 3,561,270 Mk. eingesetzt. 
Gestern, am 19. Juli, sind es zehn Jahre gewesen, daß 
die französische Kriegserklärung in Berlin überreicht wurde 
und daß der damalige Kanzler des norddeutschen Bundes, Graf 
Bismarck, dem in Berlin schleunigst zusammengetretenen nord— 
»eutschen Reichstage die bezügliche Mittheilung machte. Zehn Jahre 
— eine lange Zeit für den Einzelnen und doch eine Spanne nur 
m Leben der Siaaten. Jene Tage mit ihrer herrlichen patriotischen 
Erhebung der Gemüther, mit ihrem wunderbaren nationalen Auf—⸗ 
schwung liegen hinter uns, und wenn uns heute zuweilen ein Ge— 
ühl des politischen Katzenjammers beschleichen will, weil nicht 
Alies im neuen deutschen Reich so ist, wie es wohl sein sollte, so 
nüssen wir — um nicht undankbar gegen das Geschick zu sein — 
ins doch stets bewußt bleiben, wie auf die nervöse Anspannung 
aller Kraͤfte in jener bewegten Epoche, in der es sich um Sein oder 
Nichtsein des deutschen Stammes und Namens handelte, eine Periode 
der Abspannung naturgemäß folgen mußte, die auch überwunden 
ein will. 
Deutschland hat damals Großes geleistet. Es zog in einen 
hm frevlerisch aufgedrungenen Krieg, und die noch eben in an— 
cheinendem Zwiespalt von einander getrennten Stämme reichten sich 
migesichts der gemeinsamen Gefahr zu gemeinsamer Abwehr die 
Bruderhand, um des Reiches Einheit mit Vlut zu kitten. Aus der 
kostbaren Aussaat — denn manch theures Haupt fiel in dem schweren 
ampfe — erwuchs das neue deutsche Reich, und so fern jedem 
Patrioten damats der Gedanke gelegen, erobernd gegen den frechen 
Ungreifer aufzutreten, so fest wurzelt heut auch in jeder deutschen 
Bruͤst die Ueberzeugung, daß das wiedergenommene Elsaß dem Reiche 
sortan erhalten bleiben muß, als Bollwerk gegen den Feind jener 
Tage, als Zeichen der nationalen Einheit, der allein wir diese Er— 
eungenschaft dessen verdanken, was uns einst durch List und Ge— 
walt geraubt worden war. 
Vom Thron herab war vor zehn Jahren in dem denkwürdigen 
Aufruf an die Nation „Treue um Treue“ dem Volke gelobt worden 
ind wir denken, daß Fürst und Volk das damals verpfändete 
Wort glänzend gehalten haben. Die schweren Opfer aber, die uns, 
»bwohl wir im blutigen Würfelspiel der Schlachten so erfolgreich 
Sieger geblieben, jener Riesenkampf mit Frankreich gekostet, lassen 
ins nicht danach gelüsten, solch hartes Ringen zu erneuern. Sollten 
wir aber durch das Revanchegelüst unseres unruhigen Nachbarn je— 
nals wieder gezwungen werden, zu wiederholen, was wir vor zehn 
Jahren mit Muͤth und Enischlossenheit begannen, so wird wiederum 
das einigende Band zwischen Herrscher und Volk, zwischen Kaiser 
und Reich der erhebende, deutsche Wahlspruch sein: 
„Treue um Treue!“ 
Man will in unterrichteten Kreisen wissen, daß die preußische 
Regierung nach dem Fiasto, welches sie mit ihrem Schanksteuerge— 
setz gemacht hat, nunmehr mit einem anderen Entwurf, welcher 
die Schankwirthschaften nach dem Umfange des Verbrauchs von 
zeistigen Getränken besteuern will, vor den Landtag zu treten gedenke. 
Darnach soll von jedem Liter Branntwein u. s. w. eine Steuer 
ntrichtet werden. Den Ertrag dieser Steuer berechnet man auf 
i0 bis 50 Millionen Mark, während die Schankgewerbesteuer nur 
etwa 13 Millionen Mark einbringen sollte. Der Finanzminister 
oll sich der Hoffnung hingeben, auf diese Weise die Mittel zu er— 
angen, um die Hälfte der Grund- und Gebäudesteuer, also gegen 
33 Millionen eine dauernde Erleichterung der Klassen- und Ein⸗ 
'ommensteuer unter Herabsetzung der Steuersätze von allen Ein—⸗ 
ommen unter 6000 Mark eintreten zu lassen. 
Fürst Günther von Schwarzburg-Sondershausen 
hat in Folge eines Augenleidens zu Gunsten des Erbprinzen die 
Regierung niedergelegt. Der Erbprinz hat am Samstag die Re—⸗ 
zierung übernommen. (Der zurückgetretene Fürst Günther ist ge— 
horen am 24. Septbr. 1801, also bald 79 Jahre alt, der Erb⸗ 
rrinz Karl am 7. April 1830.) 
Ausland. 
Die Regierung der französischen Republik hat ihre Ver—⸗ 
reter im Auslande angewiesen, bedürftige Amnestirte, welche sich 
vegen ihrer Rückkehr nach Frankreich an sie wenden, mit dem 
Röthigen zu versehen. 
Ein italienisches Blatt publizirte den hochinteressanten 
zriefwechsel Victor Emanuels mit Mazzini aus den Jahren 
862 bis 1864 wegen gemeinschaftlicher Befreiung Venedigs. Die 
Verhandlungen waren damals erfolglos, weil der König und Mazzini 
iber die Wahl der anzuwendenden Mittel verschieden dachten. Der 
tönig wollte eine Insurrektion in Galizien, Mazini dagegen eine 
Revolution im Venetianischen. 
Die Meldung, daß die Türkei deuische Offiziere und Be— 
imte vom deutschen Reich erbeten und erhalten habe, bezeichnet die 
»eutsche „Petersburger Zeitung“ in einem anscheinend inspirirten 
Artikel als einen politisch nicht ungeschickten Gedanken, weil Deutsch⸗ 
and am wenigsten direkt an der Gestaltung der Orientdinge inte⸗ 
ressirt sei, mithin deutsche Beamte in der Türkei am wenigsten die 
Kolitik ihres Landes betreiben würden. 
Der deutsche Botschafter in Konstantinopel Fürst Hatz-— 
eld, übergab am Donnerstag der Hohen Pforte die gemein— 
chaftliche Note der Botschafter der Konferenzmächte, durch welche 
»er Pforte Kenntniß gegeben wird, wie die Berliner Konferenz die 
Brenzlinie zwischen Gr'iechenland und der Türkei gezogen hat, und 
die Pforte aufgefordert wird, dieser Grenzbestimmung Folge zu 
zjeben. Der Sultan ordnete eine Berathung der Note an, Grund 
»eren ihm der Entwurf einer Antwwort unterbreitet werden soll. 
die Uebergabe der Antwort dürfte frühestens anfangs August er⸗ 
olgen können. 
Begreiflicher Weise findet zwischen den Mächten der Berr⸗ 
tiner Conferenz ein Meinungsaustausch über die Möglich— 
eiten statt, dem an die Pforte gemeinsam gestellten Verlangen 
Nachdruck zu geben. Bestimmte Anträge in dieser Richtung sind 
edoch nicht gestellt, auch noch keine Flottendemonstration der sechs 
Mächte verabredet. 
Vermisjchtes. 
* St. Ingbert, 20. Juli. Das vor einiger Zeit ge— 
vählte Comite zur Vorbereitung der Wittelsbachfeier in unserer 
Stadt hielt gestern Nachmittag seine erste Sitzung. Nach dem 
Vorschlage desselben soll die Feier am 25. August, dem Geburts⸗ 
ind Namensfeste Sr. Maj. unseres Königs Ludwig II. in fol⸗ 
jender Weise begangen werden: Am Vorabend Einleitung der 
reier durch Böllerschüsse, sodann Fackelzug und Zapfenstreich unter 
Betheiligung der Knappschaft mit Kapelle, der Feuerwehr und des 
riegervereins. 
Am Festmorgen Tagreveille, um 10 Uhr Festgottesdienst in 
zeiden Kirchen, später Festessen. Um 4 Uhr Volksfest in der Laub⸗ 
delle (Nähe der Rischbach) unter Betheiligung der gesammten 
Zchuljugend mit Bretzelvertheilung unter diese. 
O Blieskastel, 19. Juli. In der gestrigen Sitzung 
des Stadtrathes wurden 100 M. für die Wittelsbachfeier und in 
der vorletzten Sitzung 100 M. für den Badeplatz und 50 M. für 
den Kindergarten bewilligt. Für die Beaufsichtigung der Jugend 
heim Baden wurde Wilh. Martin, ein tüchtiger Schwimmer auf—⸗ 
estellt. 
D Rubenheim, 17. Juli. Seit einigen Wochen werden 
zie an den Wald angrenzenden Ländereien, besonders Kartoffeläcker, 
von zahlreichen Wildschweinen schwer geschädigt. 
4 Die Lateinschule und die Präparandenschule in Blite 8- 
astel begehen nächstens Wittelsbach-Feiern, die erstete am Don— 
nerstag den 29. Juli und die letztere am Mitiwoch den 4. August, 
»eide im Gartensaale des Hrn. Karl König. 
Die Eröffnung der II. im Geschäftsjahr 1880 bei dem Land— 
jseriche Zweibrücken abzuhaltenden Schwurgerichtsperiode 
vpurde. auf Montag den 6. September l. Is. festgesetzt, der k. 
Iberlandesgerichtsrath Wolff zum Vorsitzenden und der k. Land⸗ 
zerichtsdirektor Herfeldt zu dessen Stellvertreter ernannt.