Hl. Ingberler Anzeiger.
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—* i20.
Donnerstag, den 29. Juli
1885.
Deutsches Reich.
(Bayerischer Landtag.) Die Abgeordnetenkammer hat
in der Dienstagssitzung den Gesetzentwurf über einen Vorschußcredit
ür außerordentliche Bedürfnisse des Heeres (Ankauf des Herzog—
zgartens für das Cadettencorps) nochmals an den Finanzausschuß
zurückverwiesen, in Folge von Eröffnungen des Kriegsministers über
die Verzinsung des Ankaufscapitals. Es folgt dann die Berathung
des Militäretäts für 1880/81, welcher nach längerer Debatte mit
136 gegen 1 Stimme angenommen wurde.
Das Landescomitee der Wittelsbacher-Jubiläumsstiftung
m Bayern hat den Statuten-Entwurf, aus welchem schon das
Hauptsächlichste mitgetheilt wurde, unverändert einstimmig genehmigt.
Der bayerifche Staatsminister der Finanzen, Hr. v. Riedel,
ist am Dienstag nach Kob ur g abgereist, um an den Berathungen
der Finanzminister der deutschen Staaten Theil zu nehmen.
Ueber die Konferenz der Finanzminister deutscher Bundes⸗
taaten verlautet Folgendes: Die Besprechungen sollten Mittwoch,
den 28. Juli, im Familensaale des herzoglichen Residenzschlosses
beginnen. Die Finanzminister der vier Königreiche Preußen, Bayern,
Sachsen und Würtemberg sind eingeladen, als Gäste des Herzogs
n der Ehrenburg zu wohnen, die übrigen Bethteiligten haben Logis
n den Gasthöfen bestellt. Die Dauer der Verhandlungen soll auf
2 bis 3 Tage berechnet sein. Ob es sich bei den Konferenzen, wie
zie Berliner Zeitungen von ihren verschiedenen Standpunkten aus
heils freudvoll theils leidvoll versichern, wirklich um die Einführ—
ung des Tabakmonopols, oder um andere durchgreifende Maßregeln
im Zoll- und Steuerwesen, handelt, darüber ist noch nichts bekannt
geworden; soviel dürfte indeß als feststehend angenommen werden,
daß die Coburger Konferenzen eine weitere Etape auf dem Wege
der großen „Zoll- und Steuerreform“ bilden sollen, welche der
Fürst Reichskanzler im Frühjahr 1879 begonnen hat.
Ausland.
Die „Ag. Havas“ bringt aus Konstantinopel die Nach—
richt, daß am 27. Juli die Antwort der Pforte auf die gemein—
chaftliche Note der Großmächte (wegen der griechisch- türkischen
GBrenze) den Botschaftern derselben zugestellt wurde. Die Pforte
agt darin, daß die Entscheidung der Berliner Conferenz nicht ver—
einbar sei mit dem Beschluß des Berliner Congresses von 1878;
iie erklärt es als unmöglich, Janina, Larissa und Mezowo abzu—
reten, betont aber ihre Geneigtheit, Griechenland Zugeständnisse zu
machen, die im Bereich des Möglichen lägen. Schließlich spricht
ie den Wunsch aus, die Großmächte möchten ihre Botschafter in
donstantinopel ermächtigen, sich mit der Pforte in's Benehmen zu
etzen, um die Grenzlinie definitiv festzusetzen.
Die Verstärkung der in der europäischen Türkei stehenden
Truppen hat zunächst offenbar den Zweck, Griechenland die Zähne
zu weisen. Die Griechen können nach ihren eigenen, wahrscheinlich
ibertriebenen Angaben höchstens 35, 000 Mann in's Feld stellen.
Die Pforte hat in Thessalien und Epirus jetzt schon 30,000 Mann
itehen, die in etlichen Wochen leicht auch auf das Doppelte gebracht
werden können. Nahrung findet diese Armee in Thessalien leicht,
da die Ernte in diesem ohnehin fruchtbaren Land heuer sehr gut
zerathen ist. Die Flottendemonstration der Großmächte, wenn es
dabei bleibt, macht allem Anschein nach dem Sultan keine große
Zorge; nur wenn die Schiffe vor Konstantinopel erscheinen würden,
väre es ihm unangenehm; aber es ist kaum wahrscheinlich, daß sie
s unternehmen, die Meerenge der Dardanellen zu forciren, da die
S„chlösser rechts und links mit Geschützen qut ausgerüstet sein sollen.
Anstellungsprüfung unterziehen. Seit Jahren ist eine so geringe
Anzahl Examinanden nicht mehr vorhanden gewesen. D
F Nach der Rechnung des pfälzischen Schullehrer—
Wittwen- und Waisenfonds pro 1879 betrugen die Ein⸗
iahmen 83,648 M., die Ausgaben 74.107 M., der Aciivrest
540 M.
— Das Schöffengerich Pirmasens hat am 27. Juli einen
iich Paul v. Münchhausen () aus Sondershausen nennenden
11 J. alten Vagabunden, dessen wirklicher Name nicht ausfindig
gjemacht werden konnte, wegen Landstreicherei, Bettels und Benütz⸗
ung gefälschter Dokumente zu 90 Tagen Haft verurtheilt. Der—
elbe gab sich vor Gericht als den natürlichen Sohn einer Schau⸗
pielerin Pauline v. Münchhausen und eines Grafen von Schul⸗
denburg () aus und behaupiete, studirter Techniker zu sein.
F In Rülzheim verunglückte auf eine schreckliche Weise
ein Gjähriges Mädchen. Dasselbe hatte sich mit anderen Kindern
auf den Zugbalken einer im Gang befindlichen Göpeldrehmaschine
zesetzt, um darauf „Reitschul' zu fahren“. Dabei kam es aber
dem Göpelwerk zu nahe, wurde von den Rädern erfaßt und ihm
ein Bein förmlich aus dem Leibe gerissen. Das Kind starb noch
am selben Abend.
In Freinsheim stürzte am Sonntag der Rechtscandidat
und Reserve-Dragonerlieutenant Ch. mit dem Pferde. Herr Ch.
blieb unverletzt, das Pferd, welches erst vor 8 Tagen um 1200 M.
gekauft war, blieb todt liegen.
F In Ludwigshafen und Speyer haben Socialde—
mokraten versucht eine Flugschrift revolutionären Inhalts unter dem
harmlosen Titel „Tod allem Ungeziefer“ zu verbreiten.
F Circa 60 Candidaten werden sich der am 16. nächsten
Monats zu Spey er beginnenden Prüfung für den Einnehme rei⸗
zienst unterziehen. Bei dem letzten Konkurs (1875) waren es
inige mehr als 100 Bewerber. Die Ursache der Verminderung
st darin zu suchen, daß heuer keine Bewerber unter 20 Jahren
ugelassen wurden und wenige und keine Lehrer sich an der Prüfung
„et heiligten.
F In Speyer starb, wie die „Sp. Zig.“ meldet, der als
Musiker und Componist in weiteren Kreisen bekannte pensionirte
veltliche Domlapellmeister Dr. F. L. Benz. F
F Ein schreckliches Unglück trug sich am Dienstag Mittag
zu St. Johann zu. Die 17jährige Tochter am Markt woh—
iender Lente, hatte, als sie um Feuer anzumachen, über das im
Ofen befindliche Holz Petroleum goß, mit ihren Kleidern Feuer
gefangen. Lichterloh brennend stürzte sie aus dem Haus auf den
Marktplatz und schrie um Hülfe. Einige Leute eilten zwar schnell
jinzu, rissen der Aermsten die brennenden Kleider vom Leibe.
Leider hatte das Mädchen aber dabei so schwere Brandwunden er—⸗
litten, daß sie gestern Morgen starb.
(Zur Erinnerung an die Schlacht von Spichern.)
Aus Saarbrücken schreibt die „St. J.S. V.⸗Z.“: Die Tage
ind herangerückt, an denen vor 10 Jahren der Erbfeind in großer
Zahl unsere Fluren betrat, Bänne und Ortschaften auf deutschem
VBoden bedrohte und nur durch die unermüdliche Aufmerksamkeit
und Rührigkeit unserer geringen Truppenzahl — 1. Bataillon des
10. Füsilier⸗ und das 7. Ulanenregiment — vor der Invasion
bis zum 2. August abgehalten wurde. Dieser Tag des Schreckens
nit der darauf folgenden Occupation unserer Stadt bis zum Abende
des 5., so wie der für unsere gegenwärtige Generation ewig denk⸗
würdige Kampfestag — 6. August —, an dem so viel edles junges
Blut geflossen, kommen näher und es geziemt sich, dieser aufge—
regten opferwilligen Zeit zu gedenken, in der unsere Truppen so
odesmuthig und ausdauernd gekämpft, alles zäh festhaltend, wo
hr Fuß Boden faßte. Auch viele Söhne und Männer hiesiger
Hegend halfen den Sieg auf den Spicherer Höhen erringen, wo
Tausende ihrer Kampfesgenossen dem Vaterland zum Opfer fielen
ind andere Tausende verwundet und verstümmelt wurden. Hier,
»ei Weißenburg und Wörth wurde dem siegreichen Marsch nach
gerlin ein Halt und Kehrt geboten. Diese Erinnerungstage würdig
Vermischtes.
* St. Ingbert, 28. Juli. In heutiger Schöffensitzung
amen folgende Fälle zur Aburtheilung: 1) Eine Weibsperson von
sier warde wegen gewerbsmäßiger Unzucht zu 42 Tagen Haft ver⸗
urtheilt und wurde dieselbe nach verbüßter Strafe der Landespolizei—
dehörde überwiesen. 2) Ein Mann von hier wurde wegen vorsätz⸗
licher Körperverletzung zu 14 Tagen Gefängniß verurtheilt.
Sicherem Vernehmen nach werden sich in der Pfalz nur
22 Schuldiensterspectanten der im September stattfindenden