seiner Praxis nicht decken. In der Theorie behauptet er nämlich,
die deutsche Landwirthschaft gehe zurück, sie könne nicht bestehen; in
der Praxis dagegen vergrößert er seine ländlichen Besitzungen. Ent—
weder ist daher jene Behauptung der Thatsache nicht enisprechend,
vie wir stets annahmen, oder die Zölle auf landwirthschaftliche
Producte haben — so rasch und plößlich die Landwirthichaft ge—
joben. Ob aber dieser Zoll-Segen nur den Großgrundbesitzern,
vie einem Bismarck, Fürsi von Pleß u. a. m., zu gute kommt,
»der auch den kleineren Besitzern, werden letztere heute wohl selbst
recht gut wissen.“
Die Vorarbeiten für den Holstein durchschneidenden
Rordostkanal schreiten rüssig vorwärts. Wie man hörk, ist, die
Bodenuntersuchung mittels Bohrungen bereits beendigt und hat
zute Ergebnisse gebracht. Mit dem Nivellement hofft män ebenfalls
pis zum Herbste fertig zu sein. Dann beginnt die Anfertigung
der Baupläne, und danach erst tritt die Sache in ihr definitives,
offizielles Stadium, wo die Reichs- und Staatsgewalt ihr ent—
cheidendes Wort zu sprechen haben wird.
F Ein Schloß für hundert Gulden. Bei der am 20. d. M.
itattgefundenen exekutiven Feilbietung wurde das prachtvolle Schloß
„Gumpenstein“ bei Irdning, im Kreisgerichtssprengel Leoben,
velches auf 65,000 fl. gerichtlich geschätzt wurde, von Herrn Jo—
eph Riedl, Privatier in München, für das Meistgebot von 100
il., lese Einhundert Gulden, erstanden. Es wird freilich nicht ge—
jagt, wie viel Hypothekenschulden auf dem Schloß lasten.
F Nicht uninteressant dürften die nachsteheuden Daten über
den Durst am Wiener Schützenfeste sein. Unsere statistische
Wissenschaft reicht jedoch leider nur bis Mittagsstunde des letzten
Zchützentags — was im Laufe des Nachmittags bis zur rührenden
Abschiedsstunde dem Bacchus und Gambrinus geopfert wurde, ver—
wögen wir, ehrlich gestanden, kaum zu ahnen. Bis Sonntag
Mittag wurden seit Beginn des Schützenfestes innerhalb der Grenzen
»es Festplatzes getrunken: 40,000 Flaschen Schützenwein, 1200
Hektoliter (gleich 2100 Eimer) Lagerbier, 170 Hekloliter Abzugbier,
16,000 Syphons, 6000 Flaschen “, Lorenzer“. 350 Flaschen Cham—
dagner.
In Graz wurde der Schuhmacher Zotter, welcher
eine drei Frauen umgebracht hat und vom Schwurgericht zum
Tode verurtheilt wurde, gehenkt. Zotter verhielt sich suͤll und war
iemlich gefaßt; als ihm der Henker die Hände band, saqte er:
Vergelt's Gott!“
. 1264,387. 400 Liter Bier. Die bei der niederösterreichi—
ichen Gewerbe⸗Ausstellung exponirte „Bierproduktions-Tabelle“, wel⸗
he von der Redaktion der Wiener Brauer-Zeitung „Gambrinus“
Jjerausgegeben wurde, zeigt unter vielen anderen inieressanten Daten
auch, wie viel Bier im Vorjahre in allen kontinentalen Staaten
und Nordamerika erzeugt wurden. Im gesammten deutschen Reich
38,946,510 Hektoliter, Großbritaunien 36,597,550 Hektoliter,
Bereinigte Staaten von Nordamerika 15,400,000 Hettoliter, Oester—
reich-Ungarn 11,184,681 Hektoliter, Frankreich 8 721,000 Hekto⸗
iter, Belgien 7,854,000 Hektoliter, Rußland 2,300,000 Hektoliter,
Niederlande 1,500,000 Hektoliter, Dänemark 1, 100,000 Hektoliter,
Schweden 930,000 Hektoliter, Italien 870,000 Hektoliter, Schweiz
724,000 Hektoliter, Norwegen 615,000 Hektoliter. Zusammen
12,643,874 Hektoliter. Am meisten entfällt auf den Kopf der
Bevölkerung in Belgien, 147 Liter, und am wenigsten in Rußland,
vo nur 83 Liter Bier per Kopf entfällt.
. Aus Kaschau (Ungarn), 20. Inli, wird der „Wiener
Allg. Ztg.“ geschrieben: „Gestern hat sich hier ein fürchterliches
Anglück ereignet. Die Batterien des 6. Artillerie-Regiments zogen
rüh auf den Exercierplatz zu den Nebungen; gegen 10 Uhr Vor⸗
nitlags wurde dec Befehl zum Defiliren im Trab gegeben. Die
Heschuͤtze passirten den Defilirungspunkt und noch drei Munitions-
sarren waren zurück. Da erfolgie ein fürchkterlicher Ktach; als der
Alles verdunkelnde Pulverrauch sich zu verziehen begann, sah man,
daß ein Munitionswagen in die Luft gesprengt war und die ein—
zelnen Theile weit umher geschleudert waren. Der unmittelbar
)em Karren folgende Unterofficier wurde tödtlich verwundet und
ein schwer verleßtes Pferd jagte in die Stadt. Fünf andere Unter⸗
fficiere und ihre Pferde sind gleichfalls derwundet, dagegen blieben
ie vier Pferde, welche den Kärren zogen, unverletzt und die auf
ner Protze sitzende Bedienungsmannschaft kam mit' dem Schrecken
»avon. Die Ursache der Erplosion ist nicht zu ermitteln. Die in
dem Kasten liegenden 40 Exercierpatronen waten sorgsam in Werg
Jewickelt, so daß Reibungen nicht stattfinden konnten. Man glaubt,
daß die Sonnengluth den blechernen Karren derart erhitzt hat, daß
zer Sprengstoff sich entzündete.“
F Naährwerth der Milch. Professor Krämer in Zürich
„eröffentlicht einen Bericht über den Nährwerth der Milch. Für
Kilo eiweißähnlicher (stickstoffhaltiger) Nährstoffe, das heißt des
»esten Blut- und Fleischbildners, bezahlt man durchschnittlich in
der Milch 1,60 M., im halbfetten Käse 1,74, im Ochsenfleisch
53.14, im Schweinefleisch 6,418. Folglich ist bei gleichem Nähr⸗
verthe Fleisch drei bis pier Mal theurer als Milch und Häse
Der Protest einer Dame. Fräulein Hubertine
»uber, die bekannte Vertheidigerin der Frauenrechte, veroffentlicht
n einem Pariser Blatte folgendes Schrifistück: Die Beschlagnahme
neiner Möbel. Ich, die ich nichts bin, wenn es sich um Wahl-⸗
perationen handelt, bin, wie es scheint, etwas, wenn es sich ums
zahlen handelt. Heute früh hat man meinen Hausrath mit Be—
chlag belegt. Weil ich für die Steuerleistungen, die man mir
nuflegt, die Ausübung meines Rechts verlange, weil ich nicht eine
S„umme bezahlen will, die ich nicht votirt habe und deren Ver—
vendung ich nicht kontroliren kann, hat der Fiskus heute meinen
dausrath mit Beschlag belegt. Dagegen erhebe ich Einsprache.
ich erhebe Einsprache gegen diese Beraubung durch eine ausschließ—
ich aus Männern zusammengesetzte Regierung, die mir mein Recht
erweigert und mein Geld nimmt. Ich erklaͤre, daß ich in diesem
dampfe Aller gegen Eine nicht nachgebe, sondern Gewalt erdulde.
F Auf Anordnung der britischen Regierung ist ein amtlicher
Bericht ausgegeben worden, welcher auf die Zustuͤnde in Jrland
in angenehmes Licht wirft. Irländer klagen über das Auftreten
on Fieber unter der Bevölkerung. Es ist das, dem Berichie nach
u urtheilen, durchaus kein Wunder; im Gegentheil ist es ein Wunder,
raß das Fieber nicht schon die ganze Bevölkerung welche gesund⸗
ꝛeitlichen Vorsichtsmaßregeln so schnurstracks zuwiderhandelt, dahin-
erafft hat. In einem Orte der Grafschaft Mayo, so wird der
köln. Ztg. geschrieben, fand der amtliche, ärztliche Aufseher in 42
ämmerlichen Hütten nicht weniger als 46 Familien wohnen. „In
en meisten Hütten werden Rindvieh und Schweine in der Stube
jehalten. Die Erkremente werden theilweise durch einen offenen
bflußgraben, welcher mitten durch die Stube läuft, abgeführt.“
zn einem anderen Orte fand derselbe Aufseher in einer Hütte volle
ccht Zoll Dünger liegen. Die Hausfrau erklärte, sie könne den
Dünger nicht fortschaffen, denn sonst würde sie keinen zum Düngen
des Gartens behalten. An einem dritten Orte fand der ärztliche
zunspektor in einem Häuschen drei am Typhus erkrankte Personen,
ine Mutter und zwei Kinder. Dieselben hatten zu Mitbewohnern
desselben Raumes drei Kühe, eine Anzahl Federvieh, drei Katzen
ind einen großen Hund. Die Athmosphäre war währhaft mephi⸗
tisch. Ihr Trinkwasser holen die Leute aus einem Brunnen im
angrenzenden Felde, welcher in Wahrheit weiter nichts ist, als ein
nit dem Spaten gegrabener Wasserbehälter. In denselben münden
Drainröhren aus dem Felde ein und in denselben fließt das Wasser
»on daneben liegenden Kommunikationswegen. Das Feld wurde
m letzten Winter frisch gedüngt. Dus Wasser sah dunkel aus
und hatte eine fettige Haut auf der Oberfläche. Das sind zwar
inige der schlimmsien Beispiele; in seinen Grundzügen ist das
lebel indessen über die ganze Insel verbreitet, hier in eiwas stärkerem
Maße, dort etwas milder. Und da schreit das tugendsame Eng⸗
and über das materielle Elend der unterdrückten Völkerschaften
m Orient!!
J. Drei Kindermörder vor Gericht. Jüngst wurde in
Warschau die sensationelle Schlußverhandlung gegen drei Kin—
ermörder, und zwar gegen die Wittwe Schimtischak, deren Geliebten
-ztempniak und die Hebeamme Schifers zu Ende geführt. Die
»eiden Erstgenannten befaßten sich nämlich seit Jahren mit der
Unfnahme und „Ernährung“ von elternlosen Kindern welche sie
yon der Hebeamme Schifers erhielten. Es klingt geradezu ungiaub—
ich, welche Martern die armen Kinder bei Frau Schimtschak zu
erleiden hatten, ehe sie weggelegt wurden. Dieselben wurden in
zroßen Kisten eingesperrt gehalten, in welchen sie entweder erstickten
»der des Hungers starben. Dann nahm der Geliebte Stempniak
zie Leichen und warf dieselben in verschiedenen Gegenden der Stadt
iuf Kehrichthaufen. Dem ruchlosen Weibe konnte die Ermordung
»on 16 Kindern nachgewiesen werden. Und welche Strafe traf
aun diese menschliche HNänen? Man staune! Das Urtheil lautete
ür Schimtschak auf drei Jahre, für Schifers anf vier Monate ()
ind für Stempniak auf drei Monate (H Kerker mit der üblichen
tirchenbuße.
F In Dieppe hat die Badepolizei folgende mit lobens—
verther Diskretion abgefaßte Verordnung erlassen: „Den Bade—
värtern wird hiermit anbefohlen, wenn eine Dame in Gefahr des
Ertrinkens geräth, dieselbe am Kleide zu erfassen und nicht an den
daaren, weil diese gewöhnlich in der Hand des darnach Greifenden
urückbleiben.“
F Wer Lust hat Fürst, Herzog oder dergleichen zu
werden, braucht sich künftig nicht mehr an die Republik von San
Marino oder an den Papst zu wenden. Man kann dasselbe jetzt
nuch bei der italienischen Regierung haben. Um den Ausfall in
den Finanzen zu decken, welchen die Aufhebung der Mahlsteuer
jerbeiführt, hat das italienische Parlament ällerlei kleine Finanzge⸗
etze auf Antrag der Regierung bewilligt. Unter diesen befindet
ich auch ein Tarif üher die Erwerbung von Adelstiteln u. s. w.
diesem Tarife nach kostet künftig der Fürstentitel 30,000 Lire,
»er Herzogstitel 25,000 Lire, der Marquistitel 20,000 Lire, der
ßrafentitel (Conte) 15,000 Lire, der Titel eines Barons oder
Vikomtes 10. 000 Lire, jeder andere Adelstitel 53000 Lire. Wunscht