Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Sl. Ingberler Anzeiger. 
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Samstag den 3. Januar 1 
1880 
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Deutsches Neich. 
Im Reichskanzleramte oder vielmehr im Reichssamte des Innern, 
wie es nunmehr heißt, ist man, einer Nachricht der „Magdeburger 
Zeitung“ zufolge, mit der Ausarbeitung eines Versicherungsgesetzes 
deschäftigt, welches Normatiobestimmungen für Versicherungsgesell⸗ 
schaften jeglicher Art aufstellen soll. Von der Einrichtung eines 
Reichsamtes für Versicherungswesen oder einer sonstigen Reichsauf⸗ 
sichtsbehörde ist in dem Entwurfe mit keinem Worte die Rede. 
dilem Anscheine nach ist die Frage der Reichsaufsicht durch ein 
eigenes Amt in den früheren lommissarischen Verhandlungen nur 
dilatorisch behandelt worden. Ob der fragliche Entwurf dem Reichs 
age noch in der bevorstehenden Session zugehen wird, ist gegen— 
wärtig noch zweifelhaft. 
Unerwarteter Weise scheint der Zusammenhang zwischen den 
russischen Nihilisten und den deutschen Socialdemokraten viel enger 
und directer zu sein, als man bisher angenommen; diese Thatsache 
wird durch eine jüngste Entdechnng in eine ganz neue Beleuchtung 
gesetzt. Die Gerüchte von der Entdeckung einer geheimen nihili⸗ 
susch-socialistischen Druderei in Berlin erweisen sich als durchaus 
begründet. Die Untersuchung ist in vollem Gange und scheint 
beträchtliche Dimensionen anzunehmen; doch wird selbstverständlich 
von polizeilicher Seite strenges Geheimniß über die bisherigen Er— 
gebnisse der Untersuchung bewahrt. 
Ueber die Entdeckung der geheimen Druckerei in Berlin 
entnehmen wir der „Nordd. Allg. Ztg.“ noch Folgendes: Am 
ersten Weihnachtsfeiertage Nachmittags wurde Planufer Nr. 20 in 
cinem Quartier, welches der berüchtigte anarchistische Agitator, 
Schriftsetzer Emil Werner bewohnte, eine geheime Druckerei entdeckt 
umd aufgehoben. Werner wurde beim Setzen der letzten Seite einer 
ultratebclutionären Zeitung betitelt: „Der Kampf“, betroffen, von 
welcher eine sehr große Anzahl fast fertig gestellter Eremplare vor— 
gefunden und nebst der Presse und allcn Druckerei-Vorrichtungen 
in Beschlag genommen wurden. Die Verhaftung Werner's erfolgte 
unmintelbar darauf. Sein Helfershelfer, ein österreichischer und X 
sachsischer Sozialdemokrat, wurden ebenfalls alsbald festgenommen; 
am nachsten Morgen auch ein polnischer Student, welcher den Ver— 
trieb der Zeitung hierorts besorgen sollte. Dem Vernehnien nach 
it gegen die Verhafteten bereits die Voruntersuchung wegen vorbe⸗ 
reitender Handlungen zum Hochverrath eingeleitet worden. Werner 
hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Er betheiligte sich u. A. 
in der letzten polnischen Revolution, gerieth in russische Gefangen⸗ 
schait und war mehrere Jahre in Sibirien detenirt. Später tauchte 
er in der Schweiz auf und gehörte zu den in Bern angeklagten 
Agitatoren der „Internationale“, welche dort den bekannten Putsch 
in Szene gesetzt hatten. Es scheint nach den in Beschlag genom⸗ 
menen Papieren keinem Zweifel zu unterliegen, daß die Verhafteten 
mit den vorgeschrittensten revolutionären Elementen in Rußland, 
in der Schweiz ꝛc. in Verbindung stehen, namentlich hat sich Dieß 
auch bezügiich der kürzlich in Verlin verurtheilten Nihilisten Gure⸗ 
witz und Genossen aus der vorgefundenen Korrespondenz ergeben. 
Im Reichsschatzamte sind nunmehr — wie die „Wes. Zig.“ 
schreibt — die Vorarbeiten für den Etats Entwurf fer 188081 
abgeschlossen, so daß die Vorlegung an den Bundesrath bevorsteht. 
Der Militar⸗Etat enthalt eine Mehrforderung von 4 bis 5 Mil— 
onen Mark, in Folge der Steigerung der Getreide: und Foura⸗ 
zeyreise. Der Etats-Entwurf bezieht sich ausschließlich auf das 
Jahr 1880,81. 
m Tay⸗Strom. Der andauernde Sturm verhinderte eine weitere 
Operation. Nur ein Leichnam wurde gefunden. 
Wie der „Voss. Zig.“ aus Rom telegraphirt wird, hat Car⸗ 
dinal Rina in Folge adminiftrativer Streitigkeiten mit Leo XIII. 
ine Entlassung gegeben, die von diejem unter vier Augen ange⸗ 
ommen worden ist. Jacobini ist als Nachfolger Nina's nach Rom 
zerufen worden. Eine Ausföhnung Leo's mit Nina ailt als un⸗ 
vahrscheinlich. 
Madrid, 30. Dezember. Die kanarischen Inseln wurden 
im 21. Dezember von bedeutenden Ueberschwemmungen heimge—⸗ 
ucht, welche große Verwüstungen anrichteten. Die Häuser sind 
ingestürzt und die Ernte vernichtet. — Offiziellen Meldungen aus 
Zuda zufolge unterwarfen sich Peralta und zwei andere Insur⸗ 
gentenführer der Regierung; die Ergebung des Obersten Pavia 
steht gleichfallzs bevor. 
Madrid, 31. Dez. Nach weiteren amtlichen Mittheilungen 
heißt der Attentäter Francesco Otero und ist Galicianer. Dersekbe 
iagte, er sei Kuchenbäcker gewesen und hätte wegen des schlechten 
Standes seiner Geschäfte den Entschluß gefaßt, sich das Leben zu 
nehmen, doch habe ihm ein Freund gerathen, ein Attentat auf das 
deben des Königs zu machen. Der Attentäter erklärte ferner, Mit⸗ 
schuldige zu haben; einer derselben ist bereits verhaftet worden, der 
dere wird noch gesucht. — Der Konig zeigte bei dem Attentat 
große Unerschrockenheit und auch die Konigin bewahrte volle Ruhe. 
Die lehzten Dezembertage waren in den Jahrbüchern der 
panischen Geschichte schon einmal mit blutiger Hand verzeichnet. 
Heneral Prim war vor neun Jahren am 27. Dezember in den 
Straßen Madrids ermordet wordeu. Gerade gestern fand in der 
panischen Haupistadt eine kirchliche Gedächtnißfeier für den General 
Prim statt. Die Theilnahme, sagt die amtliche Depesche, war eine 
venig zahlteiche, obschon die Journale der Oppositianspartei in 
hren gestrigen Artiteln die Liberalen zur Betheiligung aufgefordert 
ind den Anlaß überhaupt benutzt hatten, Erregung gegen die Re⸗ 
gierung hervorzurufen. Diese Etregung scheint nun allerdings doch 
in höherem Grade vorhanden gewesen zu sein, sonst hatte sich schwer⸗ 
lich der Verbrecher gefunden, dessen Name heut in ganz Europa 
mit Abscheu und Entsetzen genannt wird. 
Was diesem Mordanfall sein ganz besonders verworfenes Ge⸗ 
)rage aufdrück, ist die Kaltblütigkeit, mit welcher der Morder sein 
heschoß zugleich auf den König und die junge unschuldsvolle Konigin 
gerichtet hat, deren jugendlicher Liebreiz und deren mildthatiges 
derz doch, wie man hätte annehmen sollen, auf die Gemüther 
imdathisch versohnend wirken mußte. König Alphons und Konigin 
Flisabeth sind freilich dazu verurtheilt, als Herrscher über das 
panische Volk die Schuld der koniglichen Eltern und Voreltern zu 
uühnen. Selbst ohne Verschulden, werden an ihnen in biblischer 
Weise die Sünden der Väter und Mütter heimgesucht, aber die 
Jönigsmörder von Madrid dürfen in dieser hisiorischen Velastung ihrer 
Angriffsobjelte auch nicht den mindesten Vorwand für ihr arauen⸗ 
»olles Thun erbliden. 
Spanien gehoͤrt zu den unglücklichsten Landern des Kontinents. 
Vielleicht, daß diese neue Erschütterung in König Alphons endlich 
ene Energie des Willens wedt, welche unumganglich ist, um dem 
ief zerrütieten Lande, jenes innere Gedeihen wiederzugeben, dessen 
aig lange entrashen mukte und daa ihm so sehr Noth thut. 
Vermijschtes. 
4 Eisenber g, 29. Dez. In der verflossenen Nacht gelang 
s einem Iltis, ein Loch zu dem Hühneestalle des Herrn Bürger⸗ 
neisters F. Holzbacher dahier durchzuarbeiten. Nachdem derselbe 
nit dieset Arbeit fertig, lohnte er seine Muͤhe damit, daß er sich 
as Blut von 18 Huhnern und 1 Hahn, die er getodtet, gut 
chmeden ließ. 
FBei Mondorf wurden wie die „Saar⸗Ztg.“ meldet, 
vorgesietn (28. Dez.) zwei Wolfe gesehen, welche ganz nahe dem 
Dorfe vorbeigingen. 
4 Zum Attentat auf Herrn Direktor Fromm. Der 
Direltor det Maxhütte, Hert Ftomm, auf welchen vor Kurzem be⸗ 
Ausland. 
London, 30. Dez. Der ojifiziöse „Standard, erklärt die 
Nachricht über ein Arrangement zwischen England und Rußland, 
bezuglich Central⸗Asiens sei ganzlich unbegründet. Gleichzeitig nennt 
Standard“ alle Nachrichten weiche von einer Wiederherstellung 
des Drei⸗Kaiser⸗Bündnisses reden, eine Fälschung der Geschichte. 
Das deutsche Schiff „Leda“, aus Bremen gebürtig, mit Petroleum 
pon New⸗-Hork kommend, lief bei Goodwin auf eine Sandbank. 
Die ganze Mannschaft wurde geretiet. — Aus Dundee wird gemel⸗ 
det: Endlich fanden Taucher die genaue Lage des Unaglücks-Trains