Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberker AAnzeiger. 
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Donnerstag, den 12. August 1880. 
— 
Deutsches Reich. 
Se. Maj. der König von Bayern hat genehmigt, daß vom 
Beginn des Studienjahres 1880/81 au die Anzahl der Stunden 
ür den Religionsunterricht in den beiden oberen Classen des Gym— 
aasiums auf je zwei Wochenstunden erhöht und zur Gymnasial—⸗ 
Absolutorialprüfung der Religionslehrer als vollberechtigtes Mitglied 
der Prüfungscommission zugezogen werde. Der Lehrplan des Gyni— 
nasiums and die Zahl der den übrigen Lehrgegenständen zugewiesenen 
vöchentlichen Unterrichtsstunden erleiden hierdurch keine Veränderung. 
Auf die Realgymnasien findet diese Bestimmung gleichmäßige An— 
vendung. Durch diesen Erlaß ist ein bei der letzten Budgetberath— 
ing auf der rechten Seite der Abgeordnetenkammer ausgesprochener 
Wunsch erfüllt. 
Eine Wiener Korrespondenz der Prager „Bohemia“ bringt etwas 
Nachträgliches zur Berliner Conferenz, das Bayern anginge und 
m nächsten Budgetlandtage eine Rolle spielen könnte. „Bahern hat 
nämlich,“ so schreibt besagter Korrespondent, „noch aus Königs 
Itto's Zeiten, wo es Griechenland noch mit Vorschüssen aushalf, 
rechtsgiltige Forderungen an das Königreich, über welche rechtsgiltige, 
jon hellenischen Gesandten und Ministern kontrasignirte Urkunden 
ristiren, und für die ausdrücklich nicht eine Dynastie, sondern „Grie— 
henland“ überhaupt Schuldner ist. Während, der Berliner Con— 
erenz überraschte nun Fürst Bismarck aus Ansuchen Bayerns in 
einer gewohnten energisch⸗dastrischen Weise die griechischen Gesandten 
Rhangabe und Vrailas mit der Aufforderung, endlich diese Ange— 
egenheit zu ordnen, da säumige Schuldner kein Anrecht auf Europa's 
Zympathien hätten. Die griechischen Diplomaten gelobten, sofort 
hre Regierung zur Austragung der Affaire zu vermögen, doch isi 
zisher nichts über eine solche Austragung bekannt, immerhin hofft 
nan aber, wenigstens einen Theil des alten Debets hereinzubringen.“ 
Es sind jüngsihin in Bayern noch einige Hunderttausende aus der 
rranzösischen Kriegskostenentschädigung aufgetaucht, die vergessen 
chienen, da braucht es Niemand zu wundern, wenn ein Schuld— 
chein, der von Griechenland unterschrieben ist, vergessen wurde. 
Daß aber auf der „Berliner Konferenz“ die Sache durch Bismarck 
zur Sprache gebracht wurde, erlauben wir uns schon deßwegen zu 
yezweifeln, weil Bismarck an der Konferenz gar nicht Antheil nahm. 
Angenehm wäre es übrigens, wenn man sich im Zinsesrechnen 
iben müßte. 
Nach der „Elsaß-Lothr. Zeitung“ hat der Kaiser den könig— 
ich preußischen Staatsminister Hofmann zum Staatssekretär von 
Eliaß⸗Lothringen mit dem Prädikat „Erzellenz“ ernannt. 
Ausland. 
Kaiser Wilhelm traf am 9. August Abends, von Gastein 
ommend, unter strömendem Regen in Aussee ein, wo er über— 
aachtete. Am Morgen des 10. August setzte er dann die Reise nach 
Obertraun fort, wo er bei seiner Ankunft um 1122 Uhr Vormit⸗ 
ags den kurz vorher angelangten Kaiser Franz Josef traf. Letz— 
erer stieg zum Kaiser Wilhelm in's Coupé und begrüßte ihn auf's 
zerzlichste. Hierauf fuhren beide Monarchen nach Ischl, wo sie, am 
Bahnhofe von der Kaiserin von Oesterreich erwartet, um 12 Uhr 
»intrafen. Trotz heftigen Regens war hier ein zahlreiches Publikuin 
ersammelt, welches die Herrschaften enthusiastisch begrüßte. Der 
Deutsche Kaiser fuhr sodann mit dem Kaiser und der Kaiserin von 
Desterreich und dem Prinzen Reuß (deutscher Botschafter in Wien), 
er zur Begrüßung des Kaisers nach Ischl gekommen war, nach 
dem Hotel Elisabeth, wo um 2 Uhr Hoftafel stattfand, wozu auch 
rürst Milan von Serbien, der gegenwärtig zur Eur in Ischl ist, 
jeladen war. Wegen des schlechlen Wetters unterblieb der beab— 
3 Ausflug nach Strobl und die Rundfahrt um den Wolf— 
angsee. 
Ueber die Kaiser-⸗Zusammenkunft in Ischl schreibt das „Berl. 
Lgbl.“: Die Begegnung der beiden mächtigen Monarchen hat weit 
öhere Bedeutung, als einem gewöhnlichen Höflichkeitsakte innewohnt. 
sicht blos weil es mächtige Fürsten sind, die sich die Hände reichen, 
ichten sich Aller Augen nach der lieblichen Sommerfrische in den 
berösterreichischen Alpen; das historische Gewicht der brüderlichen 
Umarmungen zu Ischl liegt vielmehr darin, daß die höchflen 
Repräsentanten zweier vormals rivalisirenden Gewalten, jetzt in 
Treuen verbunden sind, weil sie Ziele verfolgen, die getrennte sind 
und doch einander unterstützen. Deutschland und Oesterreich gehen 
jetzt in ihren politischen Bestrebungen Hand in Hand, wie es die 
Kaiser in Ischl thun, und das bedeutet eine neue und schöne Epoche 
in der Geschichte des mitteleuropäischen Kontinents. Keine Eifer— 
jucht trennt mehr die stammverwandien Nachbarn, und der Glan z 
der vereinten Gestirne wirft jetzt schon sein strahlendes Licht in den 
fernen Osten. 
Was Fürst Bismarck im Herbst vorigen Jahres während seines 
Aufenthaltes in Wien mit kühnem Wagen eingeleitet, was verständniß 
nniges Entgegenkommen von der anderen Seite aufzubauen geholfen 
jat, das erhält jetzt durch die Monarchen selbst die letzte Weihe, 
»em geben jetzt die Fürsten in Person feierliche Bekräftigung. 
Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Josef auf Grund des Bis— 
narckischen Programmes vom Herbst 1879 beisammen, — das ist 
in Sinnbild der Politik, welche der innige Wunsch früherer Ge— 
nerationen gewesen und die nächsten Generationen beherrschen wird. 
Mit Freuden blicken wir auf dieses Wahrzeichen hin und aus vollem 
herzen rufen wir: Heil den kaiserlichen Freunden! 
Bei den in Frankreich statigehabten Stichwahlen für die 
ßeneralräthe haben die Republikaner, wie bei der Hauptwahl, ent⸗ 
chieden gesiegt. 
Reuter's Bureau meldet aus Konstanutinopel: Der Sul—⸗ 
an befahl heute dem Kriegsminister, am 11. August mit 4000 
Mann sich nach Dulcigno zu begeben. Der Minister soll die Ga— 
rantie übernehmen, daß der District Dulcigno in der stipulirten 
Zeit an Montenegro übergeben werde. — Der Sultan befahl ferner 
das Project einer anderen Grenzlinie gegen Griechenland bis in's 
Finzelnste auszuarbeiten, welches den Großmächten unterbreitet 
verden soll. 
Vermischtes. 
*St. Ingbert, 12. August. Der in der letzten Zeit 
ahier sehr häufig und gefährlich auftretenden diphtheritischen ünd 
Scharlach-Erkrankungen halber wurden heute Morgen von Hrn. 
Inspektor Dengel auf ärztlichen Wunsch die katholischen Schulen 
geschlossen. 
*St. Ingbert. Anläßlich der Belobung des Standes— 
heamten unserer Stadt wegen musterhafter Führung der Standes⸗ 
egister bewilligte der Stadtrath in seiner letzten Sitzung Hrn. 
Stadtschreiber Bayer eine Remuneration von 75 M. — Gleich— 
eitig beschloß der Stadtrath, dem Antrage der Ortsschul- und Fori— 
ildungsschul-Kommission entsprechend, den 3. Curs der gewerblichen 
Fortbildungsschule, welcher vor etwa 2 Jahren errichtet worden 
var, aufzuheben und dafür wieder die Sonntagsschule mit je 2 
Stunden Unterrichtszeit an einem Sonntag-Morgen einzuführen. 
Dieser Sonntagsschule sollen aus der Fortbildungsschule alle schwä— 
heren Schüler überwesen werden. In die Fortbildungsschule 
— 
ziesen die besser unterrichteten Knaben einzutreten. Mit der Er— 
heilung des Unterrichts in der einzuführenden Sonntagsschule wurde 
or. Lehrer Schlau decker betraut. 
0 Aßweiler 11. August. In dem nahen Erfweiler 
ind vor einiger Zeit die Rötheln unter den Schulkindern ausge— 
zrochen und von diesen sind etwa 30 daran erkrankt. Um die Ge— 
ahr einer weiteren Ansteckung nicht zu erhöhen, wurde auf Antrag 
»es Amtsarztes von Blieskastel durch das kgl. Bezirksamt der Schul⸗ 
interricht vorläufig auf 8 Tage geschlossen. 
f Laut Bescheid der kgl. Staatsregierung auf den vorjährigen 
Jahresbericht der Handels- und Gewerbekammer der Pfalz ist die⸗ 
elbe mit der Kammer darüber einverstanden, daß die Realcredit⸗ 
erhältnisse der Pfalz ungenügend sind, daß indeß eine Ver— 
jesserung derselben durch die allerdings mangelhafte Hypothekenge⸗ 
etzgebung der Pfalz nicht absolut ausgeschlossen wird, und daß 
zieses Ziel vielleicht durch ein auf Gegenseitigkeit beruhendes Pfand⸗ 
nstitut nach dem Muster des Berliner Pfandbriefamtes erreicht 
verden könnte. Die kal. Staatsregierung ist daher. falls die An⸗