St. Ingberler Anzeiger.
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M 14. Samstag den 24. Januar
1880.
— ü—ü
Deutsches Reich.
Dem „Pf. K.“ wird aus München geschrieben: Auf An⸗
regung einiger Abgeordneten, welche Landwirthe sind, ist man so⸗
ben mit der Bildung einer aus Mitgliedern der beiden Kammer⸗
ractionen bestehenden “Freien Vereinigung“ zur Besprechung bezw.
Vorberathung des Gesetzentwurfes über den Branntwein—
rufschlag beschäftigt. Diese „Freie Vereinigung“ wird an
inem der nächsten Tage zum ersten Mal zusammentreten. Der
Finanzminister v. Riedel hat sich zur Theilnahme an diesen Be⸗
prechungen bereit erkllärt. Daß dieses Vorgehen zu einer Verstän—
dignng über den Gesetzentwurf führen wird. dürfte außer
zweifel sein.
Das preußische Abgeordnetenhaus hat am Dienstag in
weiter Lesung den viel angefeindeten Gesetzentwurf über die Steuer
»om Vertrieb geistiger Getränke mit 192 gegen 175 Stimmen ab⸗
zelehnt. Ein großer Theil der Nationalliberalen wäre zwar dafür
zewesen, den Branntwein zu besteuern, wollte aber Bier und Wein
don der Steuer ausgenommen sehen. Die Regierung aber bestand
darauf, daß auch letztere Getränke besteuert würden, weil namentlich
azuch im Biergenuß zu viel geschehe. Die Fortschrittler bekämpften
»en Gesetzentwurf, weil er die Gewerbe schädige, ohne die unreellen
Beschäftsleute wirksam zu treffen; sie machten auch geltend, es sei
nicht sowohl Aufgabe der Steuergesetzgebung als vielmehr der Poli⸗—
ei, die Unsittlichkeit zu bekämpfen.
Der preußische Finanzminister geht, wie es heißt, mit
em Gedanken um, die Staatsschuld Preußens in eine Rentenschuld
wie in Frankreich) umzuwandeln.
Ausland.
Paris. Die hauptsächlichsten Bestimmungen des Ferry'schen
gesetzentwurfs über die Verpflichtung zum Volksunterricht sind: Als
Strafen der Schulversäumniß sind bestimmt: Verweis, Nennung
zurch öffentlichen Anschlag, polizeiliche Bestrafung säumiger und
aachlässiger Eltern. Arme schulpflichtige Kinder sollen unterstützt
werden. Bei der Unentgeltlichkeit des Unterrichts sind die Gemeinden
jerbunden, vier, und wenn erforderlich fünf, Zuschlags ⸗Centimes
jon der Gemeindesteuer zu den Schulkosten beizutragen.
Die französische Abgeordnetenkammer beschloß mit 857
jegen 110 Stimmen die Abschaffung der Militärgeistlichkeit.
In Frankreich will man jetzt die Hauptleute der Infan⸗
erie beritten machen.
Der Etat der Mannschaften in der frauzösischen Infan⸗
erie beläuft sich auf 212000 Mann. Der Kriegsminister forderte
iun jüngst Berichte über die Zahl der Abkommandirten, Beur⸗
aubten u. s. w. ein, wobei sich das Mißverhältniß herausstellte,
daß die Zahl aller vom Dienste befreiten (Tambour⸗ und Hornisten⸗
*leven, Arbeiter, Wachmannschaften, Schreiber, Kranke, Beurlaubte,
Ordonnanzen u. s. w.) 54 500 Mann beträgt. Statt der 212 000
Mann des Budgeis befinden sich also nur 132 500 Mann im
virklichen Dienst. Dieser Umstand wird Veranlassung sein, in der
Irganisation der Infanterie und im Reglement über den Garnison⸗
ienst großere Reformen einzuführen.
Fur das am 85. Februar durch die Königin in Person zu
coffnende englische Parlament sieht man gleich zu Anfang hef⸗
igen Kämpfen entgegen. Die Opposition wird ihren Feldzug gegen
eie Regierung sofort eröffnen und dieselbe über die auswärtigen
Ungelegenheiten interpelliren. Lord Beaconsfield soll, wenn das
„on ihm zu verlangende Vertrauensvotum ihm nicht mit einer glän⸗
enden Majorität ertheilt werden solle, das Parlament sofort auf⸗
ssen wollen; das Ergebniß der eventuellen Wahlkämpfe würde für
as Schickfal Englands auf geraume Zeit hinaus entscheidend sein.
Aus der englischen Haupistadt verlautet, daß an Stelle
mtons Lord George Hamilton zum Vicekonig von Indien er—⸗
annt werden solle.
Die Vorgänge in Irland werden immer bedrohlicher. Der
»ewaffnete Widerstand gegen die Executivbeamten der Gerichte und
Zolizei gehört zu den Alltäglichkeiten. Sowie die Ankunft einer
rößeren Abtheilung von Policemen fignalisirt ist, rotten sich die
Massen zusammen, und der Zusammenstoß wird unbvermeidlich.
Wie gewoͤhnlich in Irland, führen dahei die Weiber den Reigen,
wie die Megären stürzen sie sich auf die Beamten und suchen ihnen
die Vollmachten und Vollzugsbefehle zu entreißen. In der Rahe
yon Claremorris in der Grafschaft Galway eröffneten 400 Weiber,
ille barfuß und barhaupt, den Angriff auf die Konstabler, die
ehr bald sich in größter Bedrängniß befanden und von ihrer
Waffe Gebrauch machen mußten, wobei es Scenen entsetzlicher
Bildheit und Verzweiflung gab.
In Griecchenland siehlen nicht nur die Räuber, sondern
rnuch die Minister. Den griechischen Kammern ist eine von 26 Ab⸗
jeordneten unterzeichnete Klageschrift zugegangen, worin der Kriegs⸗
ninister beschuldigt wird, 1000 Paar Schuhe zu 80,000 Drachmen
ind 15,000 Kisten Zwieback zu 45,000 Drachmen angekauft zu
jaben, welche Preise den Werth der Gegenstände bei wellem über⸗
teigen, während das Schuhwerk für Soldaten unbrauchbar und der
zwieback verstorben sei.
Vermischtes.
* St. Ingbert, 23. Januar. Gegenwärtig theilt unsere
-tadt mit andern Städten nicht das beruhigende Gefühl, bei
Feuersgefahr eine organisirte Feuerwehr zu besitzen. Unsere frei—
villige Feuerwehr war mit dem Schlusse des Jaͤhres 1879 auch
im Ende ihrer Laufbahn angelangt. Sie hat sich, nachdem sie
chon einige Zeit krankte, aufgelösst. Die Löschgeräthschaften der⸗
elben wurden von der Stadt uüͤbernommen. Zugleich wurde vom
-tadtrath eine Commission gewählt, der die rganisation einer
tädtischen Feuerwehr obliegt. Hoffentlich bleiben wir bis zum Ins⸗
ebentreten des neuen Instituts vor einem Brande verschont.
Unsere Leser machen wir, um sie vor Schaden zu bewah—
en, aufmerksam, daß nachstehende ausländische Münzen seit Neu—
ahr außer Cours gesetzt sind, also nur noch Metallwerth haben:
ülle französischen Münzen zu 20 und 50 Centimes, die vor 1864
zeprägt sind; alle französischen Geldstücke zu 1 und 2 Francs, die
vor 1866 geprägt sind; die griechischen, schweizerischen und bel⸗
zischen Silberstücke von 20 und 50 Cents. 1 und 2 Francs, so⸗
veit sie vor 1866 geprägt sind; endlich alle italienischen und
äpstlichen Silbermünzen zu 20 und 50 Centimes, 1 und 2 Fres.,
hne Rücksicht auf das Prägungsjahr.
Der Beginn der ersten Session des pfälzischen
A
estgesetzt und zum Vorsitzenden Oberlandesgerichtsrath Hessert
rnannt.
f Kaiserslautern. Die Bierpreise sind hier noch rascher
vechselnde, als selbst unsere abnormen Temperatur-Verhältnisse.
Bährend dermalen mehrere Brauer auf die Erhöhung des Liters
on 24 auf 26 Pf. drängen, trotzdem der Liter durchgängig „über
ie Straße“ zu 22 Pf. verkauft wird, war während der verfioffenen
Woche gutes Bier Liter 10 Pf. hier zu haben. Nach der „Pf. 3.“
väre der niedrige Bierpreis auf den schwachen Consum zurüchzu⸗
ühren; so soll kürzlich der Tagesverkauf eines elegant eingerichien
Zierlocals ganze zwei Schoppen betragen haben.
F Kaiserslautern. Dem Rentner Niedhammer wurde
em Vernehmen nach eröffnet, daß die Voruntersuchung gegen ihn
ind den Geschäftsführer der „Pfälz. Post“ wegen des beiannten
Pamphlets beendet sei und die Akten der kgl. Staatsbehörde zur
Antragstellung übergeben würden. (Pf. Pr.)
F Die Neustadter Jagd wurde für 690 Mtk. Herrn
zudwig Dacqus zugeschlagen. Bisher war sie für 280 Mark
erpachtet.
F. Der durch Wanderlehrer Napp don Goͤllheim in
ẽdenkoben in Aussicht genommene Curs zur Bildung von Obst⸗
„aumwärtern wird am 22. Maärz beginnen.
Den im August vorigen Is. durch Hagelschlag schwer heim⸗
esuchten Gemeinden des Kantons Winnweiler (Imsbach,
Zorrstadt und Falkenstein) wurde durch die k. Regierung eine Un—
erstützung von 1200 Mark überwiesen, welche nach der „K. Z.“
on den betr. Gemeinden zur Errichtung von Lokalhiliskassen der⸗
vendet werden.
.In Bruchweiler wurde gelegentlich einer Treibjagd
in Iltis ausgegraben. Einer der Jäget, Peter Müller d. J.