Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

der Türkei beendet und den Entwurf ohne wesentliche Aenderungen 
einstimmig angenommen. Die türkischen Mitglieder der Kommis⸗ 
sion hatten sich der Abstimmung enthalten. Der Entwurf soll 
nächstens unterzeichnet werden; die Kommission wird nach der Er⸗ 
orterung seiner Anwendbarkeit auf die verschiedenen Provinzen ihre 
Arbeiten schließen. Natürlich ist Alles das vergebliche Liebesmüh. 
— 
Vermischtes. 
f Unterschreibt keinen Wechsel! Bauersleute, 
Handwerker, Arbeiter! Unterschreibt nie einen Wechsel! Warum 
nicht? 1) Ihr könnt eure einmal gegebene Unterschrift nicht wie⸗ 
der zurücknehmen, so gern ihr es vielleicht thütet. 2) Der Wech⸗ 
sel muß am Verfalltage ohne Weigerung bezahlt werden, und zwar 
un Den, welcher denseiben in Händen hat. Dieser hat gar nicht 
darnach zu fragen, ob ihr die Schuld wirklich gemacht habt oder 
nicht. 8) Seid ihr nicht im Stande, zu bezahlen, so folgt sofort 
der Protest, Wechselklage und Beitreibung, Auͤes mit vielen Kosten 
derbunden. In wenigen Tagen habt ihr den Gerichtsvollzieher im 
Haus, und was Das zu bedeuten hat, braucht wohl nicht erklürt 
Ju werden. 4) Einreden können euch vor dem Bezahlen nicht 
zetten. Es kann Nichts helfen, daß ihr sagt, ihr wäret gar Nichts 
oder ihr wäret nicht so viel schuldig; auch nicht einmal, daß ihr 
sagt, ihr hättet nicht so viel unterschrieben. Ihr habt euren Na⸗ 
en unter den Wechsel geschrieben und müßt zahlen, so viel darauf 
steht. Und wenn euch auch versprochen waͤre, der Wechsel solle 
nicht in Umlauf gesetzt oder er solle am Verfalltag prolongirt 
werden, so nützt es euch Nichts, euch auf dieses Versprechen zu 
berufen. 5) Wenn ihr eine Schuld habt, versucht alles Mögliche, 
sie zu tilgen; verkauft oder entzieht euch lieber Etwas, sollte es 
euch auch hart ankommen — aber unterschreibt keinen Wechsel 
dafür, Ihr uͤbergebt euch in den meisten Fällen einem wildfremden 
Menschen auf Gnade oder Ungnade. 6) Sprecht euch über eure 
Lage aus und fragt ehrliche Leute um Rath, Schulden schänden 
nicht, wenn sie nicht auf schlechte Weise gemacht sind. Wenn der 
Wechseleigenthümer auch Wort hält und nicht über eure Geldver— 
legenheit spricht, am Ende, wenn euch Haus und Hof verkauft 
wird, wird eure Lage doch aller Welt offenbar. 7) Bei Allem, 
was ihr thut, bedenket das Ende. Mein seliger Großvater war 
ein kluger Mann, und golden war der Rath, den er immer wie— 
derholte: „Thu, was du thuest, aber keinen Wechsel unterschreibe!“ 
8) Schneide dir diese Warnung aus dem Blatt heraus, klebe sie 
an die Innenseite deiner Schlafkammerthür und lies sie wenigstens 
alle Sonntage einmal aufmerksam durch! Du und die Deinen 
zahren wohl dabei. 
F Nach einer von dem k. Rathe Dre Mayer hergestellten 
Statistik betrug die Gesammtzahl der Personen, welche ohne approbirte 
Aerzte zu sein die Behandlung erkrankter Menschen als Erwerbsquelle 
betteiben, am 81. Dezember 1879 in Bayern 1639, um 175 
weniger als im Jahre vorher. Dem Geschlechte nach besteht das 
dermalige Contingent der Pfuscher aus 1232 Männern und 407 
Weibern. Auf die einzelnen Regierungsbezirke vertheilen sich diese 
aicht approbirten Heilkünstler wie folgt: Oberbayern 251, Nieder⸗ 
—0 190, Oberfranken 161, Mittel⸗ 
franken 176, Unterfranken 101, Schwaben 304. 
Zweibrücken, 18. August. Der 66 Jahre alte Hein⸗ 
rich Danner von Oberauerbach, welcher sich am vorigen Mittwoch, 
waͤhrscheinlich in einer Anwandlung von Geistesstörung, von dort 
entfernt hat, ist gestern Vormittag oberhalb des Eishauses, zwischen 
Tschifflick und hier, von Bahnwart Fleischmann und Straßenwärter 
Beuich als Leiche aus dem Schwarzbach gezogen worden. 
In Pirmasens kam ein Bierbrauer, welcher erst vor 
ca. einem Vierkeljahre von dort mit ganzer Familie nach Amerika 
auswanderte, wieder an. Der vom Schichsal hart Betroffene mußte 
wahrend der Reise zwei seiner Kinder, welche den Anstrengungen 
erlagen, in's Wasser versenken sehen. Drüben fand er nicht, was 
er wariete und so raffte er noch zusammen, was ihm übrig ge⸗ 
hlieben, um die Heimreise zu bestreiten. Nach seiner Aussage wůrden 
in nächster Zeit diele erst kürzlich Ausgewanderte die deutsche Hei⸗ 
man hieder aufsuchen, wenn sie die Mittel dazu sich erst erübrigt 
haben. 
In Steinfeld wurde in einem Schwalbenneste eine 
flügge, junge Schwalbe von ganz weißer Farbe entdeckt. Dieselbe 
wird nach Speyer in das dortige Museum verbracht. 
paumersheim. Wie stark sich in unserer Gemeinde 
dieses Jahr die Mäuse vermehrt haben, möge Folgendes beweisen: 
Ein Aderer zog beim Pflügen die Stiefel aus und bestellte sein 
Tagwerk. Da sieh! Welch' Wunder! Als der wackere Landmann 
seine Stiefel wieder anzog, wuselte es in denselben — ein edles 
Mäusepaar hatte dort seine Wohnung aufgeschlagen und dieselbe 
zugleich mit acht Kleinen bevölkert. 
F Eine schauderhafte That wurde am Mittwoch Nachmittag 
in Ludwigshafen verübt: ein Fabrikarbeiter, Namens Fischer, 
hat die betagie Witiwe Stern, Eigenthümerin des sog. fünfstöckigen 
Faues hei delcher er in Miethe wohnte, durch einen Stich bezw. 
Schnitt mit dem Messer in den Hals getödtet. Der Mann war 
hurch seine Frau aus der Fabrik gerufen worden, und waren es 
Meinungsverschiedenheiten über die Miethe, welche ihn so in Wuth 
—D—— sich hinreißen ließ. 
In Lambsheim hat schon das Versandtgeschäft in 
Zwetschen begonnen; es wird für den Ztr. 6 M. für noch nicht 
zöllig reife Waare bezahlt. 
FVonder Blies. Eine beinahe unglaubliche Geschichte 
joll sich, wie man der „Metzer Ztg.“ berichtet, in den letzten Tagen 
der votigen Woche, in Woͤlferdingen bei Saargemund zuge— 
ragen haben. Ein 14 Jahre altes Mädchen war auf dem Felde 
mwdeit des Waldes mit Aehrenlesen beschäftigt. Plötzlich sprengte 
uf weißem Pferde aus dem Walde ein Reiter in feinem Rode 
ind Hute, jedoch zerrissenen Beinkleidern hervor, ergriff das nichts 
Schlinimes ahnende Mädchen, verstopfte ihm mit einem Tuche den 
Htuͤnd, setzte es auf das Pferd und schwang sich selbst in den Sattel. 
Nuf dem Felde beschäftigte Schnitter sahen den Vorgang und eilten 
rasch dem Entführer nach, ohne ihn jedoch einholen zu können. 
doffentlich wird diese mysteriöse Entführung bald aufgeklärt werden. 
Mainz, 18. August. Gestern Abend ist es der hiesigen 
Polizei gelungen, den Fabrikanten der vielen in der Umgegend cir⸗ 
ulirenden falschen Zwanzig-Markscheine zu verhaften. Derselbe ist 
ein aus Württemberg gebürtiger, seit 15 Jahren in Frankfurt an— 
jaäͤssiger Buchdruckergehilfe Ramens Emanuel Haas. Die Verhaft⸗ 
ung serfolgte in einem Cigarrengeschäft. Bei der Haussuchung fand 
man 350 falsche Zwanzig-Markscheine vor. Haas war sofort ge⸗ 
tändig und gab an, daß die Platten zu den Fälschungen sich in 
Frankfurt befänden. Die Scheine sind ziemlich gut nachgemacht, 
und vermuthet man, daß Haas zu deren Fabritation noch Gehilfen 
zehabt habe. 
— Der „Fränk. Ztg.“ wird ein heiteres Geschichtchen über die 
Abschiedsfeier des nach München versetzten Bahnhof⸗Inspektors 
Pernwerth v. Bärnstein in Treuchtlingen berichtet. Genanntes 
Blatt schreibt: „Da die Feierlichkeit im Bahnhofgebäude Statt fand, 
so war jedem Reisenden das Betreten des Wartsjaales 1. und 2. 
Classe verbbten. Nun kamen mit dem Schnellzug mehrere Passa⸗ 
ziere, die denselben betreten wollten, aber er war ihnen verwehrt. 
kiner der Herren ging dem Bureau zu und verlangte das auf⸗ 
iegende Beschwerdebuch, welches ihm jedoch erst nach einigem Hin⸗ 
ind Herreden ausgehaͤndigt wurde und nachdem er sich als kgl. 
Staatsminister Frhr. v. Crailsheim vorgestellt hatte; auch seine 
Zegleiter waren große Würdenträger des bayerischen Staates, Ge⸗ 
geral v. d. Tann und General v. Diehl, der vierte Herr war 
Finanzminister v. Riedel, welcher von Coburg zurückkehrte.“ 
Fuürst Bismartkhat sich in Kissingen am 15. Aug. 
wie der „Nat.⸗Zig.“ geschrieben wird, aaf der Personenwage in 
der Nähe der Saline, wie alljährlich, wiegen lassen. Der Fürst 
st leichter geworden: er wog gestern 237212 Pfund, während 
in vorigen Jahre sein Gewicht zu Anfang der Kur 247 ia am 
Schluß derselben 244 Pfund betrug, er hat also im Laufe des 
Jahres 6*2 Pfund verloren. 
F Eine neue Barriere mit Läutewerk zum Schließen der 
Bahnhof⸗ Uebergänge ist vom Architekten und Ingenieur Fritz Calons 
m Efsen erjunden worden. Personen, welche sich auf oder in 
der Nahe von Bahnübergängen befinden, werden durch ein Glocken⸗ 
ignal von dem Herrannahen eines Zuges in Kenntniß gesetzt. Der 
hahnübergang wird durch die Barriere erst dann geschlossen, wenn 
20 Glockenschläge (circa Minute) verhallt sind. Das muthwillige 
Deffnen der geschlossenen Barriere wird dem Wärter durch ein 
Zlockensignal angezeigt. Die Konstruktion der Barriere ist derartig, 
daß dieselbe ohne vorheriges Geläute nicht geschlossen werden kann. 
derrn Calons ist seitens des Kaiserlichen Patentamtes laut Schreiben 
om 3. d. M. ein Patent für diese Barriere ertheilt worden. 
p Der Verband deutscher Müller hält seine dreizehnte 
xxdentliche Generalversammlung am 5., 6.. 7. und 8. September 
1880 in Dresden ab. 
Im Rechnungsjahre 1879,80 sind in der Reichsdruckerei zu 
gerlin 106,437500 Stück gestempelte Postkarten angefertigt 
vorden. Es wurden also, das Jahr zu 306 Arbeitstagen gerech⸗ 
iet, bei einer zehnstündigen Arbeitszeit, läglich rund 380,000 Karten 
jeliefert. Zur Herstellung einer — durchschnittlich 
eden Tag 28 Personen, drei Pressen und die erforderliche Anzahl 
von Hand⸗Schneidemaschinen in Thätigkeit. Wird berücksichtigt, 
zaß die Postkarten nur einen Bruchtheil der insgesammt erforder⸗ 
ichen Postwerthzeichen darftellen, und daß außerdem mehrere hun⸗ 
eu Millsonen anderer Postwerihzeichen anzufertigen sind — im 
Jahre 1878 z. B.betrug die Gesammtzahl 758,843, 100 Stüd 
so kann man sich annähernd eine Vorstellung von dem Um⸗ 
'ang der Leistungen der Reichsdrudkerei für die Zwece der Reichs⸗ 
dostverwgltung machen. 
* —* schreibt dem Hann. Courier: Das in den Blättern 
zielfach besprochene schlafende Mäd chein habe ich gestern 
vieder besucht, nachdem ich dasselbe am 25. Juli bereits einmal 
seschen. Es bleibt jede Voraussetzung von Humbug um so mehr