Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Hl. Ingberler Anzeiger. 
Der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich? mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei— 
lage) erscheint wöchentlich viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementévpreis beträgt vierieljahrlich 
MA 40 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen I A 60 H, einschließlich 40 Zustellgebuhr. Anzeigen werden mit 10 H, von Auswärts 
mit 15 — fur die viergespaltene Zeile Blattschrist oder deren Ruum, Reclamen mit 30 4 pro Zeile berechnet. 
48 136. Donnerstag, den 26. August 1880. 
Rönigliche Proklamation. 
An Mein Volk. 
Es ist Meinem Herzen ein Bedürfniß, an dem Tage, welcher 
zu Ehren meines Hauses festlich begangen wird, dem wahren und 
tiefen Danke Ausdruck zu geben, den Ich bei dem Rückblick auf 
iieben Jahrhunderte empfinde. Dieser Dank gilt der unwandel— 
haren Treue und Anhänglichkeit, mit welcher Mein Volk dem Throne 
der Wittelsbacher ergeben ist. Unter den Eigenschaften, welche den 
Ruhm aller Stämme Meines Volkes bilden, steht rein und glän— 
zend die Treue und Anhänglichkeit obenan: die Treue ist Mir die 
Brundlage Meines Thrones, die Anhänalichkeit der schönste Juwel 
Meiner Krone. 
Mit dem innigsten Danke verbinde Ich die Versicherung, daß 
das Glück Meines treuen Volkes das Ziel Meiner heißesten Wünsche, 
daß es die Bedingung Meines eigenen Glückes ist. 
Gleich Meinen in Gott ruhenden Ahnen, deren Andenken in 
diesen Tagen mit so rührenden Beweisen der Pietät geehrt wird, 
bin Ich von dem vertrauensvollen Bewußtsein durchdrungen, daß 
Mein Volk in allen Zeiten fest zu seinem Fürsten steht. Mit 
ziesem erhebenden Gefühle trete Ich in das achte Jahrhundert der 
Regierung Meines Hauses ein. 
Möge Meinem Volke ungetrübte Wohlfahrt beschieden sein für 
alle Zeiten: Das walte Gott! 
Elmau, 22. Aua. 1880. Ludwig. 
Deutjiches Reich. 
Muünchen. Se. Maj. der König hat durch Schreiben 
d. d. Linderhof den 19. ds. Mts. die Adressen beider Kammern 
in huldvollster Weise erwidert. — Laut der „Augsburger Post⸗ 
eitung“ hat der Gesummtepiskopat Bayerns zum Jubiläumsfeste 
eine Huldigungsadresse an den Koönig gerichtet. 
Der deutsche Kronprinz ist am Montag Morgen in Neu—⸗ 
Ulin angekommen und von der Generalität empfangen worden. 
Die Besichtigung der Truppen nahm den günstigsten Verlauf. So— 
zann erfolgte ein Besuch des Ulmer Münsters und darauf die Ab⸗ 
fahrt des Kronprinzen nach Friedrichshafen und Mainan. 
Bei Berathung der Eisenzölle ist von freihändlerischer 
Zeite darauf hingewiesen worden, daß wenigstens Gießere i— 
Roheisen vom Zoll freibleiben sollte, da andernfalls ein wich— 
tiges Rohprodukt belastet würde, ohne daß der eigentliche Zweck 
»es Zollschutzes, die Verdrängung des ausländischen — in diesem 
Falle englischen — Produktes vom deutschen Markte, nach Lage 
)er Verhältnisse erzielt werden könne. Die Handelsstatistik hat dieser 
»ppositionellen, in der Minderheit gebliebenen Auffassung Recht ge— 
geben. Trotz des Zolles von 10 M. pro Tonne Roheisen haben 
vir z. B. im Monat Juni 140,000, im Monat Juli sogar 
368,620 Zentner Roheisen mehr von England bezogen, als in 
denselben Monaten des vorigen Jahres. Ein großer Theil der 
Hießereien, welche mehr als geneigt sind, den „Schutz der nationalen 
Arbeit“ zu respektiren, können eigenem Eingeständniß zufolge nicht 
daran denken, mehr als ein Fünftel ihres Bedarfs zur Verarbeitung 
durch deutsches Roheisen zu decken. Vier Fünftel müssen sie — 
»b Zoll ob nicht — aus England und Schottland beziehen. 
Im Oltober d. J. sollen nun auch die vom Bundesrathe be— 
chlosseneen Erhebungen über den Tabakbau und die 
Tabekkabrikation beginnen, welche sich auf sehr viele bisher 
unberücksichtigt gebliebene Einzelheiten erstrecken. „‚Man wird wohl 
nicht irren — schreibt man dieserhalb der „Köln. Ztg.“ aus Ber⸗ 
iin — wenn man annimmt, daß diese sehr umfangreiche Arbeit 
ür die damit betrauten statistischen Behörden lediglich zu dem 
Zwecke angeordnet ist, weitere Gruͤndlagen für das Vorgehen mit 
dem Tabakmonopol zu erlangen. 
Die „Nordd. Allgem. Ztg.“ hebt in einem Leitartikel bezüg⸗ 
—— 
ich der Auslassungen Gambetta's in Cherbourg 
servor: die Aeußerungen Grevy's und Freycinets in Dijon und 
Montauban geben zu lebhafter Befriedigung die Gewißheit, daß in 
er auffälligen Rede des Kammerpräsidenten nicht Frankreich, sondern 
dambetta persönlich gesprochen. Der Artikel beleuchtet sodann den 
Begriff der von Gambetta angerufenen Gerechtigkeit, welche sich auf 
zie Raubkriege Ludwigs XIV. und auf die Schwäche und innere 
Jerrissenheit Deutschlands gründe, erinnert ferner an die seit 200 
zahren von Frankreich in Deutschland gemachten Einfälle. Bisher 
chienen die Staatsmänner der französischen Republik in richtiger 
Vürdigung der Thatsache, daß die Mehrheit auch der französischen 
station sich kaum je für einen Krieg erwärme, zu welchem sie nicht 
urch einen Angriff gezwungen sei, ihrerseits friedlichere Wege zu 
jehen als die Bourbonen und bonapartistischen Kaiser. Namentlich 
hatte Gambetta sich den Ruf eines Freundes — man kann fast 
agen einer Bürgschaft — des Friedens erworben. Wenn nun 
die Rede vom 9. Aug. zeigt, daß er diesem Rufe entsagt, so hade 
dies in Deutschland zwar keine „Panique“, aber doch Verwunder— 
ing und aufrichtiges Bedauern erregt. Deutschlands Politik wird 
eßhalb genau so friedliebend bleiben wie bisher. Aber dem Ver— 
rauen auf die Dauer des Friedens hat die Kundgebung Gam⸗ 
betta's einen harten Stoß versetzt. Wir sehen in Folge derselben 
aicht etwa Verwickelungen voraus, aber jene Kundgebung beweist 
doch, daß die Kriegspartei auch unter den Republikanern bedeutende 
Anhänger hat. Wolle das republikanische Frankreich unter Gam— 
»etta's Führung die Traditionen Ludwigs XIV. und XV., Napo⸗ 
eons J. und III. uns gegenüber fortsetzen, so müßten wir uns 
eider mit dem Gedanken vertraut machen, daß der Friede auf der 
Westgrenze unsicher bleibt. Nur muß die friedliebende Mehrheit 
zeider Nationen wissen, wer den Frieden heute bedroht. Deutsch⸗ 
land wird nicht müde werden, in seiner nationalen Politik den 
Beweis zu liefern, daß es Frieden halten will und den Krieg ver— 
ibscheut. Wir bedauern, daß der kriegerische Geist, welcher unseren 
Nachbar heute wie seit 300 Jahren beseelt, uns zwingt, unsere 
Zicherheit in einem starken schlagfertigen Heere zu suchen. Mehr 
als Sicherheit suchen wir nicht, aber wir haben den Willen und 
das Vertrauen. sie zu finden. 
Ausland. 
Es ist unbestreitbar, daß Frankreich mit umsichtiger Ener⸗ 
zie Alles vorbereitet, um sich im günstigen Augenblicke in den 
Besitz von Tunis zu setzen. Nachdem es sich, trotz des ita⸗ 
ienischen Widerstandes, zweier Bahnlinien und eines Hafens ver⸗ 
ichert hat, denktt es sofort an die Ausdehnunq seines Grundbesitzes 
uuf diesem Gebiete. 
Aus Athen wird der Wiener „Presse“ geschrieben: Die 
Nachricht, von der Wiederaufwärmung der alten Schuldfrage 
Griechenlands an Bayern — die vor 480 Jahren geliehene 
Summe betrug 1700 000 Francs und ist durch Zins und Zinses⸗ 
ins auf circa 724 Millionen angewachsen — hat hier (in Athen) 
ehr verstimmend gewirkt. Nichtsdestoweniger dürfte die Regierung 
hr Möglichstes thun, um dieser im jetzigen Momente doppelt un—⸗ 
angenehmen Forderung, wenn sie von der bayerischen Regierung 
direkt gestellt werden sollte, nach Möglichkeit gerecht zu werden. 
Seitens der russischen Regierung wird bekannt gemacht: 
Laut Allerhöchstem Befehl vom 5. April wurden von allen Gouver⸗ 
ieuren Nachrichten über die unter polizeilicher Aussicht befindlichen 
Personen eingezogen; diese Nachrichten sind mit wenigen Ausnahmen 
zereits eingelaufen und wird nunmehr bezüglich derselben baldigst 
endgiltig entschieden werden. In Erwartung solcher Entscheidung 
ind bereits vom Mai bis August 1880 115 Personen theils gänz- 
ich von Polizei⸗Aufsicht befreit, theils aus administrativer Aus— 
veisung zurückgekehrt; unter diesen haben 30 Personen das Recht 
erhalten, in Universitäten oder andere Lehranstalten behufs Wieder⸗ 
aufnahme ihrer abgebrochenen Studien wieder einzutreten. 
VJermischtes. 
* St. Ingbert, 26. August. GWittelsbachfeier.) Es 
war ein schönes und erhebendes Fest, begunstigt vom prächtigsten 
Wetter, das unsere Stadt gestern mit dem ganzen Bayerlande