Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberler AAnzeiger. 
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Sonntag, den 29. August⸗ 
1880. 
Deutsches Reich. 
Bei dem Jubiläumsfestbankett im alten Rathhause zu 
München, an welchem alle Minister, der Erzbischof und die 
Spitzen der Behörden Theil nahmen, brachte der preuß. Gesandte 
oon Werthern den Toast aus, in welchem er sagte: „König Ludwig II. 
ist der liebe, unter allen Umständen treue und sichere Bundes⸗ 
genosse Sr. Majestät des Kaisers und Königs, meines Herrn. Für 
uns Norddeutsche war er Sr. Majestät in schwerer Stunde das 
Seltenste, was es gibt, der Freund in der Noth, und darum sind 
wir ihm in unausloschlicher Dankbarkeit verbunden und zugethan.“ 
Der Toast schloß mit einem: Hoch Wittelsbach, hoch Bayern für 
alle Zeiten! Der Toast wurde jubelnd aufgenommen, Graf Werthern 
von allen Seiten beglückwünscht. 
Wie dem „Pf. K.“ aus München gemeldet wird sind an 
S. M. den König anläßlich seines Geburts⸗ und Namensfestes 
und des 700jährigen Jubiläums seiner Dynastie sowohl von dem 
Deutschen Kaiser und den anderen deutschen Bundesfürsten, wie 
auch vom Kaiser von Oesterreich die herzlichsten Glückwunsch⸗Schreiben 
und Telegramme gelangt. 
Muͤnchen. Se. Maj. der König hat aus Anlaß des 
Jubiläums eine größere Anzahl von Begnadigungen Ver⸗ 
urtheilter gewaͤhrt. 
Die Agitation gegen die Getreidezölle nimmt an 
Umfang zu, und kann man sich auf zahlreiche Petitionen für die 
nächste Reichstagssession gefaßt machen. Recht wunderlich nimmt 
es sich dabei aus, daß die „Germania“, doch wahrscheinlich Namens 
des Centrums, die Regierung dringend auffordert, die wirthschaft⸗ 
lichen Zölle beizubehalten, während doch ein nicht unerheblicher 
Theil des Centrums, namentlich die Vertreter der westlichen Pro— 
oinzen, gegen den Kornzoll gestimmt haben. 
Fürst Bismarck mit Gemahlin und dem Grafen Herbert Bis⸗ 
marck ist am Donnerstag Mittag von Kissingen nach Berlin 
abgereist. 
Berlin, 27. August. Fürst Bismarck ist heute Nacht hier 
eingetroffen. 
Der Fürst und die Fürstin von Rumänien sollten am 28. 
Angun zum Besuche des kais.⸗königlichen Hofes in Berlin ein⸗ 
treffen. 
Der Koönig und die Konigin von Griechenland sind in 
Petersburg eingetroffen. 
Vermischtes. 
* St. Ingbert. Mit Beginn der Winterschule (1. Ok⸗ 
tober) wird zu Schnappbach eine zweite kath. Schule errichtet. 
Dieselbe wird als Verweserstelle ausgeschrieben und sollen darin die 
dinder der zwei ersten Schuljahre beider Confessionen gemeinschaft⸗ 
lich unterrichtet werden. Die jetzige Lehrerwohnung im obern 
Stocke des Schulhauses wird als Lehrsaal eingerichtet werden. 
F Reichsgerichts-Entscheidung. Die Forderungen auf 
Schadenersatz aus Unfällen verjähren nach 8 8 des Reichshaftpflicht 
gesetzes in zwei Jahren vom Tage des Unfalls an. In Bezug 
auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, erster Civilsenat, durch 
Erkenniniß vom 14. Februar 1880 folgenden Rechtssatz ausge⸗ 
prochen: Der Schadenersatz⸗ Anspruch aus einem Unfall bei Eisen⸗ 
hahnen, Bergwerten, Gräbern, Steinbrüchen und Fabriken verjährt 
selbst dann nach zwei Jahren, wenn der Schadenersatze Anspruch 
aicht aus dem Reichshaftpflichtgesetz, sondern aus einem Landesge⸗ 
jetz hergeleitet wird, welches fuͤr die Verjährung eine kürzere oder 
längere Frist bestimmt. 
Bruchmühlbach, 24. August. Der frühere kgl. Post⸗ 
expeditor Georg Reither in Bruchmuͤhlbach wurde, angeschuldigt 
der Unterschlagung von 1674 M., beute von der kal. Gendarmerie 
verhaftet. (Pf. 3.) 
F Der Preiszuchtviehmarkt in Quirunbach war von 110 
Zuchtstieren, je 530 Kühen und Rindern und 75 Stück Jungvieh, 
ilso sehr gut befahren; auch qualitativ wird er gelobt. An land⸗ 
virthliche Diensiboten wurden bei dieser Gelegenheit 6 Preise für 
'ange Dienstzeit ausgetheilt. 
— Den mit einer Legitimationskarte versehenen Mitgliedern des 
ßfälzischen Lehrervereins aus der Pfalz und den angrenzenden 
Ländern, welche die am 16. und 17. September l. J. in Speyer 
tattfindende Lehrerversammlung besuchen, wurde von der Direction 
er Pfälzischen Bahnen auf allen Linien derselben in dankenswerther 
Weise eine Fahrtaxermäßigung in der Art bewilligt, daß die am 
16. und 17. September bei allen Stationen gelösten einfachen 
Fahrbillete nach Speyer durch Aufdruck des Stationsstempels der 
Abgangsstation Giltigkeit zu freier Rückfahrt bis einschließlich 18. 
September erhalten. Ferner wird seitens der Direction gestattet, 
»aß am 17. September dem Schnellzug Nr. 7 ab Neustadt Wagen 
3. Classe angehängt werden unter der Bedingung, daß die denselben 
ʒenützenden Festtheilnehmer die tarifmäßigen Zuschlagsbillete à 20 Pf. 
von Neustadt bis Schifferstadt lösen. 
4 Nach längerer Pause ist, wie man der „Magd. Zeitung“ mit⸗ 
theilt, dieser Tage wieder einmal eine polizeiliche Demonstration in 
Meß in Scene gesetzt worden. Es wurde nämlich hoch oben auf 
em Dache der Notre⸗Dame⸗Kirche ein Tannenbaum angebracht, der 
nit den Farben der französischen Trikolore geschmückt war. Ein⸗ 
elne französische Zeitungen haben es nicht unterlassen können, diesen 
Zcherz zu einem äußerst wichtigen Ereigniß aufzubauschen, durch 
velches Metz, die ville morte, in deren Straßen kein anderes 
geräusch, als der Tritt der Soldaten zu hören sei“, der Welt wieder 
inmal seine Zusammengehörigkeit mit Frankreich babe dokumen— 
iren wollen. 
4 Die kgl. Regierung in Köhn hat eine nachahmenswerthe 
Holizeiverordnung, betr. die Benutzung der Hunde als Zugthiere, 
rlassen. Darnach ist jeder, welcher seinen Hund als Zugthier be⸗ 
uutzen will, gehalten, davon, unter Vorzeigung des Hundes, der 
Polizeibehöorde seines Wohnortes Anzeige zu machen. Wird der 
hund zum Ziehen tauglich befunden, so erhaͤlt der Besitzer desselben 
nen Erlaubnißschein, in welchem vermerkt steht, welche Last dem 
hunde aufgelegt werden darf. 
Großes Vermächtniß. Aus Gotha, 19. Aug., 
chreibt man der „Magdeb. Zig.“: Vorgestern ist hier ein alter, 
inderloser Herr, der Rentner Schäfer, heimgegangen. Der sehr 
ceiche Mann hat eine halbe Million Mark — dem Vernehmen 
gach die Hölft« beiner Hinterlassenschaft — zu einer Stiftung für 
Ausland. 
Wie aus Paris geschrieben wird, unterliegt es keinem Zweifel 
mehr, daß die französische Regierung das Gesetz gegen die 
nicht autorisirten Kongregationen vorläufig nicht zur 
Ausführung bringen wird. Man nimmt ziemlich allgemein an, daß 
die Regierung die aus der Auflösung der Kongregationen entstehen⸗ 
den Prozesse fürchte, daß sie die Ueberzeugung gewonnen, daß die 
Tribunale sich nicht um das Votum der Kammern kümmern und 
das Besitzrecht der Genossenschaften anerkennen würden; und da das 
bisher bestehende Gesetz dann die Regierung machtlos lassen würde, 
will man zuerst ein neues Gesetz votiren und dann erst dem Be— 
schluß der gesetzgebenden Faltoren gerecht werden. Diese Meinung 
hat viele Wahrscheinlichkeit für sich. Auf jeden Fall ist das Mi— 
nisterium durch diesen Schritt in ein neues Stadium seiner Existenz 
getreten, das seine sämmtlichen republikanischen Gegner gegen das— 
selbe vereinigt, wenn sie auch in anderen Fragen noch so unceins sind. 
In der tunesischen Angelegenheit sind die Differenzen 
zwischen der französischen und der italienischen Regierung Alles eher 
denn beigelegt, wie vor acht Tagen die „Agence Havas“ in die 
Welt telegraphirte. Beide Mächte haben Geschwader nach Tunis 
beordert und zwar Italien zuerit, dessen Beispiel am 24. Frank— 
ceich folgte. 
Die Dekrete des griechischen Königs, nach welchen 
die Kriegsbereitschaft und die Mobilisirung des griechischen Heeres 
verlündigt wird, wurden in Konstantinopel in den weileren Kreisen 
der mohamedanischen Bewohner mit Freude gelesen; man ersah hieraus, 
daß die Mohamedaner einen Krieg mit Griechenland wünschen, und 
man sich durchaus nicht getäuscht habe, daß die Hohe Pforte trotz 
des besten Willens nicht sofort die Wünsche der Berliner Konseren 
erfüllen kann