Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberler Anzeiger.“ 
Der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlichj mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Vei⸗ 
V vierieljahrlick 
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—E —139. Dienstag, den 31. 
13880. 
Deutsches Reich. 
München. Am 25. August erhielt Se. Maj. der König 
gegen 300 Glückwunsch- und Huldigungstelegramme von Monar— 
hen Deutschlands und des Auslands, von Vereinen, Magistraten ꝛc. 
zugestellt. 
Der „Reichsanzeiger“ publizirt einen Erlaß des Kaisers an 
den Reichskanzler, wonach die Leitung des Handelsmini—⸗ 
steriums (welches bisher der nunmehrige Staatssekretär im 
Ministerium für Elsaß-Lothringen leitete), vorläufig dem Fürsten 
Bismarck übertragen wird. 
Die Frage der Herabsetzung der Gebühren und 
Gerichtskosten wird, wie verlautet, den Bundesrath sofort nach 
jeinem Zusammentreten in der zweiten Hälfte des Monats Sep— 
tember beschäftigen. Wie das „Berl. Tgbl.“ hört, wird die württem— 
bergische Regierung einen Antrag auf Herabsetzung der Gebühren 
im Bundesrath einbringen, der dort hoffentlich auch eine Maiorität 
finden wird. 
Die Stuttgarter Handelskammer hat sich, wie die 
„Württ. Landesztg.“ meldet, mit allen gegen eine Stimme gegen 
die Beschränkung der Wechselfähigkeit ausgesprochen und den Be— 
ichluß gefaßt, dem Detailverkauf der Straßburger Tabakmanufaktur 
in Württemberg entgegen zu treten. 
Ausland. 
Die Pariser „Republique srançaise“, Gambetta's Blatt, 
constatirt die Uebereinstimmung der Mächte in der griechischen Frage 
und hofft, der Sultan werde sich nicht den Zufällen eines Kampfes 
mit Griechenland aussetzen, welches ruhig und vertrauensvoll die 
Ausführung des Schiedsspruches von Europa erwarte. Die einzige 
Rettung der Türkei liege im Frieden; nur so werde sie dem un— 
zleichen Kampf aus dem Wege gehen. Der Wille Europas würde 
sich jeder auch noch so starken Macht aufzwingen lassen, um so 
mehr der Türkei, welche durch Unglücksfälle und Fehler herunter⸗ 
gekommen und kraftlos geworden sei. 
Der türkische Vertreter in London läßt in der Tages— 
presse das Gerücht, daß die Pforte die muhamedanische Bevölkerung 
Indiens nnd Afghanistans durch Sendlinge und aufrührerische 
Schriften aufzuwiegeln suche, als unbegründet bezeichnen. 
Tannen beschatteten Platze versammelt. Hr. Lehrer Faul von 
Schönenberg legte in schwungvoll begeisterter Rede mit Anführung 
der einschlagenden geschichtlichen Thatsachen die. hohe Bedeutung 
des Tages klar und die HH. Lehrer Weber und Zink von 
Miesau und Maurer von Gries machten es sich zur Aufgabe, 
einzelne der hervorragendsten Herrscher unseres erlauchten Fürsten⸗ 
jauses, nach ihrem Leben und Wirken zu zeichnen. Die übrige 
Zeit wurde mit Gesangsvorträgen und Deklamationen ausgefüllt. 
Die Schüler einiger Gemeinden bekamen auf dem Festplatze erst 
hre Bretzeln, andere hatten sie schon zu Hause bekommen; leer 
zingen nur die von Schönenberg aus, was der dortigen Gemeinde⸗ 
»erwaltung nicht sonderlich zur Ehre gereicht. Auch für des Leibes 
Bedürfnisse, für Speise und Trank, war bestens gesorgt und ver⸗ 
ienen die HH. von Miesau, die das Arrangement der ganzen 
SZache übernommen hatten, die voll ste Anerkennun g! 
F Die pfälzischen Mitglieder der deutschen Volkspariei 
verden am Sonntag, den 12. September, Vormittags 10 Uhr, in 
er „Krone“ zu Neustadt a. H. zu einer geschlossenen Mitglieder⸗ 
dersammlung sich vereinigen, in welcher die weitere Entwicklung 
der Parteiorganisation in der Pfalz berathen werden soll. 
F In Zweibrücken wird sich die Feier des Erinnerungs⸗ 
tages an die Schlacht von Sedan dauf Folgendes beschränken: 
um Vorabend Geläute und Böllerschießen sowie Zug des Krieger⸗ 
und Kampfgenossenvereins auf den Friedhof, Schmückung der 
Vräber der Helden von 1870,71, Ansprache des Hru. Pfr. But⸗ 
ers; am 2. September früh Geläute und Böllerschießen, später 
Festgottesdienst. Die Beflaggung der Häuser dürfte sich wohl von 
elbst verstehen. 
Dem protestantischen Presbyterium zu Zweibrücken und 
dem protest. Pfarramt Bergzabern wurde die Genehmigung 
zur Abhaltung von Gottesdiensten am Sedanstag ertheilt. J 
F. Gelegentlich der Wittelsbachfeier in Herschber g ereig⸗ 
aete sich folgender tragi-komische Vorfall: Der Handelsmaunn umd 
rühere Artillerist Salomon Jean hatte das Abfeuern der Böller 
ibernommen. Eben als ein Boller krachte flog die Mütze des 
Feuernden in den Festplatz herein und er selbst schlug einige Mal 
— hab' mich todt 
eschossen!“ In der That blieb er todtähnlich liegen. Nach vieler 
Mühe gelang es, ihn wieder in's Leben zurückzurufen und schon 
2 Stunden darauf erschien er wieder auf dem Festplatze, woselbst 
er mit donnerndem Applaus empfangen wurde. — Die Explosion 
wvar beim Laden des Böllers eingetreten, wobei derselbe aufrecht 
ttand und Jean, über ihn gebeugt, den Propf einstieß. Man be— 
zreift nicht, wie die große Gefahr ohne schlimmere Folgen borüber— 
zehen konnte. 
. Vor der Strafkammer des Landgerichtes Kaiser slau— 
bern hatten sich am 28. August ein Kaufmann aus Steinbach 
ind ein Ackerer aus Quirnbach wegen Fälschung einer Privat⸗ 
irkunde zu verantworten. Ersterer war Director und letzteret Kas⸗ 
ierer des früher in Quirnbach bestandenen Vorschußvereins, welcher 
ich seit längerer Zeit in Liquidation befindet. Dieselben sind be— 
chuldigt, ein Protokoll über eine Generalversammlung gefälscht zu 
haben. Der Staatsanwalt beantragte gegen den früheren Kassierer 
eine Zuchthausstrafe don 2 Jahren und Aberkennung der bürger⸗ 
lichen Ehrenrechte auf die Dauer von 5 Jahren und gegen den 
Vorstand unter Annahme mildernder Umstände, eine Gefängnißstrafe 
von 6 Monaten. Die Verkündung des Urtheils wurde auf 3. 
September vertagt. Die Mitglieder des Quirnbacher Vorschußder 
eins erlitten einen Verlust von etwa 8000 Mk., und es werden 
die beiden Angeschuldigten, falls sie verurtheilt werden, dafür auf⸗ 
lommen müssen. 
F Am nächsten 2. September, dem Sedantage, wird auf dem 
Friedhofe von Annweiler ein Denkmal enthüllt, das den am 
17. Juni 1849 bei Rinnthal gefallenen jungen Männern, deren 
Bebeine dort beigesetzt sind, errichtet worden ist. „Auch sie starben 
ür das Vaterland“, lautet eine auf dem Sockel eingegrabene In—⸗ 
chrift. Ihre Namen waren: Peter Chirra aus Homburg, Peter 
Dorsy aus Lambrecht, Philipy Friedrich Erbardt aus Leinsweiler. 
— — 
Vermischtes. 
t⁊St. Ingbert. EEingesandt.) Das von Hru. Lehrer 
Schlaudecker mit seinen Musikschülern am Sonntag Nachmittag 
im Grewenig'schen Saale veranstaltete Kinderkonzert hatte sich eines 
recht zahlreichen Besuches zu erfreuen. Dasselbe nahm einen hüb— 
jchen Verlauf; denn alle Nummern des sehr reichhaltigen Pro— 
gramms wurden gut, einige sogar recht gut und ansprechend, 
sauber und geläufig vorgetragen. Es öleibt eben zu berücksich 
tigen, daß die jugendlichen Spieler meist erst seit verhältnißmäßig 
kurzer Zeit musitalischen Unterricht erhalten. Klabiervorträge, 
Violin- und Citherpiecen mit Kiavierbegleitung wechselten mit 
einander ab. Besonders waren es? das „Heimweh“, eine Pièce 
für Schlag- und Streichcither und Klavier und der „Parademarsch“ 
für Cither, Klavier und Guitarre, welche sichtlich angenehm über⸗ 
raschten. Auch die Violinpicen wurden zum Theil recht rein und 
auber vorgetragen. Sehr zweckmäßig waren die Klavierstücke, von 
denen einige schon recht schwierige Anforderungen an die jungen 
Spieler stellten, zwischen die übrigen Programmnummern vertheilt. — 
Wir gratuliren Herrn Schlaudecker zu dem angenehmen Verlaufe 
des von ihm arrangirten Konzertes. Es bewies derselbe, daß seine 
Schüler wohl geschult sind. Möge nun diese es auch in Zukunft 
an dem gehörigen Fleiße nicht fehlen lassen. Denn auch der beste 
Unterricht in der Musik führt wenig vorwärts, wenn es dem Lernen⸗ 
den, auch bei vorhandener Fähigkeit desselben, an ununterbrochenem 
Fleiße gebricht. Wenn irgendwo, so heißt es in der Musik: „Uebung 
macht den Meister.“ 
m. Aus dem Kanton Waldmohr. Zur Begehung der 
Wittelsbachfeier hatten sich am 25. August die Schulen von Ober— 
und Niedermiesau, Sand, Schönenberg und Gries in dem 
unweit Miesau gelegenen Krühenwald an einem von hochtemmigen