Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

eine inkeressante Verhandlung statt. Es hatten nämlich die Bauern 
iun Michelau im dortigen Wirthshause den Winter über, von Mar—⸗ 
tini bis Lichtmeß, das in vielen Familien eingebürgerte Lottospiel 
(mit Karten, worauf in Reihen je 5 Nummern von 1 bis 90 
stehen, und wobei eine Person ausruft) öffentlich gegen geringe 
Einsätze — 1Pf. pro Karte — gespielt. Die Staatsanwaltschaft 
erblidte hierin ein Vergehen nach 8 286 des R.St.G.-B. und 
erhob gegen den Ausrufer öffentliche Klage. Die Strafkammer des 
kgl. Landgerichts sprach jedoch den Angeklagten frei, weil dieses 
dotteriespiel nicht als Lotterie im Sinne des 8 286 des R.«St. 
G.⸗B., sondern nur als ein unter den einzelnen Gästen verein 
hartes, bei den geringen Einsätzen nicht verbotenes Glücksspiel erscheine 
Am 30. August wurde in Passau der Militärsträfling 
Joh. Hoff von der Militärstrafanstalt auf Oberhaus bei einem 
Fluchtversuch durch die Bedeckungsmannschaft erschossen. Die Kugel 
hatte ihn am Rückgrat getroffen, so daß er todt niederstürzte. 
F München. Se. Maj. der König haben an den 1. 
Bürgermeister Dr. v. Erhardt nachstehendes Allerhöchstes Hand—⸗ 
schreiben zu richten geruht: „Hr. Bürgermeister Dr. v. Erhardt! 
Aus dem Berichte, welchen Sie als Vorsitzender des Landeskomites 
erstatteten, habe Ich mit Vergnügen das guünstige Resultat der 
Sammlungen zur Wittelsbacher Landesstiftung ersehen. 
Ich beauftrage das Landeskomite, den Spendern der Beiträge Meinen 
aufrichtigsten Dank dafür kundzugeben, daß sie der Anregung, das 
Handwerk in Stadt und Land zu fördern, in einer Mich hoch er— 
freuenden Weise Folge gegeben haben. Ich danke auch dem Lan⸗ 
deskomite, sowie Allen, welche an den Vorarbeiten zur Erreichung 
des Stiftungszweckes sich so eifrig betheiligten, und werde in kür— 
zester Zeit Verfügung über die Art der Verwendung der bereiten 
Mittel ergehen lassen. — Empfangen Sie hiebei die Versicherung 
wohlwollender Gesinnung, mit welcher Ich bin Ihr gnädiger König 
Ludwig. Elmau, 24. August 1880.“ 
F Der Baier. Landes-Feuerwehr-Ausschuß hat nachfolgende 
Adresse an Seine Majestät den König erlassen: „Allerdurchlauch— 
tigster Großmächtigster König! Allergnädigster König und Herr! 
An dem Freuden- und Jubelfeste, an welchem das ganze baierische 
Volk die Wiederkehr jenes denkwürdigen Tages feiert, da ein er⸗ 
lauchter Ahn Eurer Königlichen Majestät den Lohn seines Helden— 
muthes und seiner Treue empfing, wagen auch die 4000 freiwil— 
ligen Feuerwehren des Landes dem Thron Eurer Königlichen 
Majestät in allertiefster Ehrfurcht sich zu nahen und den Gefühlen 
tief empfundenen Dankes Ausdruck zu geben in dem vieltausend⸗ 
stimmigen Gut Heil Sr. Maj. König Ludwig II.! Ja Heil und 
Segen dem Königlichen Hause! Geruhen Eure Konigliche Majestät 
auch am heutigen Freudentage unser Gelöbniß in Huld und Gnade 
entgegenzunehmen: Unverbruͤchliche Treue dem Könige, Achtung 
dem Gesetze, Strengste Pflichterfüllung im Berufe zum Schutz und 
Schirm vom Leben und Eigenthum der Mitbürger! Goit schütze 
Fure Königliche Majestat und das Haus Wittelsbach! München, 
25. August 1880. Der Baierische Landes-Feuerwehr-Ausschuß.“ 
Aus Minden wird unterm 80. August mitgetheilt: Bei 
der heutigen Schein⸗Erstürmung des Fort B, welcher Prinz Albrecht 
anwohntie, wurde der Pionier⸗Hauptmann Hannisch vom hiesigen 
Corps in Folge zu später Entladung einer Miene, in die Luft 
gesprengt und so schwer verletzt, daß an seinem Aufkommen ge— 
weifelt wird. 
4 Das Domcapitel von Köln ist von dem Oberpräsidenten 
der Rheinprovinz ersucht worden, an der am 15. Oktober statt⸗ 
findenden Einweihung des Kölner Domes ein feierliches Tedeum 
Wzuhalten. Hierzu bemerkt die klerikale, Germania“: „Das Dom— 
rapitel wird selostverständlich eine Entschließung bezüglich der kirch— 
lichen Feier von der Entscheidung des Herrn Erzbischofs Vaulus 
abhängig machen.“ 
Zu der Frage, was der Dom zu Köln gekostet hat, bringt 
das „Wochenbl. für Architekten und Ingenieure“ folgenden Bei— 
trag: „Die Summen, die theils aus Privaltreisen, theils aus öffent⸗ 
aichen Mitteln seit 1821 in die Dombaukasse geflossen sind, betragen 
bis heute 18 Millionen Mark, die so ziemlich zu gleichen Theüen 
nuf die Thürme und den Ausbau der Kirche selbst verwandt 
vurden. Diejenigen Summen, welche die früheren Jahchunderte 
für das Gebäude aufbringen mußten, namentlich diejenigen Gelder, 
die in den kolossalen Fundamenten ruhen, sowie die zům Ankauf 
benachbarter Grundstücke erforderlichen Opfer ergeben mindestens 
einen ebenso hohen Betrag, so daß der Dom heute einen Gesammt⸗ 
verth von ca. 40 Mill. Mark rebräsentiren wird. 
Die Obstkultur in Frankreich. Nach einem 
Artikel in der „Illustration Horticole“ beträgt in Fraukreich die 
mittlere Jahresproduktion an Steinobst 21 Millionen Fres. 
Kernobst 65 Millionen Fres. und anderen Früchten 713 Mil— 
lionen Fres. Die Ausfuhr von Tafelfrüchten aus Frankreich be— 
rug im Jahre 1871 85,866,649 Kilo, 1872 28,995,995; 1878 
29,245,384 und 1874 68, 748,540 Kilo. 85 Millionen Kilo Trauben 
verden jedes Jahr in Paris verlauft. Der Weinbau beschäftigt in Frant. 
reich 1,200, 000 Familien oder 6, 000, 000 Personen mithin ein Fünftel 
der ganzen Bevölkerung Frankreichs, und die Wein-Industrie steuert 
allein ein Sechstek des gesammten Staatseinkommens. Ein ein⸗ 
ziger Garten in Hyoͤres liefert jährlich für 24,000 Mk. Pfirfiche. 
Finige Grundbesitzer verkaufen jährlich für 80,000 Mk. Prünellen. 
Von Angers gehen täglich während der Obsternte 15,000 Kilo 
Birnen und 40,000 Kilo Aepfel nach Paris. Wir erwähnen nur 
noch das kleine Dorf Tougerolles⸗(Ober⸗Sarne), welches in guten 
Jahren für gegen 800,000 Liter Kirschwasser eine Einnahme von 
1 Million Ircs. erzielt. Möchten diese Zahlen überall auf unsere 
Leser ermunternd einwirken. 
F Dem „Temps“ wird unterm 80. August aus Madrid 
telegraphirt: „Der Sturm, welcher von Freilag Abend bis zur 
vergangenen Nacht fast auf der ganzen Halbinsel wüthete, war 
einer der heftigsten, deren man sich erinnern kann: die Saragossa⸗ 
und die spanische Nordbahn sahen ihre Linien unterbrochen; in 
dem Alhama⸗Thale ist der Jalon-Fluß ausgetreten, hat die Straße 
zerschnitten und Dörfer und Meiereien unter Wasser gesetzt. Gestern 
onnte zwischen Madrid und Saragossa kein Zug verkehren. Die 
Züge aus dem Süden sind mit einer Verspätung von neun Stunden 
eingetroffen. Auf der Nordbahnlinie bei Las NRavas in dem Avila— 
Bebirge haben Regengüsse den Eisenbahndamm fortgeschwemmt, 
eine Entgleisung des Postzuges herbeigeführt und die anderen Züge 
angehalten. Auf dem Postzuge wurden der Locomotivführer und 
mehrere Reisende verwundet. Mit großer Mühe hat man die Rei— 
senden zu Fuß in's Trockene gebracht und das Gepäck kam erst 
gegen 10 Uhr Abends nach. Der Expreßzug nach Frankreich und 
die gewöhnlichen Züge durfte nicht vor 9 Uhr Abends abgehen. 
In Madrid wüthete der Sturm mit strömendem Regen 17 Stunden 
lang. Der Blitz schlug siebenmal ein und tödtete zwei Personen. 
Nach amtlichen Depeschen hat der Sturm im Norden der Halb— 
insel und in Kastilien sowie an den Küsten des biscayischen Meer— 
busens zahlreiche Schiffbrüche verursacht. 
Gemeinnütziges. 
Ueber den Kohlensäuregehalt der Schulluft. R. Nichols 
jat in verschiedenen Schulen Bostons 9,4 bis 28,9 Th. Kohlen⸗ 
äure (auf 10,000) gefunden. In den Schulen von Michigan 
vurden 7,83 bis 37,5 und in New-York 9,7 bis 38,7 Th. Kohlen⸗ 
äure nachgewiesen. A. Schottky fand in den Schulen von Bres— 
au meist 20 bis 30 Th. Kohlensäure, wurden aber bei Ofenheiz⸗ 
uing Thüren und Fenster geschlossen gehalien, so stieg der Kohlen⸗ 
äuregehalt sogar bis 51,8 Th. Ferner fand N. T. Lupton in der 
Luft der öffentlichen Schulen von Rashvoille, Tenessee 9,1 bis 32,4 
Th. Kohlensäure, sodaß in dieser Beziehung die deutschen Schulen 
aicht besser sind als die amerikanischen. 
Glas zu bohren. Man lege ein Stück steifen Lehm 
oder Fensterkitt auf die Stelle, an welcher das Loch gemacht werden 
soll. In diesen Lehm oder Fensterkiti mache man dann ein biß 
auf die Glasfläche hinunter reichendes Loch, das so groß ist, als 
das durch das Glas zu bohrende werden soll. In dieses Loch 
zieße man dann etwas wenig geschmolzenes Blei, worauf, wenn 
das Glas nicht ganz besonders dick ist, das runde Stück Glas des 
Bohrloches sofort ausfallen wird. 
Einsalzen des beregneten Heues. Ein längst erprobtes 
Mittel, längere Zeit im Regen gelegenes und nicht dürr eingebrachtes 
Heu von Wiesengras oder Klee durch Einsalzen im Fulterwerthe 
zu erhöhen, dürfte den Landwirthen dringend zur Anwendung zu 
empfehlen sein. Das Einsalzen des Heues geschieht während des 
Abladens bezw. Einschichtens auf den Heuböden oder sonstigen 
Aufbewahrungsorten in der Art, daß von einer hiermit beauftragien 
Person über jede etwa “ m hohe Schichte Heu einige Hände voll 
Salz möglichst gleichmäßig über die ganze Fläche des Heustockes 
ausgestreut werden. Man rechnet im Durchschnitt auf 1 Fuder 
à 20 Centner Heu 9 bis 10 Pfund Salz, und verwendet der 
Billigkeit wegen hierzu das gewöhnliche Viehsalz. Das Kochsalz 
verhütet die Schimmelbildung, befördert während der Gührung des 
Heues im Heustoch die Milchsäurebildung, wodurch das durch ungünstige 
Witterung minder nahrhaft und schmackhaft gewordene Fuͤtter wieder 
hedeutend an Nahrungswerth gewinnt. Die Hauptisache bleibt aber, daß 
as Heu nicht, wie es gewöhnlich geschieht, ballenweise übereinander 
geschichtet wird, sondern es muß alles Heu, insbesondere feuchtes, 
est aufein ander geschichtet werden, was dadurch erreicht wird, daß das 
Heu im Heustocke gerade so wie auf der Wiese zum Trocknen ange⸗ 
treut wird, um dann schichtenweise mit Salz überstreut zu werden. 
Jeder hohle Raum im Heustocke veranlaßt Schimmelbildung, aber 
kein Trodnen, nur ganz festgeschichtetes Heu bleibt frei vbom Schim⸗ 
mel und wird im Verlaufe von 4 bis 6 Wochen im Stocke troden. 
Am geeignetsten sind Heufeimen mit leichter Bedachung; wo 
olches nicht vorhanden, ist es in Berücsichtigung der großen Futter⸗ 
vorräthe und der zum Trocknen so ungünstigen Witterung sehr zu 
mpfehlen, nicht ganz trocken gewordenes Heu wegen der im Heu⸗ 
tocke eintretenden starken Erhißung nicht in geichlossenen Räumen.