St. Ingberler Anzeiger.
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M 1IM43. Dienstag, den 7. September 1880.
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Deutiches Neich.
Die Ansprüche Bayerns oder vielmehr Sr. kgl. Hoh.
des Prinzen Ludwig Ferdinand an die griechische Staats⸗
kasse werden von dem athenischen Blatte „Aeon“ einer längeren
Darlegung unterzogen. Darnach belief sich jene Schuld am 80.
November 1842 auf 2,667,722 Franken; im Jahre 1845 mahnte
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virthschaft der bayerisch-griechischen Regentschaft des Grafen Ar—
nansperg zuschrieb und das Geld lediglich für bayerische Truppen
n Griechenland ausgegeben haben wollte. Angeblich soll man sich
zier dabei beruhigt und erst 1859 die Anzeige an Griechenland
zerichte haben, daß jene damals auf 1,933,333 fl. gestiegene
Schuld an König Ludwig J. abgetreten sei, worauf Griechenland
nuf die Antwort von 1845 wie auf die angebliche Nichteinhaltung
der Bayern durch das Londoner Protokoll vom 26. April 1832
jegen Griechenland auferlegten Verbindlichkeiten verwies. Jetzt,
aach weiteren 20 Jahren, komme plötzlich Deutschland im
Namen Bayerns mit jener Forderung. Man werde jetzt sehen,
was Regierung und Kammer in Griechenland zu jenem nachträg⸗
lichen Anspruche sagen würden. — Aus dieser Darlegung geht
sicher hervor, daß Griechenland zur Zahlung jener Summe keine
jesondere Neigung besitzt, was man übrigens früher auch schon
zewußt haben dürfte. Die Angelegenheit wird sicher noch mehrere
Stadien zu durchlaufen haben, aber gewiß endlich ihre billige Er—⸗
edigung finden. Die Zeit, als Deutschland im Auslande wehrlos
var, ist eben vorüber. (Südd. Pr.)
Dem „Tageblatt“ zufolge wurde der Generalpostmeister Stephan
zum Verkehrsminister und Geheimerath Tiedemann unter Beibe—
haltung seines Postens als Chef der Reichskanzlei zum Chef des
Reichssamts des Innern an Stelle Hofmann's ernannt. Dem ehe⸗
naligen elsässischen Staatssekretär Herzog wurde der Vorsitz im
Bundesrath übertragen. (Nach der „Magdb. Z3.“ wäre alles dies
zis jetzt nur unbeglaubigtes Gerücht.)
Der deutsche Kaiser legt besonderes Interesse für die möglichst
eierliche und denkwürdige Veranstaltung des Kööener Dombau⸗
lestes an den Tag. Beide Majestäten, das kronprinzliche Paar,
vo möglich alle preußischen Prinzen und, wie es heißt, mehrere
»eutsche Fürsten werden dem Fest beiwohnen.
Die „Nordd. Allg. Zig.“ berichtigt eine Anzahl von Zeitungs-
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handlungen mit Rom, welche bald in Kissingen, bald in
Hastein, bald in Wien und jetzt gar durch den Erzbischof Melchers
von Köln geführt werden sollten. Seit dem Aufhören der Ver⸗
zandlungen, welche der jüngsten Kirchenvorlage vorhergegangen
eien, sei weder von der Kurie, noch von Preußen eine Anregung
su Unterhandlungen ausgegangen. Gewiß sei, daß Preußen keinen
Augenblick die Absicht gehabt habe, solche Verhandlungen anzuregen.
Nach einem vielverbreiteten Gerüchte soll im Laufe der nächsten
Keichstagssession über die Roburger Finanzministerkon⸗
serenz mehr bekannt werden, als dies hinsichtlich ihrer Heidelberger
Vorgängerin der Fall war. Es ist unwidersprochen geblieben, daß
man sich in Koburg über einen Plan verständigt hat, der dahin
zing, einen so hohen Ertrag aus den indirelten Steuern zu erzielen,
um eine Entlastung an direkten Steuern für die Einzelstaaten zu
xmöglichen. Die Motive dieses Planes und seine Einzelheiten
ollen den Inhalt einer Art vor Generalbericht bilden, welcher die
Jesammten Steuervorlagen begleiten würde und wogu jedhi schon
Vorarbeiten angeordnet sein sollen.
Der Kronprinz Rudolph von Oesterreich trifft am 12.
September in Berlin (zum Besuche der Mandver) ein und wird
daselbst bis zum 15. September Abends bleiben. Zu seiner Ehr⸗
ing sind große Festlichkeiten in Aussicht genommen.
Ausland.
Mit der Flottendemonftration der Großmächte
zegen die Türkei scheint es Ernst werden zu wollen. Als Ort zum
Sammeln für die Schiffe, welche daran Theil nehmen, ist det Hafen
don Ragusa bestimmt. Den Oberbefehl soll der englische Ad⸗
mirtal Seymour erhalten. Das italienische Geschwader ift einge⸗
troffen. So bald das deutsche und das französische Geschwader
eintreffen, findet ein Kriegsrath unter Seymour's Vorsitz Siatt, um
iber die an der albanesischen Küste vorzunehmenden Operationen
zu beschließen.
In der englischen Unterhaussitzung vom 4. ds. Mts. er—⸗
lärte der Premier Gladstone das europäische Konzert, d. h. das
einheitliche Vorgehen der Großmächte, z. B. im Orienh) als das
verthvollste Instrument in den großen internationalen Fragen, so
ange es auf uneigennützigen Prinzipien beruhe. Wenn die Re—
zierung auch zugebe, daß die Politik der Unabhängigkeit des für—
ischen Reiches aufrechterhalten werden solle, so sei sie doch grund—
ätzlich darauf bedacht, die Einführung von Reformen in den tür—
ltischen Provinzen herbeizuführen. Wenn aber die Pforte sich wei—
gere, die Reformen vollständig und in der richtigen Weise auszu—
ühren, so müsse das türkische Reich selber für seine Integrität und
Inabhängigkeit sorgen. Die Regierung werde mit Vorsicht und
Diskretion verfahren, so lange sie im Einvernehmen mit den anderen
Mächten wirken könne, um von der Türkei die Erfüllung der ein—
zegangenen Verpflichtungen zu erlangen.
Die Erhebung Rumaãniens zum Köonigreich ist
jochst wahrscheinlich. Bismarck äußerte sich in einer Besprechung
nit Fürst Karol, bei dessen Anwesenheit in Berlin sehr günstig
ür das Projekt.
Aus Afghanistan kommen für die Engländer wieder ein⸗
mal frendige Nachrichten. General Roberts, der zum Entsatze der
yon den Afghanen eingeschlossenen Stadt Kandahar herangerückt
var, hat die afghanischen Streitkräfte unter Eyub Khan ange⸗
zriffen, zerstreut und ihnen 27 Geschütze abgenommen.
Schwurgericht der Pfalz.
III. Quartal 1880.
6. Sept. Verhandlung gegen Johann Rausch, 66 J. a. Tagner von
Pforß, wegen Brandsstiftung. Vertreter der i. Staatsbehbrde:
Staatsanwalt Petri; Vertheidiger: Rechtskandidat Goldmann.
Der Angeklagte bewohnte mit seiner Frau und seinem Sohne ein zu
Pfortz an der Ludwigsstraße gelegenes, aus Wohnhauschen, Ziegenstall, Schup⸗
hen, Hof und Garten bestehendes Anwesen, das ihm fruher selbst eigenthum⸗
lich gehörte, das er aber durch notariellen Alt unterm 8. Februar 1879 unter
Borbehalt des lebenslänglichen Mitbenützungsrechtes für sich und seine Frau
gegen den Anschlagspreis von 250 M., zahlbar auf erstes Begehren, an seinen
Sohn Emil verschenktte. Von diesem Anschlagspreise wurde bis heute Nicht⸗
hezahlt.
oe 28. Juni l. Is. Abends um 6!/. Uhr brach in dem Wohnhaäuschen
Feuer aus, das den Dachstuhl desselben zerstörte. Die in gutem Zustande
efindlichen Feuerstellen des alleinstehenden Häuschens waren zur Zeit, da der
Brand ausbrach, kalt. Da deßhalb die Entstehung des Feuers sich blos durch
ie Annahme erklären ließ, daß das Feuer gelegt worden sei, so bezeichnete auch
soiort die Vollksstimme den Angellagten als Thäter. Die gepflogene Umer—
uchung hat diesen Verdacht bestätigt.
Rausch ist ein dem Branntweintrunke ergebener Mensch, der dieser Lei⸗
»enschaft seinen Verdienst zum Opfer bringt und deßhalb mit Frau und Sohn
n bestaäͤndigem Unfrieden lebt. Am 24. Juni feierte R. seinen Namenstag
n Karlsruhe und trank sich dabei einen solchen Rausch an, daß er auf dem
deimwege liegen blieb und erst gegen Morgen in die Nähe von Pfortz ge⸗
angte, wo ihm sein Sohn begegnete, der sich nach Karlsruhe zur Arbeit de⸗
eben wollte. Tie Begegnung war keine freundliche, und die Worte des
Zohnes stellten dem Vatet bei der Nachhauselunft des ersteren leine angenehme
Juseinandersetzung in Ausficht. Um d Uhr Morgens lam der Angelkiagte in
einer Wohnung an, trank seintn Kaffte und ließ sich dann von seiner Frau d Pfo.
ur Schnaps geben, damit der am Abend vorher angelegte Rausch leine Uner
rechung erleide. Et befuchte jetzt noch verschie dene Wirthshäuser, kam gegen 9 Uhr
rach Haus und schlief bis etwa 2 Uhr Vachmittags. Seine Laune war bei seinem
Irwachen eine so rofige, daß es seine Frau für gut fand, sich zu ihrem Schwager
n Pfortz zu flüchten, wohin der Angeklagte Abends gegen 5 Uhr auch kam
aind dort seine Frau mit Haleabschneiden bedrohte. Von dort aus ging er
n seine Wohnung zurnd, in der er nun allein verblieb. Um 61/ Ühr be-
nerkte der Feldhuͤter Schaaf von Pfortz, daß es bei dem Angeklagten brenne;
er eilte durch den Hof an das Häuschen des Rauch, difnete die Hausthüre und
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den Speicher fuhrenden Treppe lagen die Sonntagslkleider des Rauch, dabei
in Dreschflegel und eine Hade. Da diese Gegenftaände in der Regel an einem
anderen Orie aufbewahrt waren, namentlich die Kleider in einem Kleider⸗
hranke und der Dreschflegel auf dem Speicher, so scheint der Angeklagie
siese Gegenstände fich zurecht gelegt zu haben, um sie vor dem Feuer zu
etien. Schaaf redete den Rausch mit den Worten an: „Alter da oben
rennt'a!“ worauf ihm letzterer erwiderte: „Dann laß es brennen.“ Schaal
dob nun den Rausch zur Hausthllre hinaus und machte sich daran. die Mo⸗