St. Ingberler Anzeiger.
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M 147. Diensstag, den 14. September
1880.
Deutsches Neich.
München, 10. Sept. Die Erzbischöfe und Bischöfe Bayerns
hatten an den König gelegentlich des Jubiläums ein gemeinsames
Glückwunschschreiben gerichtet, worin sie auch um ferneren Schutz
und Wohlwollen für die katholische Kirche baien. Das soeben
publizirte kurze kgl. Antwortschreiben dankt ihnen für die bekundete
Treue und Ergebenheit, übergeht jedoch die erwähnte Bitte mit
pölligem Stillschweigen, was in ultramontanen Kreisen sehr bemerkt
wird. — Wie nachträglich bekannt wird, hatten die hiesigen kath.
Vereine ihre Theilnahme an der Sedanfeier abgelehnt.
Kronprinz Rudolph von Oesterreich traf am Sonntag früh in
Berlin ein. Er wurde am Bahnhofe von Sr. Majestät dem
Kaiser, von dem Kronprinzen, den Prinzen Friedrich Karl, Albrecht
und Wilhelm, dem Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, sowie
von dem österreichischen Botschafts-Personal und der Generalität
empfangen. Der Kaiser geleitete den Gast in das königliche Schloß.
Der deutsche Juristentag in Leipzig sprach sich gegen die
Beschränkung der Wechselfähigkeit aus.
Die Enthüllungen, welche Frhr. v. Varnbüler dieser Tage vor
seinen Wählern über die Vorgeschichte des deutsch-öster⸗
reichischen Bündnisses gegeben hat, erregen nicht geringes
Aufsehen. Sie gehen über Das hinaus, was man bisher uͤber die
Vorgänge des vorigen Sommers erfahren hatte, indem sie behaupten,
daß Rußland der französischen Regierung ein förmliches Bündniß
zum Angriff gegen Deutschland vorgeschlagen, und daß der fran—
zösische Minister Waddington es gewesen, der diese Pläne der deut—
schen Regierung enthüllt habe. Bei der nahen Beziehung des Herrn
b. Varnbüler zum deutschen Reichskanzler sind die Mittheilungen
jedenfalls beachtenswerth. — Bekanntlich hatte Rußland damals eine
große Truppenmasse in der Nähe der preußischen Grenze konzentrirt.
Ausland.
Wien, 11. Sept. Die „Polit. Korresp.“ meldet aus Lon—
don, das britische Kabinet habe die Mittheilung erhalten, daß der
Fürst von Montenegro unter der Bedingung auf Dinosch und
Grudo verzichte, wenn die Pforte Dulcigno friedlich und förmlich
übergeben würde.
Der „Telegraphe“ meldet: ‚Die Zusammenkunft zwischen
dem Fürsten Bismarck und dem Baron Haymerle hat
sich hauptsächlich auf die Eventualität bezogen, daß England und
Rußland bei Gelegenheit der Flottenkundgebung eine Landung auf
montenegrinischem Gebiete ausführten. Für diesen Fall kamen die
heiden Minister überein, daß alsdann die Oesterreicher sofort Novi⸗—
dazar besetzen sollten; in allen diesen Verwicklungen könne Oester—
reich fortan der vollständigen Mitwirkung Deutschlands sicher sein.
Es handelt sich dabei um kein neues Bündniß, sondern um die
Konsequenz des zwischen dem Fürsten Bismarck und dem Grafen
Andrassy beschlossenen Einvernehmen. Die Zusammenkunft fand
blos Statt, weil die Vorgänge im Osten eine neue Wendung ge—
nommen haben und die beiden Minister sich über verschiedene Punkte
ins Einvernehmen setzen wollten, welche früher nicht vorgesehen
waren.“
Der „Standard“ erfährt aus angeblich zuverlässiger Quelle
von dem Abschluß eines schriftlichen förmlichen Offensib und De—
fensiv⸗Vertrages zwischen Deutschland und Oesterreich. Eine Sti⸗
pulation sichere Oesterreich die sofortige Okkupation Novibazars
und die schließliche Ausdehnung bis Salonichi; auch soll Fürsl
Milan während — Oesterreich
quasi übergeben haben. Andererseits werden jedoch alle diese Be⸗
hauptungen wohl mit Recht als erfunden bezeichnei.
Einer Meldung der „Times“ aus Paris zufolge setzten die
Mächte gemeinsam folgendes fest: Die Flottenkundgebung
gegen die Türkei darf ihren demonstrativen Charaͤlter nur
durch einstimmigen Beschluß betheiligter Mächte verlieren ; keine der
Mächte darf vereinzelt Truppen landen, bombardieren, absegeln
oder zurücbleiben. Keinerlei Aenderung im jetzigen Charatterdet
undgebung darf ohne neues Uebereinkommen geschehen. Keine
Macht darf Verlängerung der Kundgebung oder eine Aenderung
hres blos demonstrativen Charakters ünternehmen.
Vermischtes
„*« Von dex Blies. Am Sonntag Nachmittag wurde dem
verdienten Lehrer Drescher in dem freundlich im Bliesthal ge⸗
legenen Dörfchen Wolfershe im die ihm von S. M. dem König
verliehene silberne Ehrenmünze des Verdienstordens feierlichst über—
reicht. Die feierliche Ueberreichung erfolgte in der Ortskirche durch
den kgl. Bezirksamtsassessor, Herrn Dilg von Zweibrücken, nach—
dem zur Einleitung der Feier der Männergesangverein Blieskastel
im Vereine mit den Lehrern das Lied: „Das ist der Tag des
Herrn“ gesungen hatte. Nach erfolgter Dekoration hielten noch
Beglückwünschungsansprachen Herr Distriktsschulinspektor Krieget
don St. Ingbert, Herr Kreisschulinspektor Leh mann von Speher,
herr Lehrer Drumm von St. Jugbert Namens der Lehrer und
insbesondere des Bezirkslehrervereins Blieskastel-St. Ingbert und
der Hr. Adjunkt von Wolfershe im im Namen der Ge—
neinde, welche ihren ausgezeichneten Lehrer an seinem Ehrentage
nit einem Ehrengeschenke, einem hübschen gepolsterten Sessel, über—
raschte. Mit dem Liede: „die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“,
porgetragen von dem Männergesangverein Blieskastel und den an—
wesenden Lehrern, und dem Chorale: „Nun danket Alle Gott“
schloß der festliche Akt. Ein großer Theil der Festtheilnehmer ver—
ammelte sich jetzt noch auf ergangene freundliche Einladung des
Dekoririen in dessen Wohnung, um seine Gastfreundschaft zu ge—
aießen. Der erste Toast beim Festmahle, ausgebracht von Herrn
Drescher, galt S. M. dem Konige; ferner toastatirten noch Herr
Inspektor Krieger auf den Dekorirten, Herr Präparandenlehrer
Dörr von Blieskastel auf die kgl. Kreisregierung und Herr Kreis—
chulinspektor Lehmann auf die strebsamen und pflichleifrigen Lehrer. —
Bald schlug für uns und für viele Andere die Stunde zum Auf-⸗
bruche und nun ging es an's Abschiednehmen von dem freundlichen
Alten. Möge er noch recht lange in seiner dankbaren Gemeinde
iegensreich wie bisher seines Berufes wirken!
fFHornbach, 10. Sept. Gestern fiel das 6 Jahre alte
Töchterchen des Ackerers Peter Schmidt von hier beim Spielen in
den Schwolbbach und ertrank.
Kaiserslautern, 11. Sept. Bei der gestern zu
Ende gegangenen Gerichtsvollzieher-Prüfung, an welcher8 Kandi—
daten theilnahmen, bestanden sämmtliche hier zugelassenen Kandi⸗—
daten sowie drei auswärtige, während ein auswärtiger durchfiel.
F Die Neustadter Gasgesellschaft zahlt 24 Mark 20Ppf.
auf die Actie und mindert den disherigen Gaspreis um 10 80
d. h. vom J. Juli ab auf 18 Pf. herab.
In Königsbach hat sich ein Weinbauverein gegründet,
welcher der Weinschmiererei entgegentreten will.
4 Bei der jüngsten Ordensverleihung erhielt der Direktor des
ar. Konsistoriums der Pfalz, Herr Glaser, den Orden der bayher.
rone. Mit diesem Orden ist die Erhebung in den Adelstand
erbunden.
Am Montag wurde in der Saar die Leiche eines St.
Johanner Bürgers aufgefunden, der schon mehrere Tage ver—
nißt wurde. — Am selben Tage Abends mit dem vorletzten von
Saarbrücken nach Neunkirchen gehenden Schnellzug sprang ein
unbekannter Mann von der Plattform des letzten Wagens auf die
Zchienen und blieb dort regungslos liegen. Welchen Schaden er
jenommen ist noch nicht bekannt.
— Bei einem in Uckermünde durch einen Blitzschlag am
7. ds. entstandenen Brande kamen 5 Personen in den Flammen um.
F Fünffacher Mord und Selbstmord. Pirna, 8. Sept.
Am heutigen Morgen verbreitete sich die Kunde von einer entsetz
ichen Mordthat durch die Stadt. Der in der Schloßstraße woh—
nende Fleischer Thomas hatte in den Frühstunden seine Frau und
zier Kinder erschlagen und ein fünftes Kind schwer verwundet, sich
elbst aber durch Oeffnen der Pulsadern entleibt. Die Frau und
wei Kinder waren sofort todt, zwei andere Kinder starben unter
den Händen der Aerzte. Ueber den Beweggrund zu dieser entsetz-
lichen That fehlen noch zuverlässige Nachrichten.
Für die Redaction veraniwortlich: J. X Demek