Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Wie die „Frkth. Ztg.“ erfährt, hat die Gemeinde Lambs—⸗ 
heim, von dem ihr nach Art. 65der Gemeinde-Ordnung zu— 
stehenden Rechte Gebrauch machend, durch Gemeinderathsbeschluß 
vom Gestrigen die Gemeinde⸗Einnehmerei von der z. Z. erledigten 
Steuer⸗ und Gemeinde-Einnehmerei Lambsheim getrennt und die— 
selbe dem derzeitigen Verweser der letzteren, dem geprüften Ein— 
nehmerei-Kandidaten Ludwig Rindt gegen Bezug der üblichen 
Hebgebühren übertragen. 
FDie Pfalzga u⸗Ausstellung in Manneheim bleibt bis 
zum 17. ds. Mis. geöffnet. 
x Ein schlimmes Zeichen der Zeit ist die auffällige Zunahme 
der Ehescheidungsprozesse, und zwar meist von Personen höherer 
Stände. Beim Landgericht in Frankfurt a M. sind zur Zeit nich! 
weniger als 21 solcher Prozesse anhängig. 
F, Bom Schwurgerichte in Karlsruhe wurde der Eisen⸗ 
gießer Erhardt Reif von Hausen, welcher am 27. Juli d. Is. 
zwei seiner Kinder im Rhein bei Marau ertränkte, zum Tode 
verurtheilt. 
- Verschiedene Blätter theilen mit, daß in Aschaffen— 
burg von 40 Kandidaten für die J. Lateinklasse nur drei zu— 
gelassen wurden. 
FIn Donaueschingen hat Fräulein Leontine Hagemeier 
im Alter von 17 Jahren das Abiturientenexamen gemacht und gut 
bestanden. Diese Tochter des Schwabenlandes hatte sich durch 
Privatunterricht all' die Kenntnisse angeeignet, welche man auf 
einem Gymnasium erwirbt. Wahrscheinlich wird die junge Dam 
die Universität besuchen und einen Beruf erwählen. 
F. Adele Spitzeder soll, um sich der Zudringlichkeit der 
bayerischen Polizei zu erwehren, nach Amerika ausgewandert sein 
Munchen wird wegen dieses Verluͤstes schwerlich Trauer anlegen. 
F In Halle a. S. machte der Thürmer der Marienkirche 
auf eine furchtbare Art seinem Leben ein Ende. Er stürzte sich 
nämlich von der die beiden sehr hohen sog. Hausmannsthürme ver— 
bindenden Brücke herunter, schlug guf das Schieferdach der Kirche 
und dann, einen weiten Bogen beschreibend, mit furchtbarer Ge⸗ 
valt auf das Marktpflaster auf. Ver Unglückliche, ein Mann in 
den 6Oer Jahren, war natürlich sofort todt; was ihn zu dem 
—AV——— Thurm⸗ 
wächters verwaltete der Mann, mit kurzer Unterbrechung, schon 
seit mehr als 20 Jahren. 
Der Konsumverein in Jauer ESchlesien) ist verkracht mit 
einem Defizit von 225,000 Mark. BVitter für die Mitglieder, 
die dafür aufkommen müssen. 
F In Rorschach (chweiz) sind acht Wagenladungen mit 
frischem Obst aus Amerika angekommen. 
x Von der Mode. Das schöne Wetter und die Jagd, so 
schreibt man dem Deutschen Montagsblatt aus Paris, halten noch 
einen großen Theil der Gentry in den Schlössern und Landhäusern 
zurück; aber die Abende werden länger und ein Tänzchen muß of! 
herhalten, um sie auszufüllen. Zu diesen „Sauteries“, wie man 
jolche inprovisirte Bälle hier benennt, ist eine neue Toilette erfunden 
worden, welche ganz allerliebst steht. Je nach ihrem Teint und 
hrer Haarfarbe wählen die Damen eine zwei⸗ oder dreifarbige Blume 
(Astern, Georginen u. s. w.), welche sie in ihrer Toilette darstellen 
wollen. Die Farben der gewählten Blume werden nun auf dem 
Rocke der Robe, welcher ohne Schleppe ist und hart den Boden 
treift, durch eine Unzahl sehr schmaler Plisses reprasentirt, wobei 
nicht nur die Farben, sondern auch die Stoffe abwechseln. Soll 
. B. die Toilette „Stiefmütterchen“ bedeuten, so wechseln Bouillons 
von gelber Gaze mit Plisses von weißem Atlas und solchen von 
beilchenblauem Sammet ab; der Leib besteht aus der Grundfarbe 
lin unserm Beispiele veilchenblauer Sammeth) auf welchem in der 
Brustgegend, auf den Schuͤltern und auf den Aermelrändern Bou— 
quets und Guirlanden der darzustellenden Blume (in diesem Falle 
Stiefmütterchen) aufgenäht sind; dieselbe Blume als Kranz oder 
buff im einfach frisirien Haare. — Im Winter wird man in den 
Salons natürlich wieder lange Schleppe tragen. Der ungraziöse, 
gestrikte, von hinten zugeknüpfte Leib Maillot), welcher den Daͤmen 
das Aussehen von Kunstreiterinnen gab und der heuer in den 
Bädern sehr in der Mode war, ist von nun an aus der Toilen⸗ 
inständiger Frauen verbannt. Die Tressen und Bordüren aus 
Metallfäden in den Farben: altes Gold, oxydirtes Silber, blauer 
Stahl werden dagegen wieder sehr zu Ehren kommen. 
Der Morder des Knaben aus dem Haa g, dessen Leiche 
o grauenhaft verstümmelt in den Dünen bei Scheveningen gefunden 
wurde, scheint entdeckt zu sein. Es ist ein fruͤherer Sergeant der 
jolländisch-indischen Armee Namens de Jongh. Die Entdeckung 
vurde folgendermaßen herbeigeführt. Eine Autographie des Droh⸗ 
riefes, welchen der Mörder des Knaben den Eilern zugestellt hatte, 
var in die Hände eines Musketiers gefallen, welchem die Hand⸗ 
chrift in dem Briefe außerordentlich bekannt vortam. Er geht 
iach Haus, kramt in seinen Briefschaften und findet plötzlich ein 
baar Briefe eines ehemaligen Waffengefährten aus Indien, welche 
zenau dieselben Schriftzüge zeigen. Hieser Waffengenosse war de 
zur Zeit im Haag lebende de Jongh. Frappirt durch diese Ent— 
deckung macht der Musketier einen Besuch bei de Jongh und lentt 
das Gespräch dabei auf den Mord. Va fällt die bejahrte Mutter 
des de Jongh ihm mit thränenschwerer Stimme in das Wort und 
bittet nicht weiter darüber zu reden, während ihr anwesender Sohn 
bald roth, bald blaß wird Durch diese Vorkommnisse noch mehr 
in seinem Verdacht beslärkt, macht der Musketier bei der Polizei 
Anzeige, welche die Verhaftung de Jonghs besorgt. Im Laufe 
des Verhörs ergeben sich noch mehr Verdachisgründe und schließlich 
gesteht der Verhaftete auch ein, die betreffenden Drohbriefe ge⸗ 
schrieben zu haben. Ob or allein der Thäter ist, ob er nur Hel— 
fershelfer oder nur das Werkzeug eines Andern war, scheint noch 
nicht ganz aufgeklärt zu sein. Gerüchtweise verlautet z. B., daß 
er in Beziehungen zu einem Verwandten oder näheren Bekannten 
der unglücklichen Familie stände, dessen Verhaftung gleichfalls 
angeordnet sei. Eigenthümlich muß es übrigens Nicht⸗Holländer 
berühren, wenn man in holländischen Zeitungen liest, der König 
der Niederlande beabsichtige, den Musletier, welcher die Entdeckung 
des Mörders herbeiführte, zum Offizier zu ernennen. Die glück⸗ 
liche Ergreifung des Mörders illustrirt übrigens den Nutzen, welcher 
der Behoͤrde erwächst, wenn sie ohne büreaukratische Zugeknöpftheit 
einen ausgiebigen Gebrauch von der Hilfe der Presse macht. 
7 In Ancona hat am 1. doss. ein Millionendiebstahls⸗ 
Prozeß begonnen, der mehrere Wochen dauern wird. Beschuldigi 
ind der Kassenbedienstete Tangherlini und einige Helfershelfer. 
Der Diebstahl soll durch Austauschen eines zur Versendung be⸗ 
stimmten Felleisens, in welchem sich die Baarsummme bon 2.400. 000 
Francs befand, bewerkstelligt worden sein. 
Der „Panama Star und Herald“ meldet, daß am 18. 
September in Valpara iso ein Erdbeben Statt gefunden hat. 
Illapel, eine Stadt im Innern Chilis, wurde gleichtalls zerstoͤrt 
Im Ganzen sollen 200 Personen durch das Erdbeben ihren Tod 
gefunden haben. 
FFamilienreise um die Welt. Eine Reise um 
die Erde in 75 Tagen machte Ismah, Eigenthümer der White 
Star Line“, mit Frau und Kindern. Di Reisenden gingen am 
13. Märzed. J. in Liverpool an Bord des Dampfers Ozeania“ 
und besuchten der Reihe nach Suez, Point de Galle, Singapore, 
Hongkong, Shanghai und Yokohama. Aus dem letztgenannten 
Hafen traten sie am 6. Jum di— Reise nach San Fraucisko an. 
Bei ihrer Ankunft in New⸗Pork hatten sie 22,820 Meilen zurück⸗ 
gelegt. Ausschließlich des Äufenihaltes an den besuchten Orten 
verwendeten sie 66 Tage. 
F Getreide-Ausfuhr aus dem Newyorker 
Hafen. Während des Monats August wurden aus dem New⸗ 
horker Hafen nicht weniger als 13,300,000 Bushels Getreide ver— 
schifft. Behufs Transport dieser immensen Ouantität über den 
Dzean wurden 325 Schiffe, theilweise mit voller Getreideladung, 
benutzt, und zwar 146 Dampfer, 24 Schiffe, 144 Barken und —11 
Zweimaster. Dem Bericht des landwirthschaftlichen Dehartements 
in Washington zufolge wird der Werth des Erpotts an Brodstoffen 
aus den Vereinigten Staaten während der letzten 8 Monate auf 
182,000,000 Doll. veranschlagt. 
FDie Welt⸗Ausstellung in Melbourne (Australien) wurde 
am 1. Oktober mit großem Erfolg eröffnet; alle Nationen waren 
hertreten. Die Abtheilungen sind noch nicht ganz fertig. Mel— 
bourne ist voll von Fremden; das Wetter ist herrlich. 
In der Erzentrizität scheinen die Amerikaner den 
Engländern jetzt „uͤber“ zu sein. Ein dieser Tage in Wien 
eingetroffener Amerikaner hat sich durch den dortigen amerikanischen 
Gesandten im Ministerium des Auswärtigen vorstellen lassen und 
von Baron Haymerle auf sein Ersuchen die schriftliche Ermächtigung 
erhalten, sich einen Lloyddampfer (für 200 fl. täglich) miethen 
und mit demselben der österreichischen Essskadre vor Dulcigno an⸗ 
chließen zu dürfen, um eventuell das Bombardement mitzumachen. 
Allerdings scheint nach der momentanen Sachlage Mr. Louba 
wenig Aussicht zu haben, dieses Ereigniß vor sich gehen zu sehen. 
F Aus Kairo ist der Kolnischen Zeitung folgendes Schreiben 
zugegangen: Einliegende kleine Gabe hade ich die Ehre, Ihnen be— 
hufs Verwendung zur Dombaufeier zur Verfügung zu stellen; mein 
Dombaufest werde ich bei unseres Domes Altersgenoffen, den Pyra⸗ 
miden, feiern mit einem begeisterten Schluck auf Kaiser, Reich und 
Köln. Einliegend ein Napoleonsd'or aus den 100 Tagen von 
1815; ob sich Napoleon wohl hat träumen lassen, daß er zur Kölner 
Dombaufeier noch würde herhalten müssen? Genehmigen Sie die 
Versicherung u. s. w.“ — Vivat sequens! meint hierzu die Kölnische 
Marktberichte. 
Zweibrücken, 7. Ott. Fruchtmittelpreis und Viktualienmart. 
Weizen 11M. 7 Pf. Korn 59 M. 71 pf., Gerste zweireihige — M. — Pf 
ꝛierreihige — M. — Pfr, Spelz 7 M. 25 pf, Spelztern — R. Pf. 
Sinteh— WM, — Pf ünischfrucht — r. f aen niF pfy/ 
Erbsen — M. — ppfi, Widenm. Pf. Karioffeln ? M. — Pf. 
deu 2 M. 90 Pf., Strob s M. 66 Pf., Weißbrod In/, Kilogr. 56 9