Sl. Ingberlker Anzeiger.
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M I63
Dienstag, den 12. Oktober 1880
Deutsches Reich.
Der König von Bayern hat mittels Handschreibens die
kaiserliche Einladung zum Kölnuer Dom baufeste dankend
abgelehnt; davon, daß der Konig in Koln sich dertrelen zu
lassen gedenke, ist noch nichts bekannt geworden.
Die „Nordd. Allg. Ztg.“ erfährt beireffs des Kölner Dom⸗
baufestes, der Kaiser und die Kaiserin, die königlichen Prinzen
und Prinzessinen, der König von Sachsen und die großherzoglich
badischen Herrschaften würden im Schloß Brühl absteigen. Die
Mehrzahl der uͤbrigen deutschen Fürsten habe bereits ihr Erschei—
nen fest zugesagt, nur drei seien der Einladung zu folgen ver—
hindert. Von wenigen Souveränen fehle noch die Entscheidung
ob sie dem Fest beiwohnen wollen.
Der seitherige bayerische Gesandie in Berlin, v. Rud⸗
hart, ist auf sein Ansuchen und unter Vorbehalt anderweitiger
dienstlicher Verwendung abberufen und an seiner Statt der seit⸗
herige Legationsrath bei der Gesandtschaft in Wien, Graf Hugo
Lerchenfeld, zum bayerischen Gesandten am preußi⸗
schen Hofe ernannt worden. Dami wäre denn die biebe—
jprochene „Affaire Rudhart“ endlich definitib beigelegt. Die ander⸗
weite Verwendung des Herrn v. Rudhaͤrt ist übrigens schon ange—
deutet; er wird aller Wahrscheinlichkeit nach zum Gesandten Bayerns
beim italienischen Hofe ernannt werden und dürfte Berlin um so
lieber mit Rom vertauschen, da seine Gemahlin von Geburt Ita⸗
lienerin ist.
Die Auswanderung aus dem deutschen Reiche steigt
noch immer. Im Sepiember d. J. sind z. B. allein über Ham—
burg 6628 Personen ausgewanderi gegen nur 2162 im gleichen
Monat des Vorjahres. Wahrend in den ersten drei Quartalen
des Vorjahres nur 19,023 Personen über Hamburg auswanderten,
ist diese Zahl im gleichen Zeitraume dieses Jahres bereits auf
51456 gestiegen. Eine Zisfer, welche in den leilenden Kreifen
wohl nicht unbeachtet bleiben dürfte.
Fürst Bismarcdck hat der orientalischen Frage in
demselben Augenblick, da sie unheilvolle Verwirrung herbeizuführen
drohte, eine Wendung gegeben, welche Klarheit in die Lage zu
zringen geeignet ist. Unser Reichskanzler hat nämlich durch die
„Norddeutsche Allgem. Ztg.“ daran erinnern lassen, daß den Groß⸗
mächten das Recht der Kontrole bezüglich der Ausführung der
Bestimmungen des Berliner Vertrags nach dem Wortlaut des letzteren
aicht zusteht. Danach kann natürlich auch nicht die Rede davon
jein, daß die Mächte zu dem fraglichen Zweck irgend einen Zwang
gegenüber der Türkei rechtlich ausüben dürfen. Wozu, wenn die
Sache so gelagert ist, der Berliner Vertrag dann überhaupt abge—
schlossen worden ist, Das wird dem nicht diplomatischen Verstand
allerdings eine nicht aufzuknackende Nuß bleiben.
Ausland.
In einer Pariser Depesche der Köln. Zig.“ wird die neue
dage wie folgt gezeichnet: Wie ein Telegramm aus Ragusa hier⸗
her meldet, hat der Fürst von Montenegro dem Admiral Seymour
erllärt, daß es ihm angefichts der Verstärkung der türkischen Streit⸗
kräfte unmöglich sei, den Kampf zu wagen. Admiral Seymour
berief hierauf die übrigen Befehlshaber und theilte ihnen mit, daß
infolge der Weigerung des Fürsten die Aufgabe der vereinigten
Slotte beendet sei und daß von nun ab jeder Befehlshaber die
Verantworilichkeit für die Bewegung seiner Schiffe selbst zu über⸗
nehmen habe. Hierauf haben die Befehlshaber an ihre Regierungen
lelegraphirt und erwarien neue Weisungen. Alle Kriegsschiffe treffen
Vorbereitungen zur Abfahrt. Die Engländer gehen nach Malta,
die Oesterreicher nach Pola. Bezüglich der neuen englischen Vor⸗
chlage (Faustpfand) hört man, daß Frankreich beschlossen habe,
jeine Haltung der bon Oesterreich und Deutschland anzupassen.
Die französische Regierung ist der Ansicht, daß man England allein
die Aufgabe der Blokirung von Smyrna und anderen Häfen über—
assen und es höchstens moralisch unerftühen müsse. Rußland
hat den englischen Vorschlag natürlich sofort angenommen, ebenso
Italien, dieses jedoch unler dem Vorbehalt, daß auch die übrigen
Machte sich nicht ausscoließen. Dagecen sollen Deherin
Deutschland Herrn Gladstone mitgetheilt haben, daß sie seine
Vorschläge nicht annehmen können. Sie haben zwar die Vorschläge
nicht direkt verworfen, sondern verhandeln noch, um einen ver⸗
nittelnden Weg zu finden, der das europäische Einvernehmen auf⸗
rechterhalten und Frankreich zur weiteren Theilnahme an den Maß⸗
iahmen der Mächte bewegen könnte Dazu ist aber wenig Aus-
icht vorhanden, da die öffentliche Meinung verlangt, daß sich
Frankreich in der ganzen Sache unbedingt neutral halte. Der
Wunsch der französischen Regierung sich nicht an der tollen Politik
Gladstone's zu betheiligen, ist im hohen Grade durch den offiziösen
Artikel der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ veranlaßt worden,
der den Beweis lieferte, daß Europa nicht gehalten sei, die Durch⸗
führung des Berliner Friedens zu erzwingen.
Der deutsche und der franzsͤsische Botschafter in Kon⸗
stantinopel machten einen Verfuch, den Sulian zur Nachgiebig⸗
keit zu bewegen. Der Erfolg ist noch unbekannt.
Nach einem gestrigen Telegramm aus London hat sich die
politische Wetterfahne in Konstantinopel gedreht.
Die „Times“ schreibt naͤmlich nach einem ihr zugekommenen,
Mangels jeder offiziellen Bestätigung aber mit aller Vorsicht auf⸗
zunehmenden Gerücht, hätte der Sultan nach einem Kabinetsrathe
in die bedingungslose Uebergabe Duleignos endlich ein⸗
gewilligt. (Es steht diese Nachgiebigkeit des Sultans wahrscheinlich
mit dem letzten Versuch des deutschen und französischen Botschafters
zusammen, den Großherrn von seiner Hartnäckigkeit gegen die
Beschlüsse Europas abzuͤbringen.
„Daily News“ erfährt, das britische Kabinet proponirte den
Mächten das Einlaufen des vereinigten Geschwaders in den Golf
bon Smyrna, um den Handel der Siadt mit Embargo zu belegen.
Meldung der „Polit. Korresp.“ vom 8. Okt. Das britische
Kabinet ist seit heuie im Besitze zustimmender Erklärungen sämmi-
licher Kabinete zu seinem auf Besitzergreifung von Pfaudob⸗
jektten im Archipel gerichteten Zwangsvorschläge. Der Kom⸗
nandant der vereinigten Flotien in der Bucht von Teodo ist ver⸗
tändigt, Alles innerhalb 48 Stunden zum Abgang der Flotten
nach dem neuen Bestimmungsorte vorzubereiten.
In Montenegro wohnende und dort Handel treibende
hristliche Albanesen wurden ausgewiesen und gezwungen, ihre
Waaren mit bedeutenden Verlusten zu verkaufen. Die montene⸗
zrinische Regierung nahm das aus dem Verkauf erzielte Geld in
Beschlag. Viele Ausgewiesene sind in Scutari eingetroffen. So
wird aus türkischer Quelle berichtet. F
Vermischies.
*St. Ingbert, 12. Oit. In der gestern dahier statt⸗
gehabten Distriltsrathsfitzung wurden folgende Beschlüsse
gefaßt: 1) Nach Abhör der Rechnung pro 1879 wurde der Voꝛn—
anschlag der Einnahmen und Ausgaben für das Jahr 1881 fest⸗
gestellt. 2) Für Herstellung der Straße von St. In gberter⸗
Grube nach Suͤlzbach wurde ein entsprechender Kredit vor⸗
zesehen und wird die Herstiellung der Straße, wie wir vernehmen,
hald in Angriff genommen werden. 3) Als Distriktskassier wurde
herr Steuer⸗Einnehmer Acker aufgestellt. 4) Der Vereinigung der
heiden Distrilte St. Ingberi und Blieskastel in einen
Bauschaffnerbezirk wurde nur unter der Bedingung, daß der Sitz
des Bauschaffners in St. Ingbert verbleibt, zugestimmt. Im
lebrigen wurden die Beschlüsse des Distriktsgausschuüsses bom 4. 8.
Mts. bestätigt.
fSt. Ingbert. In seiner letzten Sitzung fällte das k.
dandgericht Zweibrücken ein Urtheil, das allen leichtsinnigen und
unachtsamen Fuhrleuten zur Warnung dienen mag. Am 21. Mai
d. J. hatte der 16jährige Jakob Berzel von hier im Auftrage
seines Dienstherrn, des Rollfuhrmannes Joh. Schwarz, auf einer
sog. Rolle 3 leere Füsser nach dem Bahnhofe zu fahren. Unwen
des Güterschuppens begegnete ihm der Dienstknecht Nikolaus Hurth
»on Walsheim mit einem mit 2 Pferden bespannten und mit
Steinen beladenen Wagen. Hurth ging neben den Pferden her,
die Leine in der Hand haltend. Schon als Berzel das Fuhrwert
des Hurih kommen sah. wich er nach Fuhrmannssgebrauch no