Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

f Was für tohle Wetten manchmal zum Austrag ge⸗ 
bracht werden, davon gibt Nachstehendes Zeugniß. In Fran ken⸗ 
thal wettete der Kaufmann Ph. K. mit einem Bekannten um 
wei Flaschen Wein, daß er binnen 45 Minuten 12 kräftige 
Figarren rauchen wolle. Die Wette wurde angenommen und 
sofort zur Ausführung geschritten. K. zündete die 12 Cigarren 
der Reihe nach an und rauchte mit voller Dampfkraft, abwechselnd 
je einen Zug. Binnen 483 Minuten hatte er die vorschriftsmäßigen 
Stummel in Länge von je 1 Centimeter fertig. Er erklärte je— 
doch, daß er ein zweites Mal das Stückchen nicht ausführen wolle. 
Wir glauben es ihm gern. 
Nach den vom Bezirksamte Germersheim gemachten 
Frhebungen sind durch die außerordentliche Kälte des letzten Win⸗ 
lers im Bezirke Germersheim von 200,000 Obstbäumen 44,000 
zu Grunde gegangen, und zwar: 9080 Aepfel⸗, 3375 Birn⸗, 29,670 
Zwetschen⸗, 990 Kirsche, 320 Pflaumen⸗, 500 Nuß⸗, 35 Aprikosen⸗ 
und 60 Pfirsichbäume. 
In Mühlheima—d. Ruhr hat, wie die „Rh. und 
Ruhrztg.“ mittheilt, die Polizeibehörde eine Verfüügung erlassen, 
durch welche Personen unter 16 Jahren das Rauchen in öffent 
lichen Lokalen und auf offentlichen Straßen und Plaͤtzen ver boten 
ist. (Wäre auch anderswo zu wünschen, wo noch viel jüngere 
Zürschchen schon rauchen. 
In der Schöffengerichtssitzung zu Saarburg wurde der 
Weinhändler Moutier aus Niederweiler wegen Weinfälschung zu 5 
Tagen Gefängniß und 200 Mart Geldbuße verurtheilt. Außerdem 
at er den Verlust von 2500 Liter konfiszirten Weins zu ertragen. 
p In Diedenhofen Cothringen) erregt die Verhaftung 
des dortigen Bürgers Hippolyt Tissot allgemeines großes Aufsehen. 
Dieselbe erfolgte auf höhere Weisung wegen Verdacht des Landes⸗ 
berrathes. Wie man vernimmt, handelt es sich um verbotene Auf⸗ 
nahme von Festungsplänen. 
— Der militärische Korrespondent der „Times“ veröffentlicht 
einen Bericht über „Metz und dessen Garnison“, der die For— 
tifikationen, soweit ihm dieselben zugänglich waren, eingehend bespricht. 
Er nennt Metz einen ungeheuren Brüdenkopf für die deutsche Grenze; 
durch ihn könnten die Deutschen mit ihren reichlichen Eisenbahn⸗ 
berbindungen mit dem übrigen Deutschland innerhalb weniger Tage 
eine große Armee zwischen der Mosel und Maas anhäufen. Es 
ist jedoch mehr als ein riesiger Brucenkopf, es ist ein ausgedehntes 
berschanztes Lager, völlig gesichert und leicht zu verproviantiren. 
Mehrere Armeekorps könnten hier ohne die geringste Gefahr einer 
Störung ihres Zusammenhanges konzentrirt werden. Ehe ein Krieg 
wirklich ausbreche, koönne eine bedcutende Armee dort versammelt 
werden, um bereit zu sein, am Tage nach Kriegserklärung die Grenze 
zu überschreiten. Ein schwacher Punkt in der französischen Festungs- 
—A Chalons in 4-6 forcirten 
Märschen von einer Armee von 200,000 Mann erreicht werden. 
Dden Eindruck, den er von den deutschen Soldaten im Vergleiche 
mit den französischen erhielt, ist der, daß die Mannschaften sehr 
jung und meist wie pausbãckige, gutmüthige, englische Bauern aus 
sehen. Ihr Korperbau ist nicht so gut, wie er erwartet hatte. aber 
die große Mehrzahl derselben ist gut gewachsen. Die deutschen Offi⸗ 
ziere haben ihm durch Größe und Breitschultrigkeit imponirt. Er 
hat den Eindruck empfangen, daß die französischen Soldat en im 
Durchschnitt an Körperkraft den deutschen gleichkommen und daß, 
bom praktischen Gesichtspunkt betrachtet, die ersteren ebensogut wie 
die letzteren manövriren, aber daß die Ueberlegenheit der Deutschen 
in der strikteren Disziplin und uͤnausgesetzten Aufmerksamkeit auf 
—AD 
Die polhytechnische Hochschule in Mün ch en nimmt in ihrer 
—A Gründe bezeichnet die „Postzeitung“: 
h) schlechte Zeiten und Geldverhältnisse, 2) daß auch in anderen 
»euischen Ländern derartige Bildungsanstalten entstanden und 3) 
ils Hauptgrund, daß selbst sehr fähige Absolventen der technischen 
Hochschule ke i n e Verwendung mehr fanden. 
4Vor einigen Tagen ist die große für das Niederwald⸗ 
Denkmal bestimmie „Germania“, welche ungefähr die Höhe eines 
oreistöckigen Gebäudes hat und 800 Zentner wog, aus dem Atelier 
des Professor Schilling in Dresden nach Mönschen zum Guß 
transportirt worden. 
F In Kringell bei Passau erkrankten auf der Wolfschedel⸗ 
mühle 15 Personen, welche gelegentlich der Hauskirchweihe von 
einem Hirsebrei genossen hatten, der anstatt mit Zucker mit Arsenik 
uüberstreͤt war. Sechs Personen sind gestorben. die übrigen schweben 
noch in größter Lebensgefahr. 
F In Nürnberg ist nunmehr eindJahr seit Einführung 
der obligatorischen Trichinenbeschau verflossen. Es wurden wahrend 
dieses Jahres 40 trichinöse Schweine aufgefunden und da ca. 41 
— D so trifft ein trichi⸗ 
nöses Schwein auf je ca. 1000 Stück. 
Zu welchen Ugeheuerlichkeiten die gegenwärtigen Schwank⸗ 
angen in der deutschen Rechtschreibung führen, dafür 
ndie in Folgendem ein bündiger Beweis erbracht sein. Als neu⸗ 
lich in einer allerdings animirten Gesellschaft die Frage aufgeworfen 
burde, wie wohl nach der neuesten Orthographie das Wort Hühner— 
tall geschrieben würde, lautete die launige Antwort: .... Putt⸗ 
ammer!“ 
Nach der dem preußischen Abgeordnetenhause von 
dem Finanzminister Bitter zugestellten Nachweisung über die Zahl 
zer für das laufende Rechnungslahr 1880/81 zur Klassen⸗ und Ein⸗ 
ommensteuer veranlagten Personen wohnen die beiden Höchstbe⸗ 
leuerten der preuß. Monarchie im Regierungsbezirk Wiesbaden 
vermuthlich die beiden Frankfurter Rothschild), welche von einem 
auf 2,400,000 bis 2,460,000 M. (Gs. Stufe) beziehungsweise 
mif 2340,000 bis 2,400,000 M. geschätzten Jahreseinkommen 
»2,000 bezw. 70,200 M. Einkommensteuer zahlen. Diese beiden 
— E eine Stufe höher 
ingeschätzt worden, als im vorigen Jahre. Ebenso ist ein Insasse 
des Regierungsbezirks Düsseldorf (wohl Krupp in Essen) aus der 
50. in die 6J. Siufe vorgerückt: er zahlt von einem auf 1,980,000 
zis 2,040,000 M. geschätzten Einkommen 59,400 M. Steuer. 
Fin Berliner Einwohner hat 32,400, jetzt 45, 000 M. zu zahlen, 
pas einem Jahreseinkommen von mehr als 1,8500, 000 M. entspricht. 
Die Zahl derjenigen, welche Einkommensteuer von mehr als 54.000 
M. Cinkommen bezahlen, beträgt 1195. 
4Das Landgericht Cissenach hat am 14. Okt. schlafende 
Zchöffen als abwesende veruriheilt und demgemäß eine Entscheidung 
vernichtet. Es nahm an, daß Jemand, der durch einen physischen 
Umstand verhindert werde, an einer Sache theilzunehmen, als ab⸗ 
vesend angesehen werden müsse. 
.Am Sonnabend fuhr in Horka der von Wittenberg nach 
Breslau bestimmte Pulverextrazug dem von Kohlfurt kommenden 
Jemischten Zuge dergestalt in die Flanke, daß von dem Pulvererx⸗ 
razuge die Maschine vollständig entgleiste und von dem andern 
Zuge vier Wagen sehr erheblich zertrümmert wurden. Passagiere 
ind glücklicherweise nicht verletzt, von dem Fahrpersonal ein Bremser 
eicht am Kopfe kontusionirt. Man wagt sich das ungeheure Un⸗ 
zlück kaum vorzustellen, welches hätte entstehen müssen, wenn eine 
ẽxplosion der Ladung des ca. 40-50 Achsen starken Pulvertrans⸗ 
vortes Statt gefunden hätte. 
p Auf dem hannoverischen Provinziallandtage wurde 
im 21. v. M. ein Antrag des Hrn. v. Hinüber wegen Wieder⸗ 
inführung der Prügelstrafe nach längerer Debatte mit großer Ma— 
sorität angenommen. 
pIn Schleswig ereignete sich ein entsetzliches Unglück. 
die beiden jüngsten Söhne eines allgemein geachteten Kaufmannes 
vurden auf ihrem Zimmer von dem Dienstmädchen todt gefunden. 
der jüngste, etwa Tgsjährige Knabe hatte eine Schußwunde in der 
grust, waͤhrend der äliere 15jährige einen Schuß in der Schläfe er— 
jalten hatie und mit einem Revolver in der Hand auf dem Boden 
sag. Der rasch herbeigerufene Arzt konnte nur den Tod der beiden 
Züͤaben konstatiren und sprach derselbe die Vermuthung aus, daß 
er ältere Bruder den jüngeren aus Unvorsichtigkeit erschossen und 
ich dann aus Verzweiflung über diese beklagenswerthe That selbst 
den Tod gegeben habe. 
pEune lebendige Mausefalle. Aus Linz wird 
)er „Deutsch. Ztg.“ in Wien folgende, schier unglaubliche Geschichte 
nitgetheilt: „In Altheim wurde auf eine seltsame Weise eine 
Maus gefangen. Der Kleinhäuslerin Katharin W.. kroch 
nämlich, während dieselbe schlief, eine Maus in den Mund und 
gerieth, bevor die Frau erwachte, in die Speiseröhre. Jetzt erwachte 
zie Frau, die nach eigener Angabe nahe daran war zu ersticken; 
ie griff vergebens nach dem Schwanze des Thierchens, welches 
einen Weg durch den Hals nahm, in den Magen gelangte und 
zaselbst eine Weile herumkrabbelte. Endlich beruhigte sich die Maus, 
im so unruhiger wurde die Frau, welche nach vielen Entfernungs⸗ 
versuchen das kleine Ungethüm durch ein Brechmittel von sich gab. 
die Maus war todt, die Vatientin ist gerettet und kam mit dem 
S„chrecken davon.“ 
p Eine neue Weintraube. Der in Klosterneuburg (Oester⸗ 
eich) erscheinende „Obstgarten“ entnimmt dem Brief des franzö⸗ 
ischen Afrikareisenden Th. Loͤcard an den französischen Minister 
ꝛes öffentlichen Unterrichts, datirt von Gangarran im Sudan, 25. 
Juli 1880 eine merkwürdige Mittheilung. Th. Léccard schreibt: 
Unter den Neuheiten (ich sammle und studire täglich neue Pflanzen) 
jabe ich die Ehte, Ihnen, Herr Minister, eine Weinrebe mit köst⸗ 
ichen Früchten anzukündigen, die von krautartigem Wuchs und 
usdauerndem Wurzelrhizoma ist. Die Schönheit und der Reich⸗ 
hum an Früchten, das starle Wachsthum und die Dauerhaftigkeit 
Jer Pflanze, die Leichtigkeit ihrer Kultur in Folge der jährlich zu 
rneuernden Pflanzung der knolligen Wurzeln lassen hoffen, daß 
Hiese Pflanze die Bedingungen des Weinbaues in Frankreich voll⸗ 
tändig ändern und eine Weinproduktion in ungeheueren Massen 
rmöglichen werde. Ich will nicht in nähere Erörterungen eingehen, 
ondern meine Entdedung nur mit den Worten zusammenfassen: 
z8 sind dies außerordenilich fruchtbare Weinreben, die man in 
Tankteich wie Georginen bauen wird und die ein unübertreffliches