St. Ingberler AAnzeiger.
Der St. Jugberter Anzeiger und das (2mal wöchentlichj mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei—
lage) erscheint wöchentlich viermal: Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abounementsvpreis betragt vierteljährlich
A 40 B einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 A6 60 H, einschließlich 40 Zustellgeblhr. Anzeigen werden mit 10 B, von Auswäris
mit 1* fur die viergespaltene Zeile Blattschrist oder deren NRaum, NReclamen mit 80 2 pro Zeile berechnet.
— 178. Sonntag, den 7. November
1880.
Deutsches Neich.
München. S. M. der König ernannte den bisherigen
Legationsrath bei der Gesandtschaft in Wien Hugo Graf Lerchen—
eld-Köfering unter Beförderung zum Geh. Legationsrath 2. Klasse
zum Gesandten und Bevollmächtigten Minister am preußischen Hofe,
den bisherigen Gesandten in Berlin v. Rudhart zum Gesandten
am russischen Hofe und den bisherigen Geschäftsträger in Peters—
hurg v. Tautphöus zum Gesandten am italienischen Hofe.
Der bayerische Landtag wird nach Münchener Berichten
am 11. Januar nächsthin zusammentreten.
Die Berliner „Post“ bestätigt nun doch, daß die Absicht besteht,
den preußischen Staatsminister und Staatssekretär v. Bötticher
mit der Stellvertretung des Fürsten Bismarck im
KHandelsministerium zu betrauen. Diese Stellvertretung
vürde sich lediglich auf die Verantwortung für die laufenden
Ressortgeschäfte beziehen, während der Kanzler den großen
sozialpolitischen Reformprojekten, denen er als Handelsminister näher
getreten ist, in dieser seiner ihm verbleibenden Eigenschaft sich in
Zuk unft „voll und ganz“ widmen dürfte.
Die Gerüchte über ein Entlassungsgesuch des
Neichskanzlers haben nach der bestimmten Eörklärung der
„Norddentschen Allgemeinen Zeitung“ verstummen müssen. Die Be—
trachtungen der Blätter über die sonderbare Wiener Meldung be—
vegen sich großentheils in verkehrter Richtung. An den umher—
schwirrenden Erzählungen ist soviel richtig, daß Graf Hatzfeldt, der
zum Staatssekretär des Auswärtigen ausersehene Botschafter in Kon—
tantinopel, in Berliner Hofkreisen, namentlich auch unter hohen
Militärs, manche entschiedene Gegner hat.
Aus Hamburg sind am 2. Nov. eiwa 80 Personen auf
Brund des FJ 28 des Sozialistengesetzes ausgewiesen worden, da—
runter der im vorigen Jahr dort gewählte Reichstagsabgeordnete
Hartmann und andere Führer der Sozialdemokratie, ferner alle
ene Personen, die sich, nachdem sie vor längerer Zeit aus Berlin
misgewiesen worden waren, sich daselbst nieder gelassen hatten.
Die Unverheiratheten müssen binnen 24 Stunden. die Verheiratheten
hinnen 3 Tagen Hamburg verlassen.
Aus sicherer Quelle verlautet, daß die auswärtigen Angelegen⸗
heilen unserm Reichskanzler in Friedrichsruh jetzt mehr als
pisher zu schaffen machen. Wir brauchen nicht zu sagen, so be—
nerkt die „K. Z.“, daß es besonders die Ueberstürzungen der Glad⸗
tone'schen Politik sind, deren Abwehr ihn in Anspruch nehmen muß
Ausland.
Paris, 3. Nov., Abends. Der internationale Post⸗
kongreß unterzeichnete heute die Konvention über die Beförder⸗
ing von Postpaqueten (ohne Werthangabe bis zum Gewichte
von 3 Kilogramm). Minister Cochery sagte den Mitgliedern Danl
für ihre Thätigkeit und schloß mit dem Ausdruck des Wunsches,
)aß die von den Mitgliedern kundgegebenen freundschaftlichen Ge—
inn ungen über den Kongreß hinaus fortdauern möchten.
Paris, 4. Nov. Heute fand die Ausweisung der Kapu—
iner in Angers, St. Etienne, Cahors und Besangçon statt, der
Dominikaner in Hübre und Poitiers, der Oblaten in Autun und
Nevers, der Franziskaner in Bourges, der Redemptoristen in Va—
ence und zweier anderer Orden in Orleans, St. Andelain und
Rantes. Ueberall wurde Protest erhoben, gewaltsam mußte die
Oeffnung der Thüren erzwungen werden, an einzelnen Orten mußten
die Exekutionsbeamten durch die Fenster einsteigen.
Es wurden auf Grund der Märzdekrete ferner ausge—
viesen; die Kapuziner in Montmarsan und Grenoble, die Redemp—
oristenin in Gannat und Chateaurour, die Oblaten in Nancy,
Tonrs und Lablachere, sowie die Maristen in Angouleme. Mehrere
Prokuratoren reichten ihre Entlassung ein; überall wurde den Poli—
zeiorganen passiver Widerstand entgegengesetzt; an mehreren Orten
mußte die Polizei Militärsapeure zur Oeffnung der Thüren re—
miriren.
Nach einer Nachricht der „N. Fr. Pr.“ aus Rom finden
wischen dem französischen, englischen und italienischen Kabinete seit
einiger Zeit Verhandlungen Statt, um nach der Abtretung Dul—
cignos sofort mit positiven Vorschlägen für die Unabhängigkeits-
Erklärung Albaniens hervortreten zu können. Die erste Anregung
hierzu soll Gladstone gegeben haben.
Vermischtes.
FDas neue bayerische Infanterieregiment (Nr. 18),
welches bekanntlich nach Landau und Zweibrücken in Garnison kommt,
wird gebildet durch die Abgabe von je einer klompetten Kompagnie
des 1. 4., 5., 6. 7., 8. 9., 12., 13. 14., 13. und 17. In—
fanterieregiments.
*Morgen (onntag), Nachmittags 8 Uhr, findet im Frucht⸗
hallsaale zu Zweibrüccken eine Generalversammlung des Wahl-
vereins der Fortschrittspartei für den Wahlkreis Zweibrücken-Pir—
masens Statt. Tagesordnung: Besprechung der politischen Lage
und Neuwahl des engeren Ausschusses.
FDie kgl. preußische Bergwerks-Direktion zu
Saarbrücken hat sich durch eine unterm 1. ds. Mis. ergan—
jene Verfügung an ihre Arbeiter dem Vorgehen der Eifen⸗
werksbesitzer Hrn. Gebr. Stumm gegen das „Neunkircher Tageblatt“
angeschlossen.
*Am 4. Novb. wurde die Ziehung der Gewerbemuse—
umslotterie beendigt. Es fiel noch ein Gewinn von 100 M.
auf Nr. 64218 und je 50 M. auf Nr. 27157, 78089, 6987,
1235, 21598. Der z3weite Haupttreffer (12,0000 M.) fiel nach
Fürth.
x. Aus Hochspeyer schreibt man der „Ksrsl. Ztg.“, es habe
mn Auftrag eines Konsortiums Herr Ottmann neben dem dortigen
ilten Bahnhof ein sehr großes Grundstück von 8000 Mark zur
Fründung einer Fabrik angekauft, zu deren Bau und Einrichtung
allein 300,600 Mark zur Verfügung ständen.
F Der Frankenthaler Gewerbeverein hat ebenfalls mit
der Gesellschaft „Zürich“ einen Vertrag auf Versicherung gegen
Unfälle für seine Mitglieder abgeschlossen.
In Schweigenheim wurden kürzlich einer Frau zwei
Bewächse von 25 Pfund Gewicht aus dem Leibe geschnitten. Die
schwierige Operation ist der „Pf. Post“ zufolge vollkommen ge⸗
ungen.
Die Ziehung der „Pfalzgau-Ausstellungs-Lotterie“ findet
am 3. Dezember Staͤtt.
. Wie von Baumholder eingetroffene Nachrichten be—
agen, sei der dortige Gemeindeeinnehmer Schneider von einem an—⸗
zeblichen Jagdausflug nicht mehr zurückgekehrt, sondern seitdem spur—
os verschwunden. Man spricht von einem Defizit von 6000 Mark,
das sich in der von ihm verwalteten Kasse vorgefunden haben soll.
In Nürnberg kann dem Umfuge der Damenschleppen
auf den Straßen jetzt von Seiten der Polijeibehörde daselbst ent—
jegengetreten werden, indem beschlossen wurde, eine orispolizeiliche
Vorschrift zu erlassen, wonach das muthwillige Erzeugen von Staub
n einer das Publikum belästigenden Weise verboten wird.
Der Generalmajor v. Muck, Kommandeur der bayerischen
Besatzungsbrigdde in Metz, wurde zum Kommandanten bon
München ernannt. An seiner Stelle wurde der Oberst v. Saff er⸗
ling, bisher Kommandeur des 1. Inf.-Regts, zum Kommandeur
)er Besatzungebrigade in Metz und gleichzeitig zum Generalmaior
ernannt.
F,Reichsgerichts-Entscheidung. Eine die ge—
chäftliche Praxis der als kaufmännisches Auskunfis- und Schulden—
intreibungs⸗Büreau bekannsen „Mutua Konfidentia“ in Berlin
ehandelnde Entscheidung ist vom Reichsgericht, II. Strafsenat, durch
yrkenntniß vom 1. Oktober 1880 ergangen, wodurch die Verur—
heilung eines Beamten dieses Büreaus und eines betheiligten Kauf⸗
nanns wegen strafbarer Nöthigung seitens des Kammecrgerichts,
hestätigt worden ist. Nach dieser Entscheidung ist ein von einem
herartigen Büreau im Auftrage eines kaufmännischen Gläubigers
gerichtetes Mahnschreiben an seinen angeblichen Schuldner, der eben⸗
alls Kaufmann ist, die Forderung zu zahlen, widrigenfalls er in
die von dem Büreau herausgegebene und an die Geschäftswelt ver—⸗
heilte Liste säumiger Schuldner kommen würde, als Nöthigung
zurch Bedrohung mit einem Vergehen (der Beleidigung) aus 8 246